Teilprojekt D3


- Forschungsbericht Nr. 2-


Das Lahn-Dill-Bergland

Deskriptive Analyse des Gebietes und der umliegenden Gemeinden

von Rolf Krell und Stefan Hummelsheim

Erstellt an der Professur für Projekt- & Regionalplanung im ländlichen Raum,
Prof. Dr. S. Bauer
Gießen im Januar 1998
 

Inhaltsverzeichnis:

1 Räumliche Abgrenzung von Untersuchungseinheiten

Das "Lahn-Dill-Bergland" bezeichnet eine zusammenhängende Mittelgebirgsregion. Die Naturräumliche Gliederung von Hessen (KLAUSING 1974) bietet Raumeinheiten, die zwar für eine überregionale Planung geeignet sind, diese sind jedoch nicht deckungsgleich mit bestehenden oder historischen Verwaltungsgrenzen und sagen daher nur wenig über die Homogenität der bisherigen Entwicklung der Landbewirtschaftung, der Industrie und des Gewerbes oder der zentralörtlichen Orientierung aus. Für eine differenzierte räumliche Analyse scheint also die Abgrenzung einer Gebietskulisse auf Gemeindeebene sinnvoll.

Eine solche Abgrenzung besteht beispielsweise innerhalb des "ländlichen Regionalprogramms Hessen" (ROTHER 1994), hier bilden 15 Gemeinden der Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und Lahn-Dill die Region Lahn-Dill-Bergland. Dabei besteht die Region aus den jeweils strukturschwächsten Anteilen der sie bildenden Landkreise und umfaßt eine Fläche von rund 682 Quadratkilometern. Der nördliche Teil wird von seinen Einwohnern "Hinterland" genannt, was auf eine traditionelle Benachteiligung dieser Region schließen läßt.

Ungünstige natürliche Voraussetzungen für die Landbewirtschaftung, ein vergleichsweiser hoher Industrialisierungsgrad mit günstigen außerlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten sowie die traditionelle Realerbteilung, führten zu einer extensiven, kleinparzellierten Nebenerwerbslandwirtschaft, die eine reichhaltig strukturierte Kulturlandschaft mit hoher ökologischer Vielfalt hervorgebracht hat. Mit dem Rückzug der Landwirtschaft werden das reizvolle Landschaftsbild und die ökologische Bedeutung dieser Region durch großflächiges Brachfallen von ehemaligen Nutzflächen massiv beeinträchtigt.

Die frühe außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit der Bevölkerung - das Lahn-Dill-Bergland gehört zu den ältesten Erzgewinnungsregionen Europas - hat zur Herausbildung einer für den ländlichen Raum ungewöhnlichen Industriestruktur geführt, die über lange Zeit eine qualifizierte Facharbeiterschaft mit guten Einkommen, eine vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit sowie in Einzelfällen sehr hohe kommunale Steuerkraft zur Folge hatte. Die einseitige Branchenstruktur und die stark ausgeprägte Fremdbestimmung durch nicht in der Region ansässige Konzerne haben jedoch im Zuge veränderter gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen inzwischen größere Probleme in der Region verursacht.

Das Lahn-Dill-Bergland hatte bis Ende der 70er Jahre eine gewisse Bedeutung als Kur- und Erholungsraum, speziell für Menschen aus dem Ruhrgebiet. Doch mit dem Strukturwandel im Fremdenverkehrssektor ist diese Bedeutung tendenziell rückläufig. Das Lahn-Dill-Bergland kann daher nicht als ausgesprochene Fremdenverkehrsregion angesehen werden. Um zumindest die Funktion als Naherholungsraum nicht nachhaltig zu beeinträchtigen, muß die wirtschaftliche Entwicklung der Region mit gewissen landschaftsästhetischen und ökologischen Belangen in Einklang stehen.

Das Lahn-Dill-Bergland ist seit 1992 ein Förderschwerpunkt im hessischen Programm zur ländlichen Regionalentwicklung, nicht jedoch Ziel-5b-Gebiet für EU-Strukturfonds.

Für die weiteren Analysen zur Darstellung der Ist-Situation bzw. der bisherigen Entwicklung wird der Untersuchungsraum auf die drei Landkreise ausgeweitet. Dabei sollen Besonderheiten auf Gemeindeebene sowie im überregionalen Vergleich die wesentlichen Charakteristika der Region dargestellt werden .

Abbildung 1: Gemeinden im Untersuchungsgebiet

Die Karte in Abbildung 1 grenzt die Untersuchungseinheiten näher ab:

2 Einordnung des Lahn-Dill-Gebietes anhand aggregierter Strukturdaten: Ein erster Überblick

In Tabelle 1 sind aus den verfügbaren statistischen Daten wesentliche aggregierte Strukturdaten zusammengefaßt. Als Vergleichsgebiet des Untersuchungsraumes sind einmal die entsprechenden Kennziffern in der Bundesrepublik insgesamt sowie im Land Hessen angegeben. Das Gebiet Mittelhessen bezieht sich auf die Raumordnungsregion der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR) und umfaßt die Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und den Lahn-Dill-Kreis. Dieses Gebiet ist also weder identisch mit der Regionalplanungsregion Mittelhessen noch mit dem Lahn-Dill-Bergland in der Abgrenzung des SFB.

Es entspricht der in diesem Bericht verwendeten Untersuchungseinheit "Lahn-Dill-Gebiet". Die Kennziffern für die einzelnen Landkreise repräsentieren daher gut unseren Untersuchungsraum und bringen bereits einige Strukturunterschiede innerhalb des Gesamtgebiets zum Ausdruck. Soweit nicht anders angegeben beziehen sich alle Daten in diesem Kapitel auf die Jahre 1987 bzw. 1988. Neuere Daten liegen in der gewünschten Gliederung nicht vor. Insbesondere verzichtet die BfLR in ihren neueren Raumbeobachtungen auf eine Ausweisung landwirtschaftlicher und umweltbezogener Informationen.

Die Darstellungen in diesem Kapitel dienen der ersten Orientierung und werden in den nachfolgenden Kapiteln inhaltlich, räumlich und zeitlich weiter differenziert.
 
Überregionaler Vergleich 
Landkreise 
1988 / 1989 
BRD 
Hessen 
Mittel- 
hessen1 
Gießen 
Marburg- 
Biedenkopf 
Lahn -Dill-. 
Kreis 
Einwohner  79753227  5763310 730068 240136  241512 284420
Bevölkerungsentwicklung 1980 - 90 (in %)  1,7 2,9 2,6  3,0 1,4 3,5 
Fläche (qkm)  356957 21114 3184  855 1263 1067 
Bevölkerungsdichte (Einwohner je qkm)  223 273 229  281 191 233 
Erwerbsquote  55,2 52,1 46,2  48,6 41,7 48,3 
Arbeitslosigkeit 1992 (in %)  8,5 5,3 6,1  6,1 5,9 6,3 
Versicherungspfl. Beschäftigte: Prim. Sektor (%)  3,8 0,8 0,8  0,8 0,9 0,7 
Sek. Sektor (%)  46,8 43,2 50,8  40,0 51,2 61,1 
Tert. Sektor (%)  49,5 56,0 48,4  59,2 47,9 38,1 
Industriebesatz (Industriebesch. je 1000 Erwerbst.)  258 225 235  195 213 296 
Erwerbstätige in der Landwirtschaft (in %) 5,1 2,1  2,1 2,2
    3
1,1
Beschäftigte im Fremdenverkehr (in %)  3,6 3,6 2,7  2,8 3,2 2,1 
Bodenklimazahl  44 45  44 46  41 49 
SO2 - Emissionen (Tonnen je qkm)  20 5,8  1,7 1,9 1,4  1,8
NOx - Emissionen (Tonnen je qkm)  4 2,5  1,1 1,1 0,9  1,7
Mittlere Reisezeit zu Zentr. Orten: Zug (in Min.)  78 54  56 46  65 57 
Auto(in Min.)  84 62  60 56  72 52 
BWS: (DM/Einwohner)  33150 38113 28276  29680 25856 29285 
Veränderung 1984 - 1988 (in % )  19,9 23,9 21,9  19,2 22,2 24,4 
Realsteuerkraft (DM je Einwohner)  498 560 392  411 357 410 
Steuereinnahmen (DM je Einwohner)  1160 1326 930  992 843 956 
Schlüsselzuweisung (DM je Einwohner)  328 355 401  410 533 264 
Zuweisung Bund und Länder ( DM je Einwohner)  157 155 145  134 180 120 
Anteil der ldw. Fläche an Gesamtfläche 1984 (in %)  54,5 45,3 43,9  48,4 46,4 37,4 
1988 (in %)  53,7 44,4 43,0  47,6 45,3 36,7 
Durchschnittliche Betriebsgröße 1987 (in ha)  17 15  12 15  12 10 
Anteil der Haupterwerbsbetriebe 1987 (in %)  45,9 33,5 25  27,7 28,5 14,4 
Betriebe mit einem STBE über 50 000 DM (in %)  33,0 28,5 22,3  29,1 18,8 21,0 
Bodenpreis für Bauland (DM/qm)  122 141 66  79 55  62
Verhältnis bebaute Fläche zu Freifläche  0,13 0,15 0,16  0,18 0,13 0,17 
Freifläche (qm/Einwohner)  3568 3298 3918  3151 4775 3823 
Erholungsfläche (qm/ Einwohner)  29 24  24 25  35 23 
Naturnahe Fläche (qm/ Einwohner)  60 21  24 18  32 23 
Sonderkulturen (in % der LF)  10,0 10,3 8,1  9,8 7,9 5,6 
GVE je 100 ha LF, 1984  115 100 105  93 115  99
GVE je 100 ha LF, 1988  110 88 89  77 101  77
Landwirtschaftsfläche nach Kataster (in ha) 1993 2) 
- 
925201 135322 40147  56653 38522
LF nach Ldw. Betriebserhebung (in ha) 1993 2)  17045600  770038 100418 32445  49185 18788
Differenz /"Brache" (in %) 1993 2) 
- 
16,77 19,44 19,18  13,18 51,23
Berechnete Relationen: Einwohner je ha LF  4,68 7,48 7,27  7,40 4,91 15,14 
Einwohner je GVE  4,25 8,51 8,17  9,61 4,86 19,66 
Quellen: BfLR, Materialien zur Raumentwicklung, Bad Godesberg 1992 und 1995"BfLR(BundesforschungsanstaltfürLandeskundeundRaumordnung),MaterialienzurRaumentwicklung,BadGodesberg1992und1995" 
  1. Raumordnungsregion der BfLR, umfaßt die Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und den Lahn-Dill-Kreis 
  2. Hessische Gemeindestatistik 
Tabelle 1: Einige Basis- und Vergleichsdaten im Untersuchungsgebiet

Im einzelnen läßt sich der Untersuchungsraum durch die Landkreisdaten wie folgt kennzeichnen:

Sowohl im Raumordnungsbericht der Bundesregierung als auch in den Veröffentlichungen der BfLR werden die drei Landkreise dem siedlungsstrukturellen Gebietstyp II "Regionen mit Verdichtungsansätzen" und hier der Kategorie 6 "Verdichtete Kreise" zugeordnet. Der Gebietstyp III "Ländlich geprägte Regionen" trifft also für unser Gebiet nicht zu, weil alle drei Kreise mit einem Oberzentrum ausgestattet sind und die Bevölkerungsdichte über den entsprechenden Grenzwerten (150 Einwohner je qkm nach der BfLR Definition) liegt. Ein Blick auf Tabelle 1 verdeutlicht, daß die Bevölkerungsdichte im Untersuchungsraum tatsächlich in etwa dem bundesdeutschen Durchschnitt entspricht und nur wenig unter der Bevölkerungsdichte Hessens liegt. Auch wenn man die einzelnen Gemeinden betrachtet, so finden sich nur wenige unter einer Bevölkerungsdichte von 100 Einwohnern je qkm, die meist als Schwelle für die Abgrenzung ländlicher Regionen herangezogen wird. Auch was die Bevölkerungsdynamik betrifft, liegt der Gesamtraum etwa im Durchschnitt Hessens, die Kreise Gießen und Lahn-Dill übertreffen sogar Hessen und auch den Bundesdurchschnitt. Diesen Charakteristika kommt unmittelbare Bedeutung für die Regionalentwicklung zu, da in verschiedenen Förderprogrammen die Bevölkerungsdichte als ein Abgrenzungskriterium herangezogen wird, so z.B. für die 5b Zielgebiete im Rahmen der europäischen Strukturförderung in ländlichen Regionen.

Hinsichtlich der wirtschaftsstrukturellen Indikatoren fällt zunächst einmal die vergleichsweise niedrige Erwerbsquote, insbesondere im Kreis Marburg auf. Bezüglich der Arbeitslosigkeit liegen alle Gebiete, ebenso wie Hessen insgesamt, etwas günstiger als der Bundesdurchschnitt. Charakteristische Unterschiede bestehen bezüglich der Beschäftigtenstruktur (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte). Während im Landkreis Gießen der Dienstleistungssektor stark überrepräsentiert ist, dominiert im Lahn-Dill-Kreis der sekundäre Industriesektor. Dieses Bild wird auch durch den Industriebesatz belegt. Der primäre Sektor spielt gemessen an der Wirtschaftskraft und dem Arbeitsplatzangebot in allen drei Kreisen, ebenso wie in Hessen insgesamt, eine fast zu vernachlässigende Rolle (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Bergbau, Land-, Forstwirtschaft und Fischerei).

Hinsichtlich der landwirtschaftlichen Bedeutung (Erwerbstätigenanteil) liegt der Untersuchungsraum, ebenso wie das gesamte Bundesland, unter dem Bundesdurchschnitt. Im Lahn-Dill-Kreis ist nur noch 1 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. In der gesamten Region übersteigt die Beschäftigtenzahl im Fremdenverkehr (es sind nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigen erfaßt) die Erwerbstätigkeit in der Landwirtschaft. Gegenüber der Landwirtschaft sind in den Zahlen der BfLR für den Fremdenverkehr die Familiennebentätigkeiten (Zimmervermietung etc.) nicht erfaßt. Im Lahn-Dill-Kreis besitzt der Fremdenverkehr bereits eine doppelt so hohe Beschäftigtenbedeutung wie die Landwirtschaft. Diese Zahlen belegen, daß es sich hier nicht mehr um eine agrarisch geprägte ländliche Regionen handelt. Trotz der mehr oder weniger marginalen Bedeutung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Aktivitäten für das regionale BSP und Arbeitsplatzangebot bleibt die land- und forstwirtschaftliche Flächennutzung ein entscheidender raumprägender und raumgestaltender Faktor mit gesamtgesellschaftlich wichtigen Funktionen.

Tabelle 1 belegt, daß im Untersuchungsraum, insbesondere in den Kreisen Marburg-Biedenkopf und Lahn-Dill, eine äußerst ungünstige Agrarstruktur vorliegt. Es ist somit davon auszugehen, daß im Zuge der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung und des Generationswechsels die schon niedrige Agrarquote weiter sinken wird, so daß die geringe regionalwirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft im Untersuchungsgebiet noch weiter zurückgeht. Gerade in dieser Entwicklung ist ein potentieller Konflikt zwischen den privatwirtschaftlichen Interessen der Landeigentümer und gesellschaftlichen Ansprüchen und Zielen angelegt.

Die Umweltbelastungen im Untersuchungsraum, statistisch erfaßt als CO2 und NOx Emissionen, liegen eindeutig unter dem Landesdurchschnitt und noch deutlicher unter dem Bundesdurchschnitt. Auch die Umweltbelastungen, die von der Landwirtschaft ausgehen, dürften im Untersuchungsgebiet wegen des hohen Grünlandanteils und der vergleichsweise extensiven Wirtschaftsweise eher unter dem Durchschnitt der Vergleichsgebiete liegen. Statistische Zahlen liegen hierzu jedoch leider nicht vor.

Das Gebiet weist eine vergleichsweise günstige Erreichbarkeit zentraler Orte auf, was in den Indikatoren und Kennziffern zur mittleren Reisezeit zum Ausdruck kommt. Von daher kann im üblichen Sinne des Sprachgebrauchs der Regionalwissenschaften eigentlich nicht von einer peripheren Region gesprochen werden.

Die Kennziffern BWS (Bruttowertschöpfung je Einwohner) bringen eine deutlich niedriger Wirtschaftskraft des Untersuchungsraum gegenüber dem Durchschnitt in Hessen bzw. der Bundesrepublik zum Ausdruck. Gegenüber Marburg-Biedenkopf schneiden hier die Kreise Gießen und Lahn-Dill noch vergleichsweise günstig ab. Die Daten zeigen auch, daß die Entwicklung im Lahn-Dill-Kreis von einer besonderen Dynamik geprägt ist. Hinsichtlich der Realsteuerkraft und der tatsächlichen Steuereinnahmen liegt der Kreis Marburg besonders ungünstig. Allerdings wird ein Teil davon durch die mit Abstand höchsten Schlüsselzuweisungen und die Zuweisungen des Bundes und der Länder ausgeglichen. Im Rahmen der Untersuchungen wird das Finanzausgleichsystem nicht nur im Hinblick auf die Kommunalfinanzen und die Wirtschaftskraft der Region, sondern auch hinsichtlich der Möglichkeiten einer Einbeziehung überregional bedeutsamer ökologischer Leistungen näher zu untersuchen sein.

Der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen liegt sowohl in Hessen als auch im Untersuchungsgebiet deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Besonders niedrig ist der Anteil im Lahn-Dill-Kreis. Auch hier ist ein fortdauernder weiterer Rückgang zu beobachten. Auch für die Betriebsgröße und den Anteil der Haupterwerbsbetriebe an der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe gilt eine ähnliche regionale Differenzierung. Gegenüber dem Bundesgebiet und auch gegenüber dem Durchschnitt Hessens erwirtschaftet ein wesentlich geringerer Teil der landwirtschaftlichen Betriebe ein Einkommen, das gewisse Entwicklungsoptionen für eine nachhaltige Agrarentwicklung eröffnet und in erster Annäherung als ausreichend unter den Gesichtspunkten sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit anzusehen ist. Wie bereits angedeutet wurde, ist durch diese Ausgangslage ein weiterer Schrumpfungsprozeß sehr wahrscheinlich, der zwar durch agrar-, regional- und umweltpolitische Aktivitäten in seiner Geschwindigkeit beeinflußt, aber nicht gestoppt werden kann. In diesem Zusammenhang wird eine Hauptaufgabe des SFB darin bestehen, den politischen Entscheidungsträgern Instrumente und Handlungsoptionen aufzuzeigen, auf welche Weise und mit welchen Mitteln und Konsequenzen in diesen Prozeß steuernd eingegriffen werden kann.

Ein Standortvorteil der Region sind die vergleichsweise niedrigen Baulandpreise in Kombination mit einer geringen Entfernung zu Zentren und Kleinstädten. Diese haben offensichtlich bereits in der Vergangenheit dazu geführt, daß ein relativ hoher Anteil der Fläche bebaut ist. Das Verhältnis bebauter Fläche zu Freifläche liegt im Lahn-Dill-Kreis und auch im Landkreis Gießen über dem Durchschnitt von Hessen und Bundesrepublik.

Ein wichtiger Indikator für die Einordnung des Untersuchungsraums ist neben dem geringen Anteil landwirtschaftlicher Flächen die große Differenz zwischen der landwirtschaftlichen Katasterfläche und der bei der Betriebserhebung festgestellten landwirtschaftlich genutzten Fläche. Wegen verschiedener methodischer und inhaltlicher Unterschiede ist diese Differenz nicht mit Brache oder der sog. "Sozialbrache" gleich zu setzen, aber es besteht durchaus eine signifikante Korrelation. Im Lahn-Dill-Kreis werden weniger als die Hälfte der landwirtschaftlichen Katasterfläche tatsächlich von im Kreis ansässigen landwirtschaftlichen Betrieben bewirtschaftet. Die restliche Fläche wird entweder von Betrieben außerhalb des Kreisgebietes bewirtschaftet, ist in Landschaftspflegeprogramme eingebunden oder befindet sich in verschiedenen Stadien der Sukzession (Sozialbrache).

Im Hinblick auf umweltpolitische und gesellschaftliche Ziele, wie der Erhaltung einer abwechslungsreichen und ökologisch wertvollen Kulturlandschaft, werden gerade diese Prozesse im Rahmen der Forschungsarbeiten näher zu untersuchen sein.

Ein weiteres Charakteristikum der Region ist in der Tatsache zu sehen, daß es sich hier nicht, wie man zunächst vermuten könnte, um eine landwirtschaftliche Überschußregion handelt. Vielmehr läßt sich auch ohne Vorliegen regionaler Handelsbilanzen belegen, daß ein Großteil der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung in der Region durch Importe gedeckt wird. Wenn wir unterstellen, daß im Nahrungsmittelverbrauch keine großen regionalen Unterschiede vorliegen und zunächst den Drittlandshandel vernachlässigen, so können wir die Verbrauchssituation durch die Indikatoren Einwohner je ha LF (BRD 4,6) und Einwohner je GVE (BRD 4,2) kennzeichnen. Die relativen Differenzen zu den regionalen Kennziffern verdeutlichen dann den regionalen Versorgungsgrad. So ergibt sich, daß im Durchschnitt des Untersuchungsgebiets, ähnlich wie im Land Hessen, insgesamt etwa 40% der pflanzlichen Agrarrohstoffe direkt oder in veredelter Form importiert werden; bei tierischen Produkten ist es beinahe die Hälfte. Lediglich der Kreis Marburg-Biedenkopf entspricht in seiner Versorgungslage in etwa dem Bundesgebiet. Die Landwirtschaft im Lahn-Dill-Kreis versorgt - nach diesen vereinfachten Berechnungen - die einheimische Bevölkerung nur zu etwa 30% mit Nahrungsmitteln pflanzlichen Ursprungs und nur zu 20% mit tierischen Produkten aus kreiseigener Produktion. Diese Anteile gelten unter Annahme durchschnittlicher Ertrags- und Leistungsdaten. Wegen der tendenziell niedrigeren Erträge dürfte daher der tatsächliche Versorgungsgrad noch niedriger liegen. Diese Zahlen korrespondieren vergleichsweise gut mit den übrigen Kennziffern des Agrar- und des gesamten primären Sektors in Tabelle 1.

Nach überschlägigen Berechnung liegt der Bruttowertschöpfungsanteil der Landwirtschaft im Lahn-Dill-Kreis unter 0,25% und in den übrigen Kreisen unter 1%. Die Landwirtschaft hat somit im Untersuchungsgebiet trotz erheblicher staatlicher Förderung nur eine geringe regionalwirtschaftliche Bedeutung.

Auch diese Kennziffern belegen, daß es sich beim Untersuchungsgebiet nicht um eine typische periphere ländliche Region handelt, denn diese sind i. a. durch eine überdurchschnittliche Bedeutung der Landwirtschaft gekennzeichnet. Vielmehr ist die Region durch eine hohe Bevölkerungsdichte, einen hohen Anteil von Industrie und Dienstleistungen und eine eher marginale Bedeutung der Landwirtschaft geprägt, die überdies eine vergleichsweise geringe regionale Wettbewerbsfähigkeit aufweist.

3 Struktur- und Entwicklungsunterschiede: Betrachtung auf Kreisebene

Insgesamt könnte man das Lahn-Dill-Bergland als eine ländlich geprägte Region im näheren Einzugsbereich unterschiedlich stark verdichteter Zentren mittlerer Größe einordnen. Insofern werden in dieser Region in Zukunft funktionale Stadt-Land-Beziehungen wachsende Bedeutung gewinnen, einerseits Ansprüche auf die Bereitstellung von naturraumbasierten Ausgleichsfunktionen, die in enger Beziehung zur Landnutzung stehen, andererseits die Bereitstellung von Arbeitsplätzen und Erwerbsmöglichkeiten in den Zentren für das Umfeld.

Da die bisherige Einordnung auf der Grundlage von Statistiken erfolgte, die die Landkreisebene als Bezugsraum besitzen, ist eine Übertragbarkeit auf die Region "Lahn-Dill-Bergland" nur eingeschränkt möglich.

Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob das Lahn-Dill-Bergland in bestimmten Bereichen wie z.B. Wirtschaftskraft, infrastruktureller Ausstattung und Flächennutzungsanteilen deutlich von den es bildenden Landkreisen abweicht, bzw. in sich homogen ist. Es ist zu erwarten, daß das Lahn-Dill-Bergland nach den Kriterien der BfLR der Einordnung als ländliche Region weitaus stärker entspricht als die einzelnen Landkreise Gießen, Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf.

Die folgenden Zusammenhänge verdeutlichen diese These:

 
Lahn-Dill-Gebiet 
LK Gießen
Lahn-Dill-Kreis 
LK Marburg-Biedenkopf
Lahn-Dill-Bergland
Oberzentrum
1
Mittelzentrum mit Funktion eines Oberzentrums 
1
Mittelzentrum
2
4
Unterzentrum mit Funktion eines Mittelzentrums 
2
Unterzentrum
20 
8
5
Kleinzentrum
29 
5
12 
12
Zentren gesamt
63 
18
23 
22
13 
Fläche im km2
3184 
855
1263 
1067
682 
Tabelle 2: Ausstattung der Untersuchungsregion mit zentralen Orten

3.1 Bevölkerung

Die strukturelle und quantitative Ausprägung der Bevölkerung gehört u.a. zu den harten Faktoren der räumlichen Entwicklung. Demographische Veränderungen wirken sich nachdrücklich auf die unterschiedlichsten Bereiche aus. Beispiele sind der Arbeitsmarkt, die Infrastruktur, Wohnungsmärkte, Umweltbelastungen oder die ökonomische Entwicklung. Die regional differenzierte Ausprägung dieser Prozesse beeinflußt langfristig auch die Entwicklung der Siedlungsstrukturen (BUCHER,1989).

Regionalplanerische Aktivitäten müssen sich an diesen Entwicklungstendenzen orientieren und aktiv oder reaktiv steuernd eingreifen, um nachteilhafte Folgewirkungen weitgehend zu vermindern. Außerdem lassen sich aus der demographischen Entwicklung eines Gebietes wichtige Aussagen über Problemlagen, Potentiale und die Standortattraktivität der Region ableiten. Aus den genannten Gründen erfolgt in diesem Kapitel eine Einordnung des Projektgebietes bezüglich seiner demographischen Verhältnisse. Der überregionale Vergleich soll einerseits die Besonderheiten des Gebietes dokumentieren, andererseits können auf diese Weise übergeordnete Einflußfaktoren identifiziert werden.

3.1.1 Bevölkerungsdichte

Nach der siedlungsstrukturellen Typisierung der BfLR lassen sich die Kreise Gießen, Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf dem Regionstyp 2 für Mittelhessen (Regionen mit Verdichtungsansätzen) und hier dem Kreistyp 6 (Verdichtete Kreise) zuordnen. Auch das Lahn-Dill-Bergland erfüllt die Kriterien für diese Kategorie (Lage innerhalb einer Planungsregion des Regionstypes 2; Bevölkerungsdichte > 150).

Abbildung 2: Regionale Bevölkerungsdichten 1995

Im Vergleich zu Hessen (285 Personen/km²) sowie dem Regierungsbezirk Gießen und den betrachteten Kreisen zeichnet sich das Lahn-Dill-Bergland allerdings durch die geringste Bevölkerungsdichte von 165 Personen pro km² aus. Sie beträgt damit nur rund 58 % des Landesdurchschnitts. Dieser Sachverhalt weist auf das Fehlen von Verdichtungszentren hin und unterstreicht die ländliche Prägung des Gebietes. Dementsprechend werden im "Regionalen Raumordnungsplan Mittelhessen" die Gemeinden des Lahn-Dill-Berglandes dem "ländlichen Raum" zugeordnet.

3.1.2 Bevölkerungsentwicklung

Betrachtet man die Bevölkerungsentwicklung im Zeitablauf, so zeigt sich folgendes Bild:

Abbildung 3: Regionale Bevölkerungsentwicklung im Zeitablauf

Die Bevölkerung in Hessen lag 1995 knapp über 6 Mio. Personen. 15 Jahre zuvor wurde eine deutlich geringere Einwohnerzahl von 5601031 Personen registriert.

Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, lag dieser Entwicklung keineswegs ein gleichmäßiger Verlauf zugrunde. Es lassen sich 2 Entwicklungsetappen voneinander abgrenzen:

Dieser Zeitraum ist durch einen tendenziellen Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet. Er spiegelt unter anderem den allgemeinen Rückgang der natürlichen Bevölkerungsentwicklung wieder, der sich in einer Abnahme der Geburtenrate äußert. (Der Sprung zwischen 1986 und 1987 ist nach Angaben des HSL bedingt durch eine Bereinigung des Datenmaterials auf Grund der Volkszählung und durch die inhaltliche Änderung der Kategorie "Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung", in der vor 1987 die gesamte Wohnbevölkerung zusammengefaßt war.) Der stetige Anstieg der Bevölkerung führte 1995 in Hessen zu einer Gesamtzahl, die den Bezugswert im Basisjahr 1980 um 7,3% übersteigt. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war der Fall der innerdeutschen Grenze und die Öffnung Osteuropas.

Abbildung 4: Regionale Bevölkerungszuwachsraten

In der zweiten Phase von 1988 bis 1995 hat die Gesamtbevölkerung im Regierungsbezirk Gießen und den Landkreisen Gießen, Marburg-Biedenkopf und Lahn-Dill stetig zugenommen. Gleiches gilt für das Lahn-Dill-Bergland, in dem die Einwohnerzahl innerhalb der sieben Jahre von 104853 auf 112805 Personen anstieg. Bei genauerer Betrachtung des Entwicklungsverlaufes wird der Bezug zur Landesebene deutlich: der tendenzielle Verlauf der relativen Bevölkerungszahlen im Zeitablauf ist nahezu identisch (vgl. Abbildung 3); die Zuwachsraten liegen in etwa in der selben Größenordnung (vgl. Abbildung 4). Gleiches gilt auch für den Regierungsbezirk Gießen sowie die Landkreise Gießen, Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf.

