Fallstudie zur Bedeutung erhöhter Salzkonzentrationen im Beregnungswasser unter den humiden Bedingungen Mitteleuropas
Neumann, K.-H. und B. Pauler
Institut für Pflanzenernährung der Justus-Liebig-Universität Gießen
18.) |
Verfahren zur Rekultivierung salzbelasteter Böden ("Heilverfahren") |
Sobald Kulturmaßnahmen zur Anwendung kommen, die ein wie auch immer einzuschätzendes Risiko nach sich ziehen können, muß für den Fall auftretender Schäden ein "Heilverfahren" zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang sollen zunächst einige Untersuchungen auf Rheinüberflutungsflächen vorgestellt werden. Im Jahr 1983 trat der Rhein im Frühjahr zweimal über die Ufer und es kam zu einer Überflutung von Rhein-nahen Feldern. Nach etwa 14 Tagen waren die Felder wieder frei und konnten bearbeitet werden. Die Ergebnisse der während der Überflutungsperiode durchgeführten Rheinwasseranalysen und der nach dem Wasserabfluß durchgeführten Bodenuntersuchungen sind in Tabelle 74 zusammengestellt. Die im Folgejahr ermittelten Werte entsprechen trotz des recht niedrigen Salzgehaltes des Rheinwassers zum Zeitpunkt der Überflutung in der Tendenz den nach einer Salzwasser-Applikation zu erwartenden Daten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei einer Rheinwasserüberflutung sehr viel größere Wassermengen pro m² erreicht werden, als sie durch Beregnungsmaßnahmen appliziert werden.Im Jahre 1985 kam es dann wieder zu einer Angleichung an die Werte des Gesamt-Rasterprogramms. Daraus geht hervor, daß die aus einer kurzzeitig von Rheinwasser mit überhöhter Na- und Cl-Zufuhr resultierende Beeinflussung des Bodens offenbar bald wieder aufgehoben werden können. Eine Ausnahme davon stellt die Krümelstabilität dar, die sowohl auf den Überflutungsfeldern als auch im Rasterprogramm generell seit 1983 eine negative Tendenz aufweist (s. Kap. 11). Im Durchschnitt der Rasterpunkte scheint diese Tendenz 1985 jedoch zum Stillstand gekommen zu sein, während sie sich auf den Überflutungsfeldern auch 1985 fortgesetzt hat. Im Jahre 1986 erreichten die Bodenkennwerte der Überflutungsstandorte jedoch praktisch die Durchschnittswerte des Rasterprogramms (s. Tabelle 74). Noch immer vorhandene Abweichungen davon sollten mit Unterschieden in der Bodenart im Zusammenhang stehen.
Diese Untersuchungen zeigen, daß solche Veränderungen von Bodenkennwerten innerhalb einiger Jahre unter den Bedingungen des Rieds auch ohne spezielle Maßnahmen des sie bewirtschaftenden Landwirts wieder regeneriert werden können (s. Kap. 12). Eine Beschleunigung dieses Regenerationsprozesses sollte jedoch durch die nun zu besprechenden kulturtechnischen Maßnahmen möglich sein. Um ein geeignetes Verfahren zu erarbeiten, wurden zwei Wege eingeschlagen, wobei auf ersteres der Schwerpunkt gelegt wurde.
a) Auswaschung überhöhter Na- und Cl-Konzentrationen im Boden nach vorheriger Kalkung, wobei die Zufuhr überhöhter Nitrat-Konzentrationen zum Grundwasser zu vermeiden ist, oder
b) Anbau halophiler Pflanzen mit hohem Akkumulationsvermögen für Natrium und Chlorid, um zu hohe Konzentrationen dieser beiden Ionen dem Boden zu entziehen.
Zu a) Ohne alle in diesem Zusammenhang durchgeführten Vorversuche zu besprechen, soll hier das vorzuschlagende Verfahren beschrieben werden. Es beruht auf einigen recht umfangreichen Gefäßversuchen (Tabelle 75) und einigen Vorversuchen im Feld (Tabelle 76).
Nach den bis zur Einstellung der Untersuchungen vorliegenden Erkenntnissen sah das Heilverfahren vor, auf den fraglichen Feldern im Winter Branntkalk (36 dt.ha-1 bei 60% CaO) auszubringen. Der Branntkalk erwies sich in vorher durchgeführten Gefäßversuchen mit verschiedenen Kalkdünger-Formen (Gips u.a.) als am wirksamsten zur Erreichung des angestrebten Ziels. Im Frühjahr ist dann Sommergerste (Gerste ist die am stärksten salztolerante Getreideart) vorgesehen, in die zur späteren Nitratentleerung des Bodens eine Weidelgras-Untersaat eingesät wird. Bei Beginn der Winterniederschläge sollen dann zur Na- und Cl-Auswaschung in den Untergrund ca. 200 mm Beregnungswasser (Grundwasser) innerhