Fallstudie zur Bedeutung erhöhter Salzkonzentrationen im Beregnungswasser unter den humiden Bedingungen Mitteleuropas


Neumann, K.-H. und B. Pauler
Institut für Pflanzenernährung der Justus-Liebig-Universität Gießen

 


 

10b) Sommerweizen

Jeweils 5 Gefäße der vier Versuchsglieder wurden nach der Stressapplikation bis zur Vollreife mit A. dest. auf 60 % der WK gegossen und dann eine Ertragsermittlung vorgenommen.

Die in Tabelle 24 aufgeführten Daten lassen sowohl bei Trocken- als auch bei Salzstress deutliche Ergtragsdepressionen erkennen. Diese sind bei Salzstress bedeutend stärker ausgeprägt als bei Trockenstress. Damit decken sich frühere Ergebnisse, aus denen hervorging, daß im untersuchten Entwicklungsstadium die Pflanzen empfindlicher auf Salz- als auf Trockenstress reagieren. Obwohl durch beide Stressoren die Kornzahl pro Ähre reduziert wird, ist bei Trockenstress das Tausendkorngewicht (TKG) nicht beeinflußt. Die stärkere Ertragsdepression auf Salzstress kann deutlich mit einer Absenkung des TKG und damit mit dessen Einfluß auf den Kornfüllprozeß in Verbindung gebracht werden. Ein sehr deutlicher Faktor in der Ertragsdepression durch die beiden Stressoren ist auch die starke Absenkung der Anzahl an ährentragenden Halmen bei gleicher Anzahl Pflanzen pro Gefäß.

In Tabelle 24 sind auch Daten zur Na- und Cl-Aufnahme aufgeführt. Wie nicht anders zu erwarten, sind beide Ionen nach der Versuchsperiode in den Versuchsgliedern mit Salzstress im Sproß der Pflanzen erhöht. Im Trockenstress-Versuchsglied liegen dagegen gleich hohe Na- und Cl-Konzentrationen wie in der Kontrolle vor.

Der Umfang des vom begasten Blatt fixierten 14C ist, auf die ganze Pflanze bezogen, durch die beiden Stressoren im gleichen Umfang gegenüber der Kontrolle deutlich reduziert und, kommen beide gleichzeitig zur Anwendung, addiert sich der Hemmeffekt. Bezieht man dagegen das 14C auf 1 g Frischsubstanz des jeweils begasten Blattes, so wirkt sich der Trockenstress geringfügig stärker als der Salzstress aus. Da bei der CO2-Fixierung durch die Blätter die Stressoren neben einem Einfluß auf die stoffwechselphysiologischen Leistungen der photosynthetisch aktiven Zellen auch eine Wirkung auf das Stomatasystem ausüben sollten, kann bei Versuchen mit intakten Blättern zwischen deren Wirkung auf die beiden Bereiche nicht ohne weiteres unterschieden werden.

In einem ersten Versuch zur Trennung dieser beiden Wirkungsbereiche wurden photosynthetisch aktive Zellkulturen der Karotte verwendet (Tabelle 25). Zur Ermittlung der Salzwirkung wurde der Nährlösung 0,5 % NaCl und zur Prüfung des mit dem Einfluß eines mit dem Trockenstress im Zusammenhang zu sehenden verringerten Wasserpotentials 1,56 % Mannit (äquiosmolar mit 0,5 % NaCl) der Nährlösung zugesetzt. Bei beiden Versuchsgliedern wurde die CO2-Fixierung gegenüber der Kontrolle deutlich verringert, wobei dies beim NaCl-Versuchsglied deutlicher ausgeprägt war als bei der Mannit-Variante. Bei Gewebekulturen entfallen Einflüsse dieser Stressoren auf den Stomata-Mechanismus, so daß hier lediglich die Wirkungen der Stressoren auf die 14C-Fixierung unter stoffwechselphysiologischen Aspekten zu betrachten ist. Bei Trockenstress sollte diesen Versuchsergebnissen zufolge dessen Einfluß auf die Stomataöffnung und bei Salzstress vor allem dessen stoffwechselphysiologische Wirkung im Vordergrund stehen. Dabei kommt es bei beiden zu Überschneidungen. Die NaCl-Wirkung steht sicherlich in Zusammenhang mit dessen von anderer Seite beschriebenen Einfluß auf die Physiologie und Entwicklung der Chloroplasten (HECHT-BUCHHOLZ et al., 1974).

Wie unter den oben beschriebenen Versuchsbedingungen nicht anders zu erwarten, verblieb nach der Begasungsperiode bei Sommerweizen der größte Teil des fixierten 14C im begasten Blatt. Wie die Daten in Tabelle 24 jedoch zeigen, wurde bei allen drei Stress-Versuchsgliedern die Verlagerung aus dem begasten Blatt gegenüber der Kontrolle, in Prozent an der Gesamtfixierung ausgedrückt, verringert. Demnach ist durch die Stressoren nicht nur die Photosynthese sondern auch die Assimilatverteilung beeinträchtigt.

Die höchste 14C-Markierung der begasten Blätter ist in der Fraktion der löslichen Kohlenhydrate zu finden (Tabelle 26). Sowohl im begasten Blatt als auch im Sproß ist jedoch bei der durch die Stressoren verursachten verringerten 14C-Markierung der Kohlenhydratfraktion dann generell die der Aminosäurefraktion erhöht. Dies widerspricht den Ergebnissen der weiter oben beschriebenen Untersuchungen mit Gewebekulturen, in denen eine deutliche Erhöhung der 14C-Markierung in der Kohlenhydratfraktion durch die Stressoren bei einer Verringerung des 14C in der Aminosäurefraktion und auch der organischen Säuren gegenübersteht (s. Tabelle 25). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Gewebekulturen unter mixotrophen Bedingungen (2% Saccharose, Belichtung mit 4000 lux) kultiviert wurden. Als Folge davon wurde ein durch die erhöhte endogene Kohlenhydratfraktion bewirkter Rückstau der Assimilate mit negativen Folgen für die primäre 14C-Fixierung vermutet, wie dies in diesem Versuchssystem bei erhöhter Zufuhr exogener Kohlenhydrate festzustellen ist (NEUMANN u. RAAFAT, 1973; BENDER et al., 1985; BENDER et al., 1987). Gegenwärtig ist diese Diskrepanz der Ergebnisse der beiden Versuchssysteme nicht näher zu erklären. Weiter unten soll noch einmal darauf zurückgekommen werden.

Zum Zeitpunkt der Stressanwendung und der 14C-Applikation ist die Reaktion auf die mit der Wasserversorgung im Zusammenhang stehende Anpassung, insbesondere im Hinblick auf osmotische Reaktionen, zu sehen. Die sich entwickelnde Ähre ist sicherlich der in diesem Entwicklungsstadium in der Pflanze dominierende Sink für Assimilate. Der ursprünglichen Fragestellung gemäß wurde zu diesem Zeitpunkt versucht, eine Charakterisierung der Hormonsituation der sich entwickelnden Ähre vorzunehmen (s. Tabelle 27). Wie vielfach in der Literatur berichtet, konnte auch in unseren Versuchen bei Salz- und, noch stärker ausgeprägt, bei Trockenstress eine sehr deutliche Erhöhung der ABA-Konzentration nachgewiesen werden. Das gilt auch für das ebenfalls oft mit Stresssituationen assoziierte Prolin, dessen Konzentration relativ noch stärker ansteigt als die der ABA. Prolin ist bedeutend besser wasserlöslich als die meisten Aminosäuren und dessen Anstieg sollte daher mit einem Anpassungsmechanismus an die mit der durch die Stressoren beeinflußten osmotischen Verhältnisse der Versuchspflanzen im Zusammenhang zu sehen sein. Das Prolin ist in der löslichen Aminosäurefraktion mit enthalten und, obwohl keine separate Ermittlung der 14C-Markierung dieser Iminosäure vorgenommen wurde, kann davon ausgegangen werden, daß die Erhöhung des 14C-Anteils in dieser Fraktion durch die Stressoren auf eine verstärkte Synthese des Prolins beruhen könnte.

Während die NaCl-Applikation eine nur geringe Erhöhung der IES-Konzentration von ca. 10% bewirkt (s. Tabelle 27), ist bei den beiden Trockenstress-Varianten ihre Konzentration um ca. 25% abgesenkt.

Vor allem der Hormongruppe der Cytokinine wird eine zentrale Bedeutung für die Sink-Aktivität und damit für die Assimilatverteilung in die verschiedenen pflanzlichen Organe und Gewebe zugeschrieben. Von uns wurden sechs Vertreter dieser Hormongruppe erfaßt. Wie in Calluskulturversuchen gezeigt werden konnte, wird durch alle sechs Cytokinine die Zellteilungsaktivität in praktisch gleichem Umfang gefördert. Damit soll bei der Besprechung zunächst von der Summe der Cytokinine ausgegangen werden. Durch Trockenstress wird die Cytokininkonzentration in der Ähre um ca. 25% erhöht, während sie durch Salzstress gering und um ca. 50% bei der Kombination beider Stressoren drastisch reduziert ist (s. Tabelle 27). Möglicherweise steht das im Gegensatz zu den Salzversuchsgliedern bei Trockenstress nicht beeinflußte TKG mit dieser Erhöhung der Cytokininkonzentration im Zusammenhang, während das in den Salzstressversuchsgliedern sehr viel geringere TKG sicherlich mit der drastischen Absenkung der Cytokininkonzentration in der Ähre in Verbindung zu bringen ist. Wie weiter unten noch gezeigt wird, ist die Wurzelentwicklung durch NaCl-Stress deutlich gehemmt (s. Kap. 13). Geht man von Literaturangaben über die Syntheseorte der Cytokinine aus, wonach dem Wurzelsystem eine dominierende Rolle zugeschrieben wird, so kann auch die deutlich geringere Konzentration dieser Hormongruppe in der Ähre eine Erklärung finden.

Wie zu erwarten, dominieren bei Sommerweizen als Getreideart Zeatin und sein Ribosid die Cytokininfraktion. Die relativ hohe Konzentration des Dihydrozeatins weist auf einen verstärkten Abbau des Zeatins in diesem Versuchsglied hin. Sehr geringe Konzentrationen weisen dagegen das 2-iP und sein Ribosid auf, wobei auch hier, wie schon beim Zeatin, bei Trockenstress die Konzentrationen höher sind als bei den anderen Versuchsgliedern. Eine weiterführende Beziehung zwischen der Ertragsleistung, der Photosyntheseleistung, der Assimilatverteilung und dem Hormonsystem lassen die bisher vorliegenden Ergebnisse jedoch noch nicht erkennen. Zur näheren Charakterisierung des Stresseinflusses auf die Photosynthese und die Assimilatverteilung wären, auf den bisherigen Ergebnissen aufbauend, "puls/chase"-Versuche notwendig und die Ermittlung der Hormonkonzentrationen auch in mit den begasten Blättern entwicklungsgleichen Blättern (Source) gleichzeitig angezogener Pflanzen. Diese Überlegungen wurden bei den Zuckerrübenversuchen, soweit es die Hormonkonzentrationen betrifft, bereits berücksichtigt.

 


 

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