Es wird also deutlich, daß die gravierenden politischen Ereignisse in Ostdeutschland und Osteuropa die Bevölkerungsentwicklung in Hessen und seinen Teilräumen entscheidend geprägt haben. Bisherige Tendenzen sind nicht mehr erkennbar, da deren Richtung z.T. grundlegend verändert wurde. Die absoluten und relativen Kennwerte der Bevölkerungsentwicklung wurden gravierend beeinflußt. Die unterschiedlichen teilraumspezifischen Ausrichtungen wurden weitgehend nivelliert. Die allgemeine Entwicklung des Großraumes wirkt dominierend und prägt die Entwicklung auf regionaler Ebene, die ihrerseits diesen Tendenzen kaum entgegensteuern kann. Dementsprechend integriert sich die bisherige und wohl auch künftige Orientierung des Lahn-Dill-Berglandes in den allgemeinen Entwicklungsverlauf auf Landesebene.

3.1.2.1 Natürliche Bevölkerungsentwicklung

Zur Analyse der Einflußfaktoren wird die Bevölkerungsdynamik häufig nach folgenden Komponenten gegliedert:
Somit ist es möglich, die relativen Anteile der Einzelfaktoren an der Gesamtentwicklung darzustellen. BOUSTEDT (1975) BOUSTEDT,O.,GrundrißderempirischenRegionalforschung,TeilIIBevölkerungsstrukturen.HermannSchroedelVerlagKG,Hannover1975."gliedert die Grundfaktoren der Bevölkerungsentwicklung folgendermaßen:

a) die biologische Struktur der Bevölkerung und ihre natürlichen Reproduktionskräfte,

b) die Wirtschaftskraft der Region (Tragfähigkeit),

c) infrastrukturelle und sonstige sog. "Attraktivkräfte".

Wobei die beiden letztgenannten Faktoren determinierend auf die "Art, den Umfang und die Richtung der Mobilität (Wanderung)" wirken. Die resultierende Wanderungsdynamik gilt als ausschlaggebende Komponente der regionalen Bevölkerungsentwicklung (BOUSTEDT, 1975). Diese Annahme trifft auch für die betrachteten Gebiete einschließlich des Lahn-Dill-Berglandes zu. So haben gerade in den letzten Jahren die biologischen Reproduktivkräfte immer mehr an Bedeutung verloren (nicht nur die Geburtenziffer ist rückläufig, sondern auch die absoluten Geburtenzahlen trotz steigender Bevölkerung).

Bei Betrachtung der Altersstruktur in Hessen und im Lahn-Dill-Bergland fällt allgemein der dominierende Einfluß der Altersgruppe der 20 - 40-jährigen auf. Insbesondere in Hessen ist der Anteil junger Menschen unter 20 an der Gesamtbevölkerung relativ gering. Auch im Lahn-Dill-Bergland ist diese Tendenz erkennbar, allerdings in deutlich abgeschwächter Form. Daraus lassen sich Hinweise auf den allgemeinen Alterungsprozeß unserer Gesellschaft ableiten. Die vergleichsweise günstige Situation im Lahn-Dill-Bergland bestätigt auch die mittelfristige Prognose der BfLR von 1985 - 2005, laut derer sich die abnehmende Zahl junger Menschen in den ländlichen Regionen "durchweg später und weniger intensiv" vollzieht.

Abbildung 5: Alterspyramide von Hessen 1995

Abbildung 6: Alterspyramide des Lahn-Dill-Berglandes 1995

Eine kontinuierliche Darstellung der Entwicklung der Altersstufen im Lahn-Dill-Bergland wird in Abbildung 7 und Abbildung 8 gegeben. Zur Modellierung siehe HUMMELSHEIM 1997. Insgesamt kann man gut erkennen, wie die Gipfel der Verteilungen im Zeitablauf kontinuierlich in Richtung höhere Altersstufen driften. Nach einem Vergleich der Entwicklung innerhalb des Lahn-Dill-Berglandes mit den umliegenden Gemeinden der Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und Lahn-Dill bestehen die größten Unterschiede bei den 15- und ca. 25-30-jährigen Personen. Die 15-jährigen sind im Lahn-Dill-Bergland deutlich stärker vertreten als in den umliegenden Gemeinden. Für die 25-30-jährigen gilt das Gegenteil, was vermutlich durch den Einfluß der Universitäten in Marburg und Gießen bedingt ist. Die Veränderung der Dichten im Zeitablauf zeigt, daß für die jüngeren Altersgruppen, bei denen die Bevölkerungsänderung weitgehend unabhängig von der Mortalität ist, die Wanderungsbewegung einen wichtigen Beitrag zur Bevölkerungsstruktur liefert.

Abbildung 7: Kontinuierliche Betrachtung der männlichen Bevölkerung im Lahn-Dill-Bergland (Quelle: Hummelsheim 1997)

Abbildung 8: Kontinuierliche Betrachtung der weiblichen Bevölkerung im Lahn-Dill-Bergland (Quelle: Hummelsheim 1997)

Die Abbildung 9, Abbildung 10 und Abbildung 11 zeigen die relative Bedeutung der natürlichen Bevölkerungsentwicklung und der Wanderungsbewegung für die Entwicklung der Bevölkerung. In allen dargestellten Zeiträumen war der Wanderungssaldo in allen Gebieten stets positiv. 1987 waren die Wanderungsgewinne jedoch so gering, daß sie durch die Sterberate überkompensiert wurden, nur im Lahn-Dill-Kreis gab es eine insgesamt positive Entwicklung.

Abbildung 9: Bedeutungsvergleich von natürlichem Saldo und Wanderungssaldo 1987

Seit der Deutschen Einheit hat die natürliche Bevölkerungsbewegung gegenüber der Wanderungsbewegung in den betrachteten Gebieten einen sehr geringen Einfluß auf die aggregierte Bevölkerungsbilanz.

Abbildung 10: Bedeutungsvergleich von natürlichem Saldo und Wanderungssaldo 1992

Abbildung 11: Bedeutungsvergleich von natürlichem Saldo und Wanderungssaldo 1995

Auch bezüglich der künftigen Entwicklung der Bevölkerung sind gewisse Parallelen zur Landesebene zu erwarten. So deuten die Prognosedaten im "Regionalen Raumordnungsplan Mittelhessen (1995)" darauf hin, daß bis zum Jahre 2000 weitere Wanderungsgewinne in Mittelhessen die abnehmenden Geburtenzahlen überkompensieren und zu einem weiteren Anstieg der Bevölkerung führen. Auch im Lahn-Dill-Bergland ist in Zukunft mit einer weiteren Zunahme der Einwohnerzahlen zu rechnen (HMWVL, 1995).

3.1.2.2 Wanderungsbewegung

Im Jahre 1990 wurde in Hessen ein außerordentlich hoher Wanderungsgewinn von 105000 Personen registriert. In den folgenden Jahren ging der Bevölkerungszuwachs insgesamt deutlich zurück. Während sich der Zustrom an Deutschen schon nach 1990 stark verminderte, blieben die Nettozuwanderungen von Ausländern bis 1992 steigend. Erst in den Jahren 1993 und 1994 kam es auch bei dieser Bevölkerungsgruppe zu einem gravierenden Einschnitt, so daß in diesen Jahren die gesamten Zuwachsraten weiter zurückgingen. Der Tiefstand der Entwicklung wurde 1994 mit einem Wanderungsgewinn von nur 16200 Personen registriert. Schon im darauffolgenden Jahr stieg die Nettozuwanderung in Hessen auf 32708 Personen an. Seit 1991 werden auf Landesebene die Zuwachsraten z.T. erheblich von Ausländern dominiert.

Die Zuwanderungen aus Osteuropa und die Fortzüge aus den neuen Bundesländern sowie der Zustrom an Asylbewerbern werden auch in den nächsten Jahren die Bevölkerungsentwicklung in Hessen entscheidend beeinflussen. Auch weiterhin ist mit hohen Wanderungsgewinnen zu rechnen - allerdings mit sich weiter abschwächender Ausprägung: die Zuwanderungen deutscher Staatsangehöriger gehen voraussichtlich weiter zurück. Bezüglich der ausländischen Bevölkerung wird sich, nach den Angaben im "Regionalen Raumordnungsplan Mittelhessen 1995", der jährliche Wanderungsgewinn stabilisieren und bei einem Wert von 20000 Personen einpendeln.

Abbildung 12: Gesamtwanderungssaldo im Zeitablauf

Die für Hessen beschriebenen Entwicklungsetappen lassen sich auch für die betrachteten Teilräume einschließlich des Lahn-Dill-Berglandes abgrenzen. Das Lahn-Dill-Bergland unterscheidet sich jedoch dahingehend, daß die Bevölkerungszahl in der ersten Entwicklungsphase weitgehend konstant blieb. Im Regierungsbezirk Gießen sowie in den Landkreisen Gießen, Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf ist nach einem mehr oder weniger ausgeprägten Bevölkerungsanstieg (v.a. im Landkreis Marburg-Biedenkopf) eine tendenzielle Abnahme der Einwohnerzahl (ähnlich wie in Hessen) erkennbar. Die vergleichsweise günstige Entwicklung im Lahn-Dill-Bergland ist vermutlich vorwiegend auf den ländlichen Charakter der Region zurückzuführen. So ging aus Untersuchungen der BfLR zur allgemeinen Bevölkerungsentwicklung, die vor der Grenzöffnung und den Veränderungen in Osteuropa angelegt waren, folgendes hervor: die Bevölkerungsabnahme in der BRD, die vor allem auf die niedrige Fruchtbarkeit zurückzuführen ist, konzentriert sich im wesentlichen auf die Kernstädte. Die ländlichen Raumkategorien konnten aufgrund der damaligen Analysen mittelfristig mit einer "stabilen bis leicht steigenden Bevölkerungszahl" rechnen. Auch im Hinblick auf die negativen altersstrukturellen Veränderungen schnitten ländliche Räume vergleichsweise günstig ab (BUCHER, 1989BUCHER,H.,KonsequenzenderkünftigenBevölkerungsentwicklungfürdenländlichenRaum.InBÖLTING,H.M.(Hrsg.),DerländlicheRaumEntwicklungen,Konzepte,Instrumente,1989").

Die in einigen peripheren Regionen eingetretenen, abwanderungsbedingten Entleerungstendenzen mit ihren negativen Auswirkungen auf den altersstrukturellen Bevölkerungsaufbau trafen für das Projektgebiet nicht zu. So wurde in dem Zeitraum von 1980 bis 1987 nur in den Jahren 1981 und 1985 ein negativer Wanderungssaldo registriert. Ein deutlich anderes Bild ergibt sich bei dem Wanderungsverhalten von Erwerbstätigen. In dem genannten Zeitraum von 8 Jahren war nur in einem Jahr - 1986 - der Wanderungssaldo positiv (vgl. Abbildung 14). In den übrigen Jahren wurden die Zuzüge an Erwerbstätigen deutlich von den Fortzügen überschritten. Eine ähnliche Situation liegt dem gesamten Regierungsbezirk Gießen zugrunde. Auch hier fand eine Abwanderung von Erwerbstätigen statt. Die Landkreise Gießen und Marburg-Biedenkopf waren von dieser Entwicklung besonders stark betroffen.

Um diesen Sachverhalt näher zu durchleuchten, sollen die für die Wanderungsbewegung verantwortlichen Grundfaktoren betrachtet werden:

Abbildung 13: Entwicklung der regionalen Arbeitslosenquoten im Zeitablauf

Die Arbeitsmarktsituation der Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und Lahn-Dill, die die Verhältnisse im Projektgebiet widerspiegeln, ist in den letzten Jahren durch einen ungünstigen Verlauf gekennzeichnet (vgl. Abbildung 13). Die Entwicklung der Arbeitslosenquoten entspricht weitgehend der Tendenz auf Bundes- und Landesebene. In den einzelnen Landkreisen sind zum Teil erhebliche Unterschiede bezüglich des Quotenniveaus vorhanden. Allen gemeinsam ist ihre vergleichsweise günstige Situation gegenüber dem Bundesdurchschnitt und v.a. gegenüber den neuen Bundesländern.

Gerade in den letzten Jahren dürfte das Wanderungsgeschehen aufgrund seiner quantitativen Ausprägung den demographischen Aufbau der betrachteten Gebiete entscheidend mitgeprägt haben. Aus früheren regionalplanerischen Beobachtungen ging hervor, daß das Maximum der Mobilität bei jungen Menschen liegt, die sich in der Ausbildung oder dem Beginn der Berufslaufbahn befinden und sich auf das berufliche Fortkommen konzentrieren. Demnach ist zu erwarten, daß der Anteil an Erwerbstätigen an den Wanderern überproportional hoch ist. Empirische Untersuchungen aus den 70er Jahren konnten für die Gesamtwanderung eine Dominanz der Jahrgänge vom 20. bis 36. Lebensjahr nachweisen (BOUSTEDT, 1975). Man kann davon ausgehen, daß diese Tendenzen auch heute bestehen bzw. sich aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation eher noch verstärkt haben. Unter dieser Annahme und den ausgeprägten Wanderungsgewinnen der letzten Jahre läßt sich für Hessen der hohe Anteil an Personen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr dem Wanderungsgeschehen zuordnen. Gleiches gilt für das Lahn-Dill-Bergland.

Betrachtet man das Wanderungsverhalten der Erwerbstätigen, so lassen sich auf Kreisebene deutliche Unterschiede erkennen. Seit 1988 lassen sich besonders im Lahn-Dill-Kreis aber auch im Lahn-Dill-Bergland hohe Wanderungsgewinne verzeichnen, die ähnlich wie auf Landesebene 1990 ihren Höhepunkt erreichten und in den folgenden Jahren tendenziell zurückgingen. In den Landkreisen Gießen und Marburg-Biedenkopf stellt sich die Entwicklung deutlich ungünstiger dar. In Marburg-Biedenkopf bleibt der Erwerbstätigensaldo selbst in der zweiten Entwicklungsetappe stets im Soll.

Abbildung 14: Erwerbstätigenwanderung im Zeitablauf

Neben der Arbeitsmarktsituation wird das Wanderungsgeschehen im Projektgebiet auch von anderen Attraktivkräften positiv beeinflußt. Die Ausstattung der Region mit zwei Mittelzentren (Biedenkopf und Gladenbach) sowie die günstige Lage zu den Oberzentren Marburg und Gießen garantieren eine günstige infrastrukturelle Versorgung in materieller, soziokultureller und administrativer Hinsicht. Die Agglomeration der Hochschulstandorte Marburg und Gießen läßt die Region insbesondere für junge Menschen attraktiv erscheinen und fördert außerdem die wirtschaftlichen Aktivitäten auch in den umliegenden Regionen. Einhergehend mit der günstigen infrastrukturellen Lage des Gesamtraumes integriert sich das Projektgebiet ausgesprochen gut in das System von Verbindungsachsen.

Weiterer Attraktivitätskriterien für das Projektgebiet ergeben sich aus dessen Raumstruktur. Bei einer solch kleinräumigen Betrachtung dominieren meist "wohnungsorientierte Wanderungsmotive" sowie z.T. "subjektive Veränderungswünsche". Diese führen oft zu Umzügen mit räumlich begrenztem Umfang. Sie sind demnach v.a. dem Bereich der Nahwanderungen zuzuordnen und äußern sich hauptsächlich in einer Umverteilung innerhalb eines bestimmten Gebietes. Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, spielen diese kleinräumigen Faktoren gegenüber den allgemeinen Entwicklungstendenzen der übergeordneten Ebenen (Planungsregion) eine relativ geringe Rolle. Dennoch sollen an dieser Stelle einige Anmerkungen zu diesem Themenkomplex gemacht werden.

Hinsichtlich der Attraktivität des Gebietes mit Wirkung auf die Richtung und den Umfang der kleinräumigen Wanderungsbewegung sind mit dem Terminus "ländlich" sowohl Positiv- als auch Negativfaktoren verbunden. Zu den erst genannten lassen sich beispielsweise das Landschaftsbild, die Umweltqualität sowie das soziale Beziehungsgefüge nennen. "Wohnen im Grünen" sei hier als modernes Schlagwort genannt. Im Gegensatz dazu wird im "Regionalen Raumordnungsplan Mittelhessen" explizit auf die Problemlagen in ländlichen Räumen hingewiesen. Welche Faktoren bezüglich der Bevölkerungsentwicklung dominieren, läßt sich aus dem vorhandenen Datenmaterial nur schwer abschätzen. In dem betrachteten Zeitraum von 1988 - 1995 fällt auf, daß die Zuwachsraten im Projektgebiet in allen Jahren unter denen des Regierungsbezirkes liegen (vgl. Abb. 2). Daraus könnte man ableiten, daß die Attraktivität des Lahn-Dill-Berglandes auf Grund des ländlichen Charakters und den damit verbundenen Problemlagen unterdurchschnittlich ausgeprägt sein dürfte. Der tendenzielle Entwicklungsverlauf im Projektgebiet integriert sich allerdings in das Gefüge großräumig wirkender Faktoren, von denen die Arbeitsmarktsituation die ausschlaggebende Komponente ist.

Der Bevölkerungsanstieg in Hessen sowie in den betrachteten Teilräumen einschließlich des Projektgebietes erfordert eine Steuerung nach regionalplanerischen Kriterien: gemäß dem regionalen Raumordnungsplan für Mittelhessen soll die Konzentration der Bevölkerungsentwicklung dort stattfinden, wo "Arbeitsplätze, soziale und kulturelle Infrastruktur vorgehalten werden und leistungsfähige Angebote des öffentlichen Personenverkehrs bestehen". Diese Voraussetzungen erfüllen im wesentlichen Orte mit zentralörtlicher Funktion sowie Siedlungen an den Verbindungsachsen. An diesen Orten müssen zur Aufnahme des Bevölkerungsanstiegs ausreichende Siedlungsflächen bereitgestellt werden. Auf diesen Sachverhalt wird bei der Betrachtung der einzelnen Gemeinden innerhalb des Projektgebietes in Kapitel 4.1 näher eingegangen.

3.2 Flächennutzung

Grundlegender Bestandteil regionalplanerischer Überlegungen sind Kenntnisse über die Struktur und die Entwicklungsdynamik der verschiedenen Flächennutzungsarten. Anhand ihrer Verteilung lassen sich räumliche, siedlungsstrukturelle und z.T. auch sektorale Schwerpunktbereiche eines Gebietes identifizieren. Die damit verbundenen Potentiale und Problemlagen müssen bei allen raumwirksamen Entscheidungen berücksichtigt werden. Insbesondere die zeitlichen Veränderungen der Flächenanteile bezüglich ihrer Nutzungsstruktur zeigen oft veränderte politische und ökonomische Rahmenbedingungen an, die sich unterschiedlich stark auf die verschieden strukturierten Gebiete auswirken. Andererseits leiten sich daraus politische Notwendigkeiten ab, um den negativen Auswirkungen entgegenzusteuern und den veränderten Situationen kontrolliert begegnen zu können. Im folgenden Kapitel soll die Flächennutzung im Projektgebiet im überregionalen Vergleich dargestellt werden.

Das Lahn-Dill-Bergland hat eine Gesamtfläche von 68193 ha. Davon waren im Jahr 1993 34426 ha (50,48%) Waldfläche und 24098 ha (35,34%) landwirtschaftliche Nutzfläche (LF). Der Siedlungs- und Verkehrsflächenanteil lag mit 8720 ha bei 12,79%. Der Rest entfiel auf Gewässer und sonstige Flächen. Stellt man diese Verteilung derjenigen auf Landesebene und Regierungsbezirksebene gegenüber, so fällt der hohe Waldanteil im Lahn-Dill-Bergland auf. Während er dort mit über 50% die Flächennutzung dominiert, rangiert er auf Landesebene, im Regierungsbezirk Gießen sowie in den Landkreisen Gießen und Marburg-Biedenkopf auf Rang 2. Statt dessen kommt in diesen Gebieten der landwirtschaftlichen Nutzfläche die größte Bedeutung zu. Im Lahn-Dill-Bergland ist sie dagegen mit einem Anteil von 35,34% der Gesamtfläche relativ gering.

Abbildung 15: Anteile verschiedener Flächennutzungen 1993

Der geringe Anteil landwirtschaftlicher Nutzfläche im Lahn-Dill-Bergland ist vor allem auf das frühzeitige Einsetzen bergbaulicher Industriealisierungsprozesse zurückzuführen. Das Vorkommen von Eisenerz und die damit verbundene Industrie haben das Gebiet in wirtschaftlicher Hinsicht geprägt und die landwirtschaftliche Bodennutzung zu Gunsten einer Ausdehnung von Waldfläche zurückgedrängt.

Außerdem wirken die vergleichsweise ungünstigen Standortverhältnisse keineswegs förderlich auf den Bewirtschaftungsumfang. Die zum Teil steilen Hänge des bergigen Gebietes lassen sich meist schwer bearbeiten. Die häufig vorkommenden leichten Lehm- bis sandigen Lehmböden weisen - unterstützt durch die oft erosionsbedingte Flachgründigkeit - eine geringe nutzbare Feldkapazität auf. Diese äußert sich in einem geringen Ertragspotential.

Auch das Klima mindert gerade in den Gebirgslagen die Ertragsfähigkeit der Standorte. Mit zunehmender Höhenlage sinkt die Jahrestemperatur auf unter 7°C ab und die Niederschläge steigen bis auf 1000 mm an. Die Vegetationsperiode in den mittleren Höhenlagen ist mit 210 - 200 Tagen 20 bis 30 Tage kürzer als im Lahntal.

Um die Veränderungen der Flächennutzungskategorien genauer zu durchleuchten, sind in Tabelle 3 die relativen Veränderungsraten im Vergleich zum Basisjahr 1979 aufgeführt. Es fällt auf, daß im Zeitraum von 1979 bis 1993 der landwirtschaftliche Nutzflächenanteil stärker zurückgegangen ist als in den betrachteten Vergleichsgebieten. Ferner ist der Waldanteil verhältnismäßig stark angestiegen. Aufgrund des Zahlenmaterials ist davon auszugehen, daß die landwirtschaftliche Nutzfläche sich offenbar zugunsten der Wald- sowie Siedlungs- und Verkehrsflächen vermindert hat. Die starke Zunahme der Waldfläche im Projektgebiet ist demnach auf die Aufforstung ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen zurückzuführen. Aufgrund des ohnehin hohen Waldanteils in der Region wäre in ästhetischer und ökologischer Hinsicht die Offenhaltung der restlichen Freiflächen durch eine nachhaltige Landbewirtschaftung wünschenswert. Dennoch werden sich die bisherigen Entwicklungstendenzen auch in Zukunft weiter fortsetzten, da der Rückzug der Landwirtschaft gerade im Lahn-Dill-Bergland besonders gravierend in Erscheinung tritt. Wie aus der Abnahme des landwirtschaftlichen Flächenanteils in Tabelle 3 hervorgeht, ist der Strukturwandel im Projektgebiet offenbar stärker ausgeprägt als auf der Ebene des Landes Hessen und des Regierungsbezirkes Gießen sowie der betrachteten Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und Lahn-Dill (siehe hierzu Kapitel 3.3).
 
Gebiet
LF-Anteil 
Waldanteil 
Siedlungs- 
flächenanteil 
(Zuwachsraten von 1979 - 1993 in %) 
Land Hessen
-6.33 
0.93 
20.27 
Regierungsbezirk Gießen 
-6.12 
1.30 
21.82 
LK Gießen
-6.40 
0.58 
21.74 
LK Lahn-Dill
-8.07 
0.99 
19.55 
LK Marburg-Biedenkopf 
-6.05 
1.76 
20.70 
Lahn-Dill-Bergland 
-10.83 
3.41 
24.87 
Tabelle 3: Veränderungsraten ausgewählter Flächennutzungen von 1979 - 1993

Der Rückgang der Landwirtschaft betrifft insbesondere sogenannte periphere Regionen, zu denen auch das Lahn-Dill-Bergland zählt. Die dort vorherrschenden natürlichen Bedingungen sind für eine landwirtschaftliche Nutzung relativ ungünstig und gewährleisten nicht mehr die Ertragspotentiale, die unter den heutigen Wettbewerbsbedingungen erforderlich sind. Daher scheiden immer mehr Betriebe aus der Produktion aus. Dieser Prozeß wird durch vergleichsweise gute Beschäftigungsalternativen im außerlandwirtschaftlichen Bereich unterstützt. In der Vergangenheit waren diese durch den Erzabbau gegeben. Auch heute ist die Situation der Arbeitsmarktregion, zu der das Projektgebiet gehört, im Vergleich zum Gesamtbundesgebiet und insbesondere den neuen Ländern deutlich günstiger (vgl. Kapitel 3.1).

Aus Tabelle 3 geht hervor, daß der Abnahme an landwirtschaftlicher Nutzfläche eine starke Zunahme an Siedlungs- und Verkehrsflächen gegenübersteht. Letztere werden von der steigenden Bevölkerungszahl und der Wirtschaftskraft verursacht. Der Siedlungsflächenanteil im Projektgebiet liegt trotz des vergleichsweise hohen Anstieges der letzten Jahre immer noch mit 12,8% unter dem Durchschnitt der Landesebene und der Regierungsbezirksebene. Dieser Sachverhalt läßt sich auf die vergleichsweise geringe Bevölkerungsdichte im Projektgebiet zurückführen (vgl. Kapitel 3.1). Der Flächenverbrauch pro Kopf ist allerdings im Projektgebiet außerordentlich hoch. Nicht nur im Bereich der Siedlungsfläche insgesamt, sondern auch hinsichtlich der Wohnfläche nimmt das Lahn-Dill-Bergland eine Spitzenstellung gegenüber den übergeordneten Raumeinheiten ein (siehe Tabelle 4). Aber auch die Pro-Kopf-Werte des Regierungsbezirks Gießen sowie die der Landkreise Gießen, Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf liegen deutlich über dem jeweiligen Landesdurchschnitt.
 
Gebiet Nutzungsart  (Angaben in m2/Einwohner) 
Gesamt 
Siedlung 
Wohnen 
Erholung 
LF + Wald 
RP Gießen 5161,6 690,4  147,5 26,6  4374,7
Land Hessen 3538,4 503,1  119,0 26,1  2957,9
LK Gießen 3444,6 567,9  138,0 24,5  2803,3
Lahn-Dill-Kreis 4102,7 629,2  155,8 22,5  3393,2
LK Marburg-Biedenkopf  5065,7 645,6  129,5 26,4  4339,5
Lahn-Dill-Bergland  6097,3 779,7 158,3  30,5 5232,8
Tabelle 4: Anteile ausgewählter Flächennutzungsarten bezogen auf die Einwohnerzahl im Jahre 1993

Die hohe Flächenverfügbarkeit stellt aus regionalökonomischer Sicht einen komparativen Standortvorteil dar. Ökologisch ist diese Entwicklung im Projektgebiet jedoch durchaus kritisch zu sehen. Auch wenn aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte ein größeres Flächenangebot pro Person zur Verfügung steht, sollte insgesamt ein sparsamer Flächenverbrauch im Siedlungsbereich angestrebt werden.

Auf der anderen Seite äußert sich der hohe Flächenanteil pro Kopf im Lahn-Dill-Bergland auch in einem vergleichsweise hohen Erholungsflächenanteil pro Person von 30,5 m². Auch der kumulierte Anteil an Wald und landwirtschaftlicher Nutzfläche ist im Projektgebiet bezogen auf die Einwohnerzahl im Vergleich deutlich am höchsten. Gerade bei diesen Nutzungsarten ist außerdem (in Abhängigkeit der Nutzungsintensität) von einer Mehrfachnutzung für Erholungszwecke auszugehen. Diese Nutzung findet jedoch nicht allein durch die Wohnbevölkerung statt. Vielmehr ist zu bedenken, daß ländliche Gebiete, die sich im Umfeld größerer Städte befinden, insbesondere der Stadtbevölkerung als Erholungsraum dienen. Gerade hierin könnten Ansatzpunkte zur Mobilisierung endogener Potentiale für eine umweltgerechte Regionalentwicklung liegen. Demnach sollten die einzelnen Flächennutzungen so aufeinander abgestimmt sein, daß ein möglichst hoher Erholungswert des Landschaftsraumes erreicht wird. Von einer weiteren Aufforstung landwirtschaftlicher Nutzflächen ist schon aus diesem Grunde abzuraten.

Eine wichtige Größe in diesem Zusammenhang stellen auch die Flächenanteile ausgewiesener Schutzgebiete dar. Die Ausweisung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten stellt ein wesentliches raumbedeutsames Instrument des Naturschutzrechts dar, und bedeutet zunächst einmal wirtschaftliche Sanktionen durch Einschränkung der Handlungsfreiheit für eine Gemeinde. Der Grad der Einschränkung ist bei Naturschutzgebieten in der Regel weitaus stärker als bei Landschaftsschutzgebieten. Landschaftsschutzgebiete sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§15) rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder der Nutzungsfähigkeit der Naturgüter erforderlich ist. Alle Handlungen, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen sind verboten. Hiervon kann auch Land- und Forstwirtschaft betroffen sein. Gegenüber den Naturschutzgebieten handelt es sich hierbei meist um großflächige Gebiete mit weniger starken Einschränkungen für andere Nutzungen. Die natürliche Erholungseignung solcher Gebiete ist besonders hoch.

In Naturschutzgebieten sind alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können.

Abbildung 16: Regionale Landschaftsschutzgebietsanteile, Quelle: Eigene Auswertung der Regionalpläne Nordhessen (1988), Mittelhessen (1995), Südhessen (1995) und des Schutzgebietsverzeichnisses NATURREG des HMILFN (Stand 30.9.94): ausgewiesen und sichergestellt

Abbildung 17: Regionale Naturschutzgebietsanteile, Quelle: vgl. Abbildung 16

Während das Lahn-Dill-Bergland bei den Flächenanteilen der Landschaftsschutzgebiete die Spitzenposition der Vergleichsgebiete einnimmt, so liegt es bei den Naturschutzgebieten auf dem letzten Platz.

Ein großer Teil der ausgewiesenen NSG ist bereits heute durch direkte Einwirkungen, Stoffeinträge oder sonstige Störungen beeinträchtigt. Darüber hinaus ist für viele Naturschutzgebiete eine Pflege bzw. eine im Sinne des Schutzzieles angepaßte landwirtschaftliche Nutzung zur Erhaltung der schützenswerten Gegebenheiten erforderlich. Angesichts knapper Haushaltsressourcen stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit der Schutzperspektiven, wenn Pflegemaßnahmen oder Ausgleichszahlungen für Nutzungseinschränkungen aus öffentlichen Haushalten zu finanzieren sind (vgl. auch ROGM 1997)

3.3 Landwirtschaft

Grundlage der agrarstrukturellen Regionalanalyse sind Auszüge aus der HEPAS-Fachdatei des Hessischen Statistischen Landesamtes, die uns für die Bereiche Bodennutzungshaupterhebung (1987, 1991 und 1995), Flächenerhebung (1979 bis 1993; zweijährig), Viehzählung (1980 bis 1994; zweijährig) und Betriebsgrößenanalyse (1987, 1991 und 1995) zur Verfügung gestellt wurden. Ergänzt wurden die Daten um Auszüge aus der Hessischen Gemeindestatistik der Jahre 1979 bis 1995. Die Daten beruhen somit auf Betriebsdaten, nicht auf Daten des Liegenschaftskatasters, d.h. es werden die in den jeweiligen Gebieten ansässigen Betriebe erfaßt, wobei die Flächennutzungen nicht notwendigerweise vollständig in dem Gebiet stattfinden, für das sie angegeben werden.

3.3.1 Landwirtschaftliche Nutzfläche

Wie bereits im vorhergehenden Kapitel dargestellt, geht die landwirtschaftliche Nutzfläche in allen betrachteten Teilräumen zurück bei gleichzeitigem Anstieg der Waldanteile.

Abbildung 18: Regionale Anteile der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Zeitablauf

Wie Abbildung 18 zeigt liegt das Niveau des Anteils landwirtschaftlich genutzter Fläche im Lahn-Dill-Kreis und im Lahn-Dill-Bergland dabei stets deutlich unter dem der übrigen Regionen.

Abbildung 19: Regionale Waldanteile im Zeitablauf

Betrachtet man diese Entwicklungen etwas genauer, ergibt sich für das Lahn-Dill-Bergland eine interessante Besonderheit. Ein Vergleich der mittleren Nutzungsanteile [%] des Lahn-Dill-Berglandes mit denen der übrigen Teilräume ergab einen signifikanten Unterschied der Entwicklung der Flächennutzung.
 
Jahr Gebäude- und Freifläche  Erholungsfläche Landwirtschaftsfläche  Waldfläche
Vergleich zu Hessen
1979
1.9313 
0.1741
7.7198 
-10.3800
1981
2.0295 
0.1765
8.2511 
-10.8221
1985
2.0788 
0.2283
8.8366 
-11.6942
1989
2.0850 
0.1937
9.2739 
-11.8943
1993
2.2012 
0.2349
9.1894 
-12.0334
Vergleich zum Landkreis Gießen 
1979
2.4938 
0.3619
10.0851 
-14.9107
1981
2.4837 
0.3368
10.8949 
-15.3519
1985
3.1242 
0.3301
10.9775 
-16.2911
1989
3.4557 
0.2827
11.1468 
-16.6705
1993
3.5619 
0.2960
11.1124 
-16.8034
Vergleich zum Lahn-Dill-Kreis
1979
2.4938 
0.3619
10.0851 
-14.9107
1981
2.4837 
0.3368
10.8949 
-15.3519
1985
3.1242 
0.3301
10.9775 
-16.2911
1989
3.4557 
0.2827
11.1468 
-16.6705
1993
3.5619 
0.2960
11.1124 
-16.8034
Tabelle 5: Vergleiche der mittleren Flächenanteile der Untersuchungsregionen mit dem Lahn-Dill-Bergland. Quelle: Eigene Berechnung nach Daten des HSL (ausgewiesen sind die Differenzen der mittleren Nutzungsanteile in Prozent, falls sie zu mindestens 10% signifikant sind.)

Die Daten aus Tabelle 5 bedeuten eine immer stärkere Abnahme der Landwirtschaftsfläche und eine stärkere Zunahme der Waldfläche im Lahn-Dill-Bergland gegenüber den übrigen Teilräumen. Die Unterschiede der Flächennutzungsanteile werden also immer größer. Dabei gilt es zu beachten, daß das Lahn-Dill-Bergland bereits jetzt eine Extremstellung der Nutzungen LF und Wald einnimmt.

Im Antrag zum SFB wurde an verschiedenen Stellen auf die zentrale Bedeutung der Entwicklung des Brachflächenanteils in der Region hingewiesen. Dort hieß es: Bei der Untersuchung nehmen die Brachflächen als Mittler zwischen landwirtschaftlichen Nutzflächen und Forstgebieten eine zentrale Stellung ein. Der Anteil nicht mehr landwirtschaftlich genutzter Flächen, der sogenannten Brachflächen, ist in keiner Region Deutschlands so groß wie im Lahn-Dill-Bergland. Im Mittel der Region beträgt der Anteil ca. 30 %, in einigen Gebieten (Raum Dillenburg) macht er bis zu 80 % der LN aus.

Längerfristig kann die Ausdehnung der Brachflächen unerwünschte Veränderungen der Landschaftsfunktionen in vielen Bereichen nach sich ziehen: unter anderem Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, Verschlechterung der Filter- und Pufferfunktionen der Böden, fehlende Aufnahmeflächen für organische Siedlungsabfälle, Verminderung der Grundwasserneubildung und Rückgang des Fremdenverkehrs.

Dieser Prozeß der vollständigen Aufgabe der landwirtschaftlichen Flächennutzung läuft in peripheren Regionen in jüngster Zeit beschleunigt ab.

Die im SFB-Antrag formulierten Aussagen zur Entwicklung und zum Umfang des Brachflächenanteils sollen hier noch einmal kritisch hinterfragt werden. Die Angaben zum Brachflächenanteil an der LN stützen sich auf einen Vergleich der Daten der Bodennutzungshaupterhebung mit Daten der Katasterfläche. Wie in diesem Kapitel bereits einleitend erwähnt wurde, handelt es sich bei den Daten der Bodennutzungshaupterhebung jedoch um Betriebsdaten, die keineswegs deckungsgleich mit den Katasterdaten sein müssen. Aus der Differenz dieser beiden Datenbestände kann also nicht auf den Brachflächenanteil einer Gemeinde geschlossen werden, wenngleich diese beiden Größen stark miteinander korreliert sind. (Vgl. auch Seite 7)

Für die beiden folgenden Darstellungen wurden die Daten der Bodennutzungshaupterhebung aus den Jahren 1991 und 1995 herangezogen. Der Nachweis der Flächen erfolgt nach dem Betriebsprinzip, das heißt für die Gemeinden, in der sich der Betriebssitz des Bewirtschafters befindet. Nachgewiesen sind die Flächen aller Betriebe mit einer land- oder forstwirtschaftlich genutzten Fläche von jeweils mindestens 1 ha. Außerdem gehören zum Darstellungsbereich Betriebe mit einer landwirtschaftlich genutzten Fläche unter 1 ha, einschließlich der Betriebe ohne landwirtschaftlich genutzte Fläche, deren jährliche Markterzeugung einen Wert von mindestens 4000 DM entspricht.

Die Kategorie Ackerbrache umfaßt in dieser Datensammlung seit 1991 auch die stillgelegten Flächen mit Beihilferegelung. Ein genauerer Datenbestand auf Katasterebene lag zur Auswertung nicht vor.

Abbildung 20: Anteil Ackerbrache an der Gesamtackerfläche 1995 in %. (Daten der Bodennutzungshaupterhebung 1995, Betriebsdaten.)

Das vorliegende Datenmaterial weist für das Untersuchungsgebiet den höchsten Ackerbracheanteil mit 17% für den Landkreis Gießen aus, gefolgt vom Lahn-Dill-Kreis mit 16,3% und dem Lahn-Dill-Bergland mit 13,2%.

Bei der Darstellung der Entwicklung, die zu dieser Situation geführt hat, zeigen sich deutliche Unterschiede. In der jüngeren Vergangenheit sind die Zunahmen an Brachflächen im Lahn-Dill-Kreis mit 170% besonders drastisch, wogegen das Lahn-Dill-Bergland lediglich einen Zuwachs von rund 60% aufweist. Diese Entwicklung weist jedoch auf Gemeindeebene erhebliche Schwankungen auf. Hierauf wird noch einmal in Kapitel 4.3.2 eingegangen.

Abbildung 21: Rel. Zuwachs der Brachflächen und des Bracheanteils an der Ackerfläche von 1991 - 1995 in %. (Daten der Bodennutzungshaupterhebung 1991 und 1995, Betriebsdaten.)

Doch wenden wir uns nun wieder den landwirtschaftlich genutzten Flächen zu. Betrachtet man nur die landwirtschaftliche Nutzfläche, so läßt sich diese zunächst grob in Ackerfläche und Grünland einteilen. Hier fällt ein recht hoher Anteil Dauergrünland im Lahn-Dill-Kreis und im Lahn-Dill-Bergland auf, der wohl hauptsächlich auf die schlechten Bodenverhältnisse und die erschwerten Arbeitsbedingungen (Hanglagen) zurückzuführen sein dürfte.

Abbildung 22: Anteile der landwirtschaftlichen Flächennutzung 1995

Der hohe Grünlandanteil läßt einen höheren Viehbestand bzw. extensivere Nutzungsformen vermuten.

3.3.2 Viehhaltung

3.3.2.1 Rinderhaltung / Milchviehhaltung

Im Zeitraum von 1980 bis 1996 ist die Rinderhaltung stark rückläufig. Der Rinderbestand sank in diesem Zeitraum im Landkreis Gießen am stärksten um 49%. Im Landesdurchschnitt betrug der Rückgang 32%, im Lahn-Dill-Bergland 36%. Diese Tendenz ließ jedoch in den letzten Jahren deutlich nach. Im Lahn-Dill-Kreis war im Zeitraum von 1992 -1996 sogar ein Zuwachs um 10.7% zu verzeichnen.

Die Anzahl der Rindviehhalter hat in den letzten Jahren relativ einheitlich abgenommen, was zu einer geringen Zunahme der durchschnittlichen Bestandsgrößen führte (Tabelle 6).

Abbildung 23: Entwicklung der Rinderbestände im Zeitraum von 1980 - 1996
 
Gebiet
Entwicklung der Rinderzahlen von 1992 - 1996 (%) 
Entwicklung der Rinderhalter von 1992 - 1996 (%) 
durchschnittl. Viehdichte (Rinder je Halter) 1992 (%) 
durchschnittl. Viehdichte (Rinder je Halter) 1996 (%) 
Land Hessen
-5.5 
-18.6
28.6 
33.2
Regierungsbezirk Gießen
-5.8 
-18.4
28.7 
33.1
Landkreis Gießen
-11.2 
-22.1
25.5 
29.0
Lahn-Dill-Kreis
10.7 
-12.1
19.3 
24.3
Lkr Marburg-Biedenkopf
-10.1 
-18.5
25.8 
28.4
Lahn-Dill-Bergland
-2.6 
-15.5
17.2 
19.8
Tabelle 6: Entwicklung der Rinderhalter und der durchschnittlichen Bestandsgrößen

Die Milchviehhaltung ist ebenfalls rückläufig. Im Landesdurchschnitt ging die Anzahl der Milchkühe von 1980 -1996 um ca. 37% zurück. Im Lahn-Dill-Bergland war der Rückgang im gleichen Zeitraum mit 57% drastisch höher. In allen Regionen ist die Milchkuhhaltung stärker rückläufig als die Rinderhaltung insgesamt. Auch hier zeigt sich der Trend zur Konzentration, d.h. zur Erhöhung der durchschnittlichen Bestandsgröße. Die Flächenintensität der Rinderhaltung ist dabei rückläufig, wie Tabelle 7 zeigt.
 
Gebiet Rindvieh je ha Grünland  Milchkühe je ha Grünland 
1987
1995
1987 
1995
Regierungsbezirk Gießen
3,0 
2,0
1,0 
0,6
Landkreis Gießen
3,3 
1,9
1,0 
0,5
Lahn-Dill-Kreis
1,9 
1,1
0,5 
0,3
Landkr. Marburg-Biedenkopf
3,8 
2,5
1,2 
0,8
Lahn-Dill-Bergland
1,3 
0,3
Tabelle 7: Rindviehhaltung und Grünland 1995

3.3.2.2 Schweinehaltung

Auch bei der Schweinehaltung ist ein deutlicher Rückgang festzustellen. Der Schweinegesamtbestand ging im Zeitraum 1980 - 1996 im Landesdurchschnitt um knapp 36% zurück, in allen betrachteten Teilräumen war der Rückgang stärker. Am gravierendsten war die Entwicklung im Lahn-Dill-Kreis. Bei ohnehin niedrigem Niveau betrug der Rückgang knapp 59%. Im Lahn-Dill-Bergland ging der Bestand um knapp 45% zurück und betrug im Dezember 1996 noch 13107 Tiere.

Bei Betrachtung der letzten Jahre zeigt sich außerdem ein deutlich stärkerer Rückgang der Schweinehalter gegenüber den Tierzahlen (siehe Tabelle 8).
 
Entwicklung der Schweinehaltung im Zeitraum 1992 -1996 (Angaben in %) 
Gebiet
Schweine- Gesamtbestände 
Schweinehalter 
Land Hessen
-13.0 
-23.3 
Regierungsbezirk Gießen 
-11.5 
-24.9 
Landkreis Gießen 
-14.4 
-27.2 
Lahn-Dill-Kreis
-16.6 
-25.2 
Lkr Marburg-Biedenkopf 
-16.3 
-22.9 
Lahn-Dill-Bergland 
-17.4 
-26.9 
Tabelle 8: Entwicklung der Schweinehaltung 1992 - 1996

Es zeigen sich also auch hier deutliche Konzentrationstendenzen. Die Erhebungswerte auf Gemeindeebene weisen zudem erhebliche Schwankungsbreiten auf. Hierauf wird in Kapitel 4.3 näher eingegangen.

Abbildung 24: Entwicklung der Schweinebestände im Zeitraum von 1980 - 1996

Um Aussagen über ökologische Wirkungen der Viehhaltung zu machen, bietet es sich an, die Viehbestände als Dungeinheiten je ha LF zu betrachten. Als eine Dungeinheit wird vielfach auch ein Tierbesatz definiert, der jährlich 80 kg Gesamtstickstoff oder 70 kg Gesamtphosphat absetzt. (Vgl. PACYNA, 1996 PACYNA,H.Agrilexicon,10.Auflage,InformationsgemeinschaftfürMeinungspflegeundAufklärunge.V.,Hannover1996.") Eine Betrachtung dieser Vergleichsgröße ist besonders interessant in Bezug auf die neue Düngeverordnung, nach der nunmehr nur noch 210 kg N / ha Grünland bzw. 170 kg N / ha Ackerland zulässig sind. In Dungeinheiten ausgedrückt 2,65 / ha Grünland bzw. 2,125 / ha Ackerland.

Sinnvolle Aussagen lassen sich aber ohnehin nur mit einzelbetrieblichen Daten treffen, wenn gleichzeitig, über die Düngeverordnung hinausgehend, die pedogenen Verhältnisse der Aufnahmestandorte mit berücksichtigt werden. Allgemein läßt sich jedoch schon einmal sagen, daß in der Untersuchungsregion durch die Viehhaltung allein die nach der Düngeverordnung zulässigen Aufnahmekapazitäten für Stickstoff nicht ausgeschöpft werden. Eine Funktion ländlicher Gebiete als Aufnahmestandort (z.B. für Klärschlamm oder Kompost aus Ballungsräumen) könnte eine Einnahmequelle darstellen, wenn sie beispielsweise durch einen ökologischen kommunalen Finanzausgleich honoriert würde.

Abbildung 25: Dungeinheiten je ha LF

(Für die Berechnung der Dungeinheiten (DE) wurden folgende Annahmen getroffen:

Der Stellenwert der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion in bezug auf den Verbrauch läßt sich grob einschätzen durch die Betrachtung von regionalen Versorgungsbilanzen, wie sie von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung herausgegeben werden. Die (als %- Wert vorausberechnete) theoretische Selbstversorgung weist Mittelhessen als Importregion für Fleisch und Kartoffeln sowie als Exportregion für Brotgetreide und Milch aus. Es werden hierbei jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Landkreisen deutlich. Besonders der Einfluß des Vogelsbergkreis wirkt sich positiv auf die mittelhessische Gesamtbilanz aus. Die herausragenden Werte für den Vogelsbergkreis resultieren aus den dort vorhandenen, im Vergleich zu den übrigen Landkreisen der Re

gion deutlich größeren landwirtschaftlichen Produktionsfläche bei gleichzeitig erheblich niedrigerer Bevölkerungszahl. Betrachtet man nur das Lahn-Dill-Gebiet, so zeigt es sich als Importregion für alle genannten Nahrungsmittel. Zum Gebietsvergleich seien hier einmal die Viehzahlen pro 1000 Einwohner dargestellt (Abbildung 27).

Abbildung 26: Regionaler Selbstversorgungsgrad mit Fleisch 1994, Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

Abbildung 27: Regionale Viehbestände pro 1000 Einwohner

3.3.2.3 Schaf- und Pferdehaltung

Die Betrachtung der Schaf- und Pferdehaltung ist aus mehrerer Hinsicht interessant. Gerade in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten mit insgesamt guter Verkehrsanbindung kann die Pensionspferdehaltung eine gute Einkommensmöglichkeit darstellen. In touristisch attraktiven Gebieten bieten sich Angebote wie "Ferien auf dem Bauernhof" mit Reitangeboten an.

Im Bereich der Landschaftspflege gewinnt die Schafhaltung in den letzten Jahren wieder an Bedeutung. Eine Vielzahl ausgewiesener Schutzgebiete erfordern eine extensive Bewirtschaftung durch Schafe um eine nachhaltige Sicherung zu gewährleisten. Deshalb wird die Schafhaltung in verschiedenen Programmen wie beispielsweise HELP und HEKUL gefördert (siehe hierzu Umlandverband Frankfurt 1995 ). Die Analyse zeigt in den letzten Jahren in allen Teilräumen einen Rückgang der absoluten Anzahl von Schafhaltern (Abbildung 28). Im Landesdurchschnitt betrug der Rückgang im Zeitraum 1992 -1996 14,4%, auf Landkreisebene hatte der Lahn-Dill-Kreis mit -18,9% den stärksten Rückgang im Untersuchungsgebiet zu verzeichnen.

Abbildung 28: Entwicklung der Schafhalter im Lahn-Dill-Gebiet von 1992 - 1996

Im Lahn-Dill-Bergland gab es 1996 noch 126 Schafhalter. Die Entwicklung differiert jedoch sehr stark auf Gemeindeebene. Ähnlich wie auch bei den Rinder- und Schweinebeständen besteht auch hier der Trend zu größeren Viehzahlen je Halter. Die relative Entwicklung der Viehzahlen verläuft im Bereich der Schafhaltung teilweise sogar gegenläufig zur relativen Entwicklung der Viehhalter. Während im Landesdurchschnitt innerhalb des Beobachtungszeitraums 1992-1996 die Schafzahlen nur um 1,7 % anstiegen, war im Lahn-Dill-Bergland ein Zuwachs um 13,2% zu verzeichnen. Im Landkreis Gießen ging der Bestand um 5% zurück, im Lahn-Dill-Kreis betrug der Rückgang sogar 9%.

Insgesamt ist eine sehr stark räumlich differenzierte Entwicklung zu beobachten. Auf Gemeindeebene fällt beispielsweise die Entwicklung in Breidenbach besonders auf. Die Viehzahlen stiegen hier um 332% an. Dies war auf Gemeindeebene der stärkste Zuwachs in ganz Hessen.

Abbildung 29: Entwicklung der Schafbestände im Lahn-Dill-Gebiet von 1992 - 1996

Für das Lahn-Dill-Bergland zeichnet sich insgesamt ein Anstieg der Schafzahlen ab. Auf die differenzierte räumliche Verteilung wird in Kapitel 4.3.3 noch näher eingegangen.

3.3.3 Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe

Ein wesentliches betriebliches Strukturmerkmal ist die Betriebsgröße. Sie bestimmt die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe und die Beschäftigungseffekte. Viele landwirtschaftliche Strukturmerkmale und damit auch ökologische und gesellschaftliche Leistungen werden zudem von der Betriebsgrößenstruktur beeinflußt. Auch für langfristig ausgerichtete Landschaftspflege- und Naturschutzkonzepte ist die zukünftige Betriebsstruktur von Bedeutung. (Siehe auch ABRESCH, BAUER, HUMMELSHEIM 1997 )

In allen betrachteten Regionen Hessens ging die Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe in den Jahren 1987 - 1995 stark zurück. Im Lahn-Dill-Bergland auf 66% des Wertes von 1987 (von 1603 auf 1060 Betriebe). Der Landesdurchschnitt ging im gleichen Zeitraum lediglich auf 72% zurück. (Siehe Abbildung 30)

Abbildung 30: Prozentuale Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebszahlen

Weiterhin interessant ist die Betrachtung des Erwerbscharakters der landwirtschaftlichen Betriebe. Die Nebenerwerbsbetriebe konzentrieren sich überwiegend auf die unteren Betriebsgrößenklassen und sind darüber hinaus vor allem in Regionen mit ungünstigen natürlichen Verhältnissen zu finden. In Hessen wurden 1995 rund 71 % der Betriebe im Nebenerwerb geführt, im Lahn-Dill-Bergland waren es 85,6% und im Lahn-Dill-Kreis sogar 87,7%. Die durchschnittliche Größe der bewirtschafteten Fläche lag bei den Nebenerwerbsbetrieben bei ca. 10 ha.
 
Name 
Betriebe insgesamt 
Betriebe, deren Inhaber natürliche Personen sind 
davon Haupterwerbsbetriebe 
Im Haupterwerb bewirtschaftete LF in ha 
Nebenerwerbsbetriebe 
Im Nebenerwerb bewirtschaftete LF in ha 
Land Hessen  39057  38942  11253  489796  27698  280966 
Regierungsbezirk Gießen  10020  9993  2328  115383  7665  84506 
Landkreis Gießen  1520  1517  335  19189  1182  12883 
Lahn-Dill-Kreis  1293  1286  163  9287  1123  11661 
Lkr Marburg-Biedenkopf  3005  3000  670  26819  2330  23052 
Lahn-Dill-Bergland  1060  1055  152  903 
Tabelle 9: Erwerbscharakter der landwirtschaftlichen Betriebe 1995

Abbildung 31: Landwirtschaftliche Betriebe nach Erwerbscharakter 1995

Aufgrund der Betriebsdaten ist es möglich, eine grobe Schätzung der in der Landwirtschaft beschäftigten vorzunehmen. Hierzu wurden die Kennwerte der "Buchführungsergebnisse landwirtschaftlicher Betriebe in Hessen im Wirtschaftsjahr 1994/95" herangezogen und auf Basis der Betriebsgrößenklassen die durchschnittliche Arbeitskräfteeinheiten AK ermittelt. Danach wurden im Lahn-Dill-Bergland 1995 insgesamt ca. 780 AK geleistet. Hiervon jedoch alleine etwa 600 AK von Betrieben, die im Nebenerwerb bewirtschaftet wurden, d.h. es werden ausschließlich "nicht entlohnte" Familienarbeitskräfte beschäftigt und keinerlei Fremdarbeitskräfte. Die restlichen 180 AK werden von Haupterwerbsbetrieben geleistet

In Tabelle 10 werden einige Charakteristika des Strukturwandels in den Jahren 1987 bis 1995 dargestellt. Mit 16,2 ha durchschnittlicher Betriebsgröße liegt das Lahn-Dill-Bergland im Jahr 1995 immer noch an letzter Stelle der betrachteten Regionen, obwohl es nach dem Lahn-Dill-Kreis die höchsten Wachstumsraten aufweist. Die Wachstumsrate bei den bewirtschafteten Flächen weist auf eine Nutzung von Flächen benachbarter Gemeinden hin. In Hessen gesamt ging die landwirtschaftlich genutzte Fläche um 0,3 % zurück.
 
Gebiet
mittlere Betriebsgröße 1987 (ha) 
mittlere Betriebsgröße 1995 (ha) 
Wachstum der Betriebsgröße 1987 - 1995 
Wachstum der genutzten Fläche 1987 -1995 
Land Hessen
14.3 
19.9
38.90 % 
-0.26 %
Regierungsbezirk Gießen
13.8 
20.1
45.12 % 
1.16 %
Landkreis Gießen
14.2 
21.1
48.79 % 
-3.76 %
Lahn-Dill-Kreis
9.6 
16.2
69.46 % 
11.62 %
LK Marburg-Biedenkopf
12.0 
16.6
38.29 % 
1.28 %
Lahn-Dill-Bergland
9.6 
16.2
68.42 % 
6.23 %
Tabelle 10: Mittlere Betriebsgrößen in den Jahren 1987 und 1995. Quelle: HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT, HEPAS-Fachdatei , 1996 "HESSISCHESSTATISTISCHESLANDESAMT,HEPAS-Fachdatei,Wiesbaden1996."; Eigene Berechnungen.

Insgesamt läßt sich eine starke Zunahme der durchschnittlichen Betriebsgröße feststellen. Um diesen Sachverhalt genauer zu untersuchen, bietet sich ein empirischer Vergleich der Betriebsgrößenklassenverteilung an. Wie aus Abbildung 32 und Abbildung 33 zu erkennen ist, lag 1987 die übergeordnete Bedeutung in allen Gebieten im Bereich der kleinen Betriebe. Extrem ausgeprägt war diese Struktur im Lahn-Dill-Kreis und im Lahn-Dill-Bergland. Hier lagen 77,4 % bzw. 76,4 % der Betriebe in den Klassen unter 10 ha. Die Größenklassen oberhalb 30 ha machten im Lahn-Dill-Bergland gerade noch 3,2 % aus.

Abbildung 32: Betriebsgrößenklassenverteilung 1987

Abbildung 33: Betriebsgrößenklassenverteilung 1995

In allen Gebieten ist der Anteil der kleineren Betriebe im betrachteten Zeitraum abnehmend. So ging beispielsweise im Lahn-Dill-Bergland der Anteil der Betriebe unterhalb 5 ha von 54,7 % auf 44,2 % zurück. Den größten Zuwachs hatte hier die Betriebsgrößenklasse über 50 ha, ihr Anteil stieg von 0,9 % auf 6,1%. Der Tendenz nach gilt diese Entwicklung für alle Teilräume, sie ist aber im Lahn-Dill-Kreis und im Lahn-Dill-Bergland besonders ausgeprägt. Die wirtschaftlichen Vorteile durch Kostendegression mit zunehmender Betriebsgröße werden auch künftig bestehen bleiben bzw. eher noch an Bedeutung gewinnen. Deshalb werden die aufgezeigten Grundtendenzen des Agrarstrukturwandels auch die weitere Entwicklung bestimmen.

3.4 Wirtschaftsstruktur

Als Datengrundlage dienen die "Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit 1980-1995" sowie die "Totalaufbereitung im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe 1984 -1994" und der "Bericht zur Lohn- und Einkommenssteuerstatistik 1992" des Hessischen Statistischen Landesamtes. Aufgeführt sind die sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer am Arbeitsort.

Zur Beurteilung der Wirtschaftsstruktur werden zunächst die Beschäftigtenanteile nach Wirtschaftsbereichen untersucht. Gegenüber der Verteilung auf Landesebene fällt im Lahn-Dill-Bergland zunächst der große Anteil Beschäftigter im verarbeitenden Gewerbe auf. Er lag 1995 mit 60 % knapp doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt.

Abbildung 34: Beschäftigtenanteile nach Wirtschaftsbereichen in Hessen 1995

Abbildung 35: Beschäftigtenanteile nach Wirtschaftsbereichen im Lahn-Dill-Bergland 1995

Auf den gesamten tertiären Sektor entfallen im Lahn-Dill-Bergland 1995 nur gerade 30 % während es landesweit immerhin 61 % sind. Betrachtet man die Entwicklung im Zeitablauf, so lassen sich in allen Teilräumen Transformationsprozesse in Richtung des tertiären Sektors beobachten. Nach der Theorie von Fourastier findet in einer Gesellschaft stets eine Entwicklung vom primären über den sekundären hin zum tertiären Sektor statt. Im regionalen Vergleich ist die Entwicklung des Lahn-Dill-Berglandes hier noch nicht sehr weit fortgeschritten. Der primäre Sektor hatte im Zeitablauf im Lahn-Dill-Bergland stets eine geringe Bedeutung. Auch zukünftig werden die meisten Beschäftigten des Lahn-Dill-Berglandes dem sekundären Sektor zuzuordnen sein.

Die bisherigen Entwicklungen in diesem Bereich, so wie die Prognose für die nächsten Jahre sind in Abbildung 36 dargestellt.

Abbildung 36: Bisherige und zukünftige Entwicklung der Beschäftigten nach Sektoren im Lahn-Dill-Bergland. Quelle: HUMMELSHEIM 1997 

Einen weiteren wichtigen Aspekt zur Beurteilung der regionalen Wirtschaftslage stellen die Einkommensmöglichkeiten dar. In Tabelle 11 sind die regionalen Niveaus der Jahreseinkommen als Bruttolohn je Steuerpflichtiger dargestellt. 1992 lag das Lahn-Dill-Bergland mit 49340 DM Durchschnittsbruttolohn in etwa gleich mit dem Regierungsbezirk Gießen (49461 DM). Die Löhne lagen somit gut 5800 DM unter dem Landesdurchschnitt, dies entspricht einem Niveau von 89%. Das niedrigste Niveau wies mit 83% der Landkreis Gießen auf.
 
 
Gebiet 
Steuer-pflichtige 1989 
Steuer-pflichtige 1992 
Bruttolohn je Steuer-pflichtiger 1989 
Bruttolohn je Steuer-pflichtiger 1992 
Niveau im Vergleich zum Land [%] 1992 
Land Hessen  2154052 2168854 45407  55148
Regierungsbezirk Gießen  350716 357783 40502  49461 90
Landkreis Gießen  38394 39813 37499  45907 83
Lahn-Dill-Kreis  69527 71053 38050  47389 86
Landkreis Marburg-Biedenkopf  81912 82842 43584  53353 97
Lahn-Dill-Bergland  74041 75277 40467  49340 89
Tabelle 11: Regionale Bruttolöhne je Steuerpflichtiger in DM/Jahr 1989 und 1992

Ein ähnliches Bild liefert die Betrachtung der Durchschnittslöhne im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe.

Abbildung 37: Durchschnittliche Stundenlöhne im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe

Nach dem die herausragende Bedeutung des sekundären Sektors für das Lahn-Dill-Bergland nun offensichtlich ist, liegt es nahe die Entwicklung der Gewerbestruktur in diesem Sektor zu untersuchen. Betrachtet man die Anzahl der Betriebe nach Gewerbezweigen ergibt sich das folgende Bild:

Abbildung 38: Gewerbestruktur in Hessen 1984 - 94, Betriebszahlen

Im Landesdurchschnitt führt der Bereich der Investitionsgüter dicht gefolgt von den Verbrauchsgütern. Die übrigen Bereiche sind im Zeitablauf nahezu konstant.

Abbildung 39: Gewerbestruktur im Regierungsbezirk Gießen 1984 - 94, Betriebszahlen

Abbildung 40: Gewerbestruktur im Lahn-Dill-Bergland 1984 - 94, Betriebszahlen

Im Lahn-Dill-Bergland zeigt sich bei ähnlichem Verteilungsmuster eine weit stärkere Konzentration im Bereich der Investitionsgüter. Eine solche Konzentration und eine damit einhergehende Spezialisierung des regionalen Arbeitsmarktes hat immer sowohl Vorteile als auch Nachteile. Einerseits werden spezialisierte Regionen in den dominierenden Branchen vermutlich die höchsten Wachstumspotentiale aufweisen (z.B. Unternehmensansiedlung, Zulieferer, Innovationsaktivitäten), andererseits sind solche Regionen besonders anfällig für Struktur- oder Konjunkturkrisen.

Abbildung 41: Regionale Umsätze je Beschäftigter und Jahr

Betrachtet man die Umsätze im Bergbau und Verarbeitenden Gewerbe und setzt sie in Relation zu der Anzahl Beschäftigter (Abbildung 41), so erscheint die Produktivität der Beschäftigten im Lahn-Dill-Bergland deutlich geringer als in allen anderen Regionen. Dies läßt sich durch das unterschiedliche Lohnniveau allein nicht erklären. Hier muß vielmehr eine genauere Betrachtung der speziellen Produktionszweige erfolgen, die regional konzentriert sind. Beispiele hierfür sind die metallverarbeitende Industrie oder der Bereich Feinmechanik und Optik in Lahn-Dill. Hierauf wird beim Vergleich auf Gemeindeebene in Kapitel 4 noch näher eingegangen.

3.5 Finanzsituation

Die finanzwirtschaftliche Leistungskraft der Gebietskörperschaften in einer Region läßt sich anhand von Maßzahlen aus der Steuer- und Finanzwirtschaft darstellen. Wie bereits in Kapitel 2 kurz dargestellt, bringen die Kennziffern BWS (Bruttowertschöpfung je Einwohner) eine deutlich niedriger Wirtschaftskraft des Untersuchungsraum gegenüber dem Durchschnitt in Hessen bzw. der Bundesrepublik zum Ausdruck. Gegenüber Marburg-Biedenkopf schneiden hier die Kreise Gießen und Lahn-Dill noch vergleichsweise günstig ab. Die Daten zeigen auch, daß die Entwicklung im Lahn-Dill-Kreis von einer besonderen Dynamik geprägt ist. Hinsichtlich der Realsteuerkraft und der tatsächlichen Steuereinnahmen liegt der Kreis Marburg besonders ungünstig. Allerdings wird ein Teil davon durch die mit Abstand höchsten Schlüsselzuweisungen und die Zuweisungen des Bundes und der Länder ausgeglichen.

Betrachten wir im Folgenden die Steuereinnahmekraft in DM je Einwohner. "Die gemeindliche Steueraufbringungskraft ist die Summe aus Realsteueraufbringungskraft, also dem unter Zugrundelegung eines durch Anwendung landesdurchschnittlicher Hebesätze berechneten fiktiven gemeindlichen Realsteueraufkommens (aufkommen aus Grund- und Gewerbesteuer), und dem Gemeindeanteil aus der Einkommenssteuer abzüglich der Gewerbesteuerumlage:

Realsteueraufbringungskraft + Gemeindeanteil der Einkommenssteuer - Gewerbesteuerumlage."
(Hessisches Statistisches Landesamt 1995)

Betrachtet man die Entwicklung der Steuereinnahmekraft je Einwohner im Zeitraum 1987 bis 1995, so fällt zunächst allgemein eine positive Tendenz auf.

Abbildung 42: Regionale Entwicklung der Steuereinnahmekraft je Einwohner

Abbildung 43: Zuwachsraten der Steuereinnahmekraft je Einwohner seit 1980

Die Zuwachsraten seit 1980 im Landkreis Marburg-Biedenkopf und im Lahn-Dill-Bergland liegen weit über dem Landesdurchschnitt.

4 Strukturunterschiede im Lahn-Dill-Gebiet - Betrachtungen auf Gemeindeebene

In diesem Kapitel sollen Sachverhalte, die sich bereits bei der Betrachtung auf regionaler Ebene als interessant bzw. kritisch dargestellt haben, einer weiter differenzierten Betrachtung auf Gemeindeebene unterzogen werden. Ziel ist es, Besonderheiten bzw. Gemeinsamkeiten der Gemeinden herauszustellen, um Aussagen zu künftigen Politikmaßnahmen machen zu können. Betrachtet werden alle 63 Gemeinden des Untersuchungsgebietes.

4.1 Bevölkerungsstruktur

Im regionalen Vergleich (siehe Kapitel 3) wies das Lahn-Dill-Bergland 1995 mit 165 Einwohnern je km2 die geringste Bevölkerungsdichte auf. Innerhalb der 63 Gemeinden streut dieser Wert jedoch von 72 (Rauschenberg) bis 1018 (Gießen) Einw/km2 . Innerhalb des Lahn-Dill-Berglandes beträgt der Streuungsbereich 101-238 Einw/km2 . Den Kriterien der BfLR zur Einordnung als "Ländlicher Raum" (weniger als 150 Einw/km2) entsprechen insgesamt 20 Gemeinden, 6 davon liegen im Lahn-Dill-Bergland. Die räumliche Verteilung zeigt die Karte 1.

Karte 1: Bevölkerungsdichte 1995

Es ist deutlich zu erkennen, daß die Bevölkerungsdichte mit zunehmender Entfernung von den Zentren abnimmt. Es stellt sich nun aber die Frage, ob die Situation schon immer so war, bzw. welche Entwicklung ihr zugrunde liegt. Da diese Karte aber nur eine Momentaufnahme darstellt, ist es unbedingt erforderlich, die zeitliche Dynamik zu betrachten.

In Kapitel 3.1 wurde bereits auf den dominanten Einfluß der Wanderungsbewegung auf die Bevölkerungsentwicklung im Untersuchungsgebiet hingewiesen. Diese Wanderungsbewegung fand jedoch keineswegs gleichmäßig über den Raum verteilt statt. Bei der Betrachtung der absoluten Zuwachszahlen im Zeitraum von 1980 bis 1995 stellt man für das Gesamtgebiet einen Bevölkerungszuwachs von 11% fest. Die Werte streuen hierbei von leichten Rückgängen (-3 % in Gießen) bis zu 26% Zuwachs (in Reiskirchen). Das Lahn-Dill-Bergland wies ein gegenüber dem gesamten Untersuchungsgebiet unterdurchschnittliches Wachstum von 9% auf.

Karte 2: Durchschnittliche Bevölkerungsentwicklung von 1980 - 1995

Es fällt hierbei insbesondere das unterdurchschnittliche Wachstum bzw. ein Rückgang der Bevölkerung innerhalb der Zentren auf. Einzige Ausnahme bildet Haiger, hier betrug der Zuwachs 13%.

Insgesamt zeigt sich das Bild eines "Speckgürtels" in einiger Entfernung der Zentren. In diesen Gemeinden stellt die höhere Flächenverfügbarkeit einen komparativen Standortvorteil dar, der bei insgesamt guter Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz eine Bevölkerungsansiedlung zu begünstigen scheint. Dies wird besonders im Bereich südlich und östlich von Gießen deutlich, wo in Reiskirchen (26%) und Hüttenberg (23%) die stärksten Bevölkerungszuwächse zu verzeichnen waren. Hier gewinnt neben den Zentren Gießen und Wetzlar der Einfluß des Rhein-Main-Ballungsraumes immer stärkere Bedeutung. Das betrachtete Gebiet zeichnet sich durch eine hervorragende Verkehrsanbindung aus, die mit A5, A45 und A480 sowohl in Nord-Süd als auch in Ost-West-Richtung gegeben ist.

Hier sind hohe Signifikanzen zwischen Verkehrsanbindung und Bevölkerungsansiedlung zu erwarten. Um wirklich klare Aussagen zum Einfluß verschiedener räumlicher Faktoren wie z.B. Bodengüte oder Infrastrukturanbindung treffen zu können, müßten diese mit Methoden zur Messung der räumlichen Korrelation bestimmt werden. Als räumliche Einflußfaktoren müßten dann beispielsweise Zentralitätsmaße, Erreichbarkeitszonen, Bodenarten und Geländerelief erfaßt und mit statistischen Daten auf Gemeindeebene verknüpft werden.

Insgesamt muß auf jeden Fall festgestellt werden, daß die Bevölkerungsentwicklung im Untersuchungsgebiet nicht gleichmäßig, sondern räumlich differenziert stattfindet (vgl. auch HUMMELSHEIM 1997). Das Lahn-Dill-Bergland scheint an relativer Attraktivität zu verlieren.

In den letzten Jahren fand eine zunehmende Konzentration der Bevölkerung im Untersuchungsgebiet statt. Da von der Bevölkerung wesentliche Impulse auf die Landnutzung ausgehen, ist also auch im Bereich der Flächennutzung ein räumlich differenziertes Bild zu erwarten, das sich nicht allein durch die naturräumlich unterschiedliche Ausstattung der Regionen erklären läßt.

4.2 Flächennutzung

Die möglichen Arten der Flächennutzung lassen sich im Prinzip auf die drei Kategorien Forstwirtschaft, Landwirtschaft und den Bereich "Siedlung und Verkehr" eingrenzen. Betrachtet man die Entwicklung im Bereich Siedlung und Verkehr (Karte 3) so zeigt sich kein einheitlicher Trend im Untersuchungsgebiet.

Karte 3: Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsflächenanteile

Betrachtet man den gesamten Untersuchungsraum, so fällt zunächst auf, daß in den Gebieten mit dem höchsten Siedlungs- und Verkehrsflächenanteil (Bereich Gießen - Wetzlar) die geringsten Zuwachsraten zu verzeichnen sind, während im näheren Umkreis durchweg höhere Zuwächse vorherrschen. In diesen Regionen liegt also eine Tendenz vor, die zu einer Nivellierung der Verhältnisse führt. Innerhalb des Lahn-Dill-Berglandes scheint sich die räumliche Konzentration eher zu verstärken, da hier die stärksten Bereiche im nördlichen Teil (Steffenberg und Breidenbach) auch noch die größten Zuwachsraten aufweisen. Ansonsten vollzieht sich die Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung gemäß dem Achsen-Schwerpunkt-Konzept des Regionalen Raumordnungsplans. Zur Begründung heißt es dort: "Das Achsen-Schwerpunkt-Konzept ist für eine eher ländlich geprägte Region wie Mittelhessen am ehesten geeignet, alle Teilräume in ihrer Entwicklung so zu stützen, daß dem Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen entsprochen werden kann. Die Knappheit der einsetzbaren Mittel in strukturschwächeren Regionen zwingt dazu, durch Bündelung eine Attraktivitätssteigerung wenigstens einiger Entwicklungskerne zu sichern. Eine disperse Streuung der infrastrukturellen Ausstattung würde den strukturellen Rückstand gegenüber strukturstärkeren Gebieten vergrößern." (HMFWVL 1995)

Besonders auffallend sind die zum Teil starken Zuwächse südlich von Gießen und Wetzlar. Hier wird sicherlich wieder der Einfluß des Verdichtungsraums Rhein-Main deutlich, für den die Region (nach RROP) Entlastungsfunktion zu übernehmen hat. Diese Entlastungsfunktion sollte aber vor allem im Bereich der Arbeitsstätten wahrgenommen werden, wobei gleichzeitig durch Schaffung wohnortnaher Arbeitsplatzstrukturen Benachteiligungen von Frauen abgebaut werden sollen. Die wirtschaftliche Weiterentwicklung Mittelhessens soll so erfolgen, daß die Ökobilanz gesichert oder verbessert werden kann (z. B. durch Reduzierung von Verkehrsmengen und -belastungen).

Ob man dieser Zielvorstellung mit der bisherigen Entwicklung bereits näher gekommen ist, läßt sich nur schwer sagen. Zunächst müßte die Entwicklung des Arbeitsmarktangebotes untersucht und mit der Entwicklung der Pendlerzahlen verglichen werden (ABF 1996 ). Erst dann lassen sich Aussagen darüber machen, ob wirklich wohnortnahe Arbeitsstrukturen geschaffen wurden oder ob die Region nur als Wohnstandort bzw. Schlafplatz genutzt wird und sich die Verkehrsmengen vielleicht sogar verstärkt haben.

Karte 4: Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche 1993

Bereits in Kapitel 3.2 wurde auf den vergleichsweise geringen Flächenanteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Lahn-Dill-Bergland hingewiesen. Die Karte 4 zeigt das räumliche Verteilungsmuster. Vergleicht man die Karte der Nutzungsanteile mit einer Bodenartenkarte oder einer Hangneigungskarte (Karte 5), so liegt es nahe, den geringen Umfang der landwirtschaftlichen Flächennutzung im Lahn-Dill-Bergland allein mit den ungünstigen natürlichen Standortbedingungen zu erklären.

Karte 5: Hangneigung im Lahn-Dill-Bergland, Quelle: Institut für Landeskultur der JLU-Gießen, überarbeitet.

Aus ökonomischer Sicht müssen sicherlich viele Flächen des Lahn-Dill-Berglandes als Grenzertragsstandorte angesehen werden, deren Nutzung durch ein gutes Angebot an außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungsmöglichkeiten zusätzlich beeinträchtigt wurde.

Das Vorkommen von Eisenerz und die damit verbundene Industrie haben das Gebiet in wirtschaftlicher Hinsicht geprägt, sorgten für ausreichend außerlandwirtschaftliche Beschäftigungsmöglichkeiten und drängten die landwirtschaftliche Bodennutzung zu Gunsten einer Ausdehnung von Waldfläche zurück. Die Waldbilanz in der Region Mittelhessen ist seit 1945 positiv (RP GIESSEN 1997). Die räumliche Verteilung der Waldzunahme konzentriert sich dabei jedoch vor allem auf die ohnehin waldreichen, ländlichen Räume (Karte 6), wogegen in den stärker besiedelten Bereichen ein Rückgang zu verzeichnen ist. (Siehe auch Tabelle 5)

Gerade in den Gebieten, die topografisch bzw. von den natürlichen Standortbedingungen her für die Agrarproduktion benachteiligt sind, kommt der Landwirtschaft eine wesentliche Bedeutung zum Erhalt der Kulturlandschaft zu. Trotzdem ist für die nächsten Jahre davon auszugehen, daß der landwirtschaftliche Strukturwandel weiter anhalten wird. Politische Handlungsschwerpunkte müßten auf die Sicherung landwirtschaftlich genutzter Flächen bzw. gut nutzbarer Flächen vor Nutzungskonkurrenz durch andere Ansprüche gelegt werden. Insbesondere die Bereitstellung von Ausgleichsflächen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu Lasten einer landwirtschaftlichen Nutzung stellt einen unhaltbaren Zustand dar. Gerade unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist es geboten, bestimmte Formen der landwirtschaftlichen Flächennutzung in den Katalog von Ausgleichsmaßnahmen mit aufzunehmen und die Landwirte in landschaftspflegerische Förderprogramme einzubinden, anstatt sie durch naturschutzindizierte Nutzungskonkurrenz vielleicht ganz zur Aufgabe der Bewirtschaftung zu zwingen.

Karte 6: Waldflächenanteil 1993

4.3 Strukturelle Entwicklung der Landwirtschaft

4.3.1 Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe

Auch der überdurchschnittliche Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe im Lahn-Dill-Bergland, wie er bereits in Kapitel 3.3.3 dargestellt wurde, läßt sich räumlich noch etwas weiter differenzieren. Zunächst einmal läßt sich sagen, daß einheitlich in allen Gemeinden die Anzahl ldw. Betriebe zurückgeht. Die Intensität des Rückgangs ist dabei aber stark von der Ausgangssituation geprägt, d.h. dort wo viele kleine Betriebe ansässig waren sind die Rückgänge am stärksten.

Karte 7: Anzahl ldw. Betriebe je 100 ha LF im Zeitablauf

Karte 8: Erwerbscharakter der landwirtschaftlichen Betriebe 1995, Quelle: Agrarbericht 1995.

86% aller landwirtschaftlichen Betriebe des Lahn-Dill-Berglandes werden im Nebenerwerb bewirtschaftet. Die Anteile streuen dabei von 62,5 % Nebenerwerbsbetrieben in Mittenaar bis 95,7 % in Bischoffen. Im gesamten Untersuchungsgebiet gibt es nur eine Gemeinde, Heuchelheim, in der der Anteil an Haupterwerbsbetrieben den der Nebenerwerbsbetriebe übersteigt.

4.3.2 Landwirtschaftliche Flächennutzung

Besondere Aufmerksamkeit soll hier noch einmal der Entwicklung der Brachflächen bzw. der bestehenden Situation gewidmet werden. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die Daten der Bodennutzungshaupterhebung die Grundlage der Auswertungen bildeten. Für die folgenden, räumlichen Darstellungen gilt also die gleiche Problematik, die bereits ausführlich in Kapitel 3.3.1 diskutiert wurde.

Karte 9: Bracheanteil der Ackerfläche 1995 in %

Karte 10: Relativer Zuwachs der Brachfläche von 1991 bis 1995

Karte 11: Grünlandanteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche 1995 in %

Karte 12: Relativer Zuwachs des Grünlandanteils an der landwirtschaftlichen Nutzfläche 1987 - 1995 in %

4.3.3 Viehbestände

Wie bereits in Abschnitt 3.3.2 gezeigt wurde, gewinnt die Schafhaltung im Lahn-Dill-Bergland in den letzten Jahren an Bedeutung. Dem landwirtschaftlichen Strukturwandel entsprechend, macht sich dies in zunehmenden Viehzahlen und abnehmenden Halterzahlen bemerkbar, d. h. die Viehzahlen je Halter steigen deutlich an. Das Lahn-Dill-Bergland beherbergte 1996 insgesamt 8868 Schafe, das sind durchschnittlich 591 Schafe je Gemeinde. Diese wurden von insgesamt 126 Betrieben mit durchschnittlich 70 Tieren gehalten. Die räumliche Verteilung zeigt jedoch erhebliche Differenzen (Karte 13).

Karte 13: Schafbestände im Lahn-Dill-Gebiet 1996

Im Lahn-Dill-Bergland gibt es Schafe in allen Gemeinden. Die Streubreite reichte von 47 (Angelburg) bis 1289 Tieren (Steffenberg) je Gemeinde im Jahr 1996. In insgesamt nur drei Gemeinden gab es Schafbestände mit mehr als 1000 Tieren.

Karte 14: Relative Entwicklung der Schafhalter im Lahn-Dill-Gebiet von 1992 - 1996

Karte 15: Relative Entwicklung der Schafbestände im Lahn-Dill-Gebiet von 1992 - 1996

Schlußbetrachtung

In dem vorliegenden Bericht wurde versucht die wesentlichen Charakteristika der Region "Lahn-Dill-Bergland" darzustellen. Hierzu wurden Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der Entwicklung sowohl im überregionalen Vergleich als auch auf Gemeindeebene herausgestellt.

Behandelt wurden die Bereiche Bevölkerung, Flächennutzung, Land- und Forstwirtschaft, Wirtschaftsstruktur und Finanzsituation. Die Tiefe der jeweiligen Betrachtungen variiert in den einzelnen Bereichen jedoch erheblich und stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Primäres Ziel dieser Untersuchung war es, die sozioökonomische Situation des Untersuchungsgebietes anhand wesentlicher Daten darzustellen und eventuelle Besonderheiten in der Entwicklung ausfindig zu machen. Wenn solche besonderen Entwicklungen festgestellt werden konnten, wurde versucht Einflußfaktoren und Kausalzusammenhänge zu analysieren. Diese sollen als Grundlagendaten zur Bewertung und Erfolgskontrolle von Politikmaßnahmen in folgenden Arbeiten herangezogen werden.

Wie sich im Laufe der Untersuchung gezeigt hat, ist es wichtig, den Beobachtungs- und Aggregationsmaßstab der jeweiligen Problemstellung angemessen zu wählen. Viele Probleme auf Gemeindeebene werden bei einer Betrachtung auf Kreis- oder Regionsebene gar nicht erkannt, umgekehrt werden bei zu großem Maßstab die überregionalen Bedeutungen und Verflechtungen leicht übersehen. Dies soll auch bei der zukünftigen Analyse von Politikinstrumenten und Maßnahmen berücksichtigt werden. Hier sollen Maßnahmen unterschiedlicher Planungsebenen auf ihre sozioökonomischen und ökologischen Wirkungen hin untersucht werden. Beispiele sind Infrastrukturmaßnahmen (speziell im Bereich Straßen- und Verkehrsplanung) als überregionale Planung mit Auswirkungen im kommunalen Bereich, Kommunale Siedlungs- und Gewerbeflächenausweisung, Maßnahmen im Rahmen der Dorferneuerung sowie verschiedene landwirtschaftliche Förderprogramme.

Ein weiterer wichtiger Aspekt für die künftigen Analysen ist neben der Frage nach dem richtigen Maßstab auch die Frage nach der räumlichen Abgrenzung für die Wirkungsanalyse. Politische Entscheidungen werden zwar innerhalb administrativer Grenzen getroffen und durchgesetzt, die Auswirkungen machen jedoch nicht an diesen Grenzen halt. Daher wird es für einige Fragestellungen zukünftig nötig sein, mit Modellen der kontinuierlichen Raumbetrachtung zu arbeiten.


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  • UMLANDVERBAND FRANKFURT, Förderprogramme für Naturschutz und Landschaftspflege, Frankfurt am Main 1995.

  • Abbildungsverzeichnis

    Abbildung 1: Gemeinden im Untersuchungsgebiet 2Abbildung 2: Regionale Bevölkerungsdichten 1995 9Abbildung 3: Regionale Bevölkerungsentwicklung im Zeitablauf 10Abbildung 4: Regionale Bevölkerungszuwachsraten 11Abbildung 5: Alterspyramide von Hessen 1995 12Abbildung 6: Alterspyramide des Lahn-Dill-Berglandes 1995 13Abbildung 7: Kontinuierliche Betrachtung der männlichen Bevölkerung im Lahn-Dill-Bergland (Quelle: Hummelsheim 1997) 13Abbildung 8: Kontinuierliche Betrachtung der weiblichen Bevölkerung im Lahn-Dill-Bergland (Quelle: Hummelsheim 1997) 14Abbildung 9: Bedeutungsvergleich von natürlichem Saldo und Wanderungssaldo 1987 14Abbildung 10: Bedeutungsvergleich von natürlichem Saldo und Wanderungssaldo 1992 15Abbildung 11: Bedeutungsvergleich von natürlichem Saldo und Wanderungssaldo 1995 15Abbildung 12: Gesamtwanderungssaldo im Zeitablauf 16Abbildung 13: Entwicklung der regionalen Arbeitslosenquoten im Zeitablauf 17Abbildung 14: Erwerbstätigenwanderung im Zeitablauf 18Abbildung 15: Anteile verschiedener Flächennutzungen 1993 20Abbildung 16: Regionale Landschaftsschutzgebietsanteile, Quelle: Eigene Auswertung der Regionalpläne Nordhessen (1988), Mittelhessen (1995), Südhessen (1995) und des Schutzgebietsverzeichnisses NATURREG des HMILFN (Stand 30.9.94): ausgewiesen und sichergestellt 23Abbildung 17: Regionale Naturschutzgebietsanteile, Quelle: vgl. Abbildung 16 24Abbildung 18: Regionale Anteile der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Zeitablauf 25Abbildung 19: Regionale Waldanteile im Zeitablauf 25Abbildung 20: Anteil Ackerbrache an der Gesamtackerfläche 1995 in %. (Daten der Bodennutzungshaupterhebung 1995, Betriebsdaten.) 27Abbildung 21: Rel. Zuwachs der Brachflächen und des Bracheanteils an der Ackerfläche von 1991 - 1995 in %. (Daten der Bodennutzungshaupterhebung 1991 und 1995, Betriebsdaten.) 28Abbildung 22: Anteile der landwirtschaftlichen Flächennutzung 1995 28Abbildung 23: Entwicklung der Rinderbestände im Zeitraum von 1980 - 1996 29Abbildung 24: Entwicklung der Schweinebestände im Zeitraum von 1980 - 1996 31Abbildung 25: Dungeinheiten je ha LF 32Abbildung 26: Regionaler Selbstversorgungsgrad mit Fleisch 1994, Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. 33Abbildung 27: Regionale Viehbestände pro 1000 Einwohner 33Abbildung 28: Entwicklung der Schafhalter im Lahn-Dill-Gebiet von 1992 - 1996 34Abbildung 29: Entwicklung der Schafbestände im Lahn-Dill-Gebiet von 1992 - 1996 35Abbildung 30: Prozentuale Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebszahlen 35Abbildung 31: Landwirtschaftliche Betriebe nach Erwerbscharakter 1995 36Abbildung 32: Betriebsgrößenklassenverteilung 1987 37Abbildung 33: Betriebsgrößenklassenverteilung 1995 38Abbildung 34: Beschäftigtenanteile nach Wirtschaftsbereichen in Hessen 1995 39Abbildung 35: Beschäftigtenanteile nach Wirtschaftsbereichen im Lahn-Dill-Bergland 1995 39Abbildung 36: Bisherige und zukünftige Entwicklung der Beschäftigten nach Sektoren im Lahn-Dill-Bergland. Quelle: HUMMELSHEIM 1997 40Abbildung 37: Durchschnittliche Stundenlöhne im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe 41Abbildung 38: Gewerbestruktur in Hessen 1984 - 94, Betriebszahlen 41Abbildung 39: Gewerbestruktur im Regierungsbezirk Gießen 1984 - 94, Betriebszahlen 42Abbildung 40: Gewerbestruktur im Lahn-Dill-Bergland 1984 - 94, Betriebszahlen 42Abbildung 41: Regionale Umsätze je Beschäftigter 43Abbildung 42: Regionale Entwicklung der Steuereinnahmekraft je Einwohner 44Abbildung 43: Zuwachsraten der Steuereinnahmekraft je Einwohner seit 1980 44 

    Tabellenverzeichnis

    Tabelle 1: Einige Basis- und Vergleichsdaten im Untersuchungsgebiet
    Tabelle 2: Ausstattung der Untersuchungsregion mit zentralen Orten
    Tabelle 3: Veränderungsraten ausgewählter Flächennutzungen von 1979 - 1993
    Tabelle 4: Anteile ausgewählter Flächennutzungsarten bezogen auf die Einwohnerzahl im Jahre 1993
    Tabelle 5: Vergleiche der mittleren Flächenanteile der Untersuchungsregionen mit dem Lahn-Dill-Bergland.
    Tabelle 6: Entwicklung der Rinderhalter und der durchschnittlichen Bestandsgrößen
    Tabelle 7: Rindviehhaltung und Grünland 1995
    Tabelle 8: Entwicklung der Schweinehaltung 1992 - 1996
    Tabelle 9: Erwerbscharakter der landwirtschaftlichen Betriebe 1995
    Tabelle 10: Mittlere Betriebsgrößen in den Jahren 1987 und 1995.
    Tabelle 11: Regionale Bruttolöhne je Steuerpflichtiger in DM/Jahr 1989 und 1992
     

    Kartenverzeichnis

    Karte 1: Bevölkerungsdichte 1995
    Karte 2: Durchschnittliche Bevölkerungsentwicklung von 1980 - 1995
    Karte 3: Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsflächenanteile
    Karte 4: Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche 1993
    Karte 5: Hangneigung im Lahn-Dill-Bergland, Quelle: Institut für Landeskultur der JLU-Gießen, überarbeitet.
    Karte 6: Waldflächenanteil 1993
    Karte 7: Anzahl ldw. Betriebe je 100 ha LF im Zeitablauf
    Karte 8: Erwerbscharakter der landwirtschaftlichen Betriebe 1995, Quelle: Agrarbericht 1995.
    Karte 9: Bracheanteil der Ackerfläche 1995 in %
    Karte 10: Relativer Zuwachs der Brachfläche von 1991 bis 1995
    Karte 11: Grünlandanteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche 1995 in %
    Karte 12: Relativer Zuwachs des Grünlandanteils an der landwirtschaftlichen Nutzfläche 1987 - 1995 in %
    Karte 13: Schafbestände im Lahn-Dill-Gebiet 1996
    Karte 14: Relative Entwicklung der Schafhalter im Lahn-Dill-Gebiet von 1992 - 1996
    Karte 15: Relative Entwicklung der Schafbestände im Lahn-Dill-Gebiet von 1992 - 1996

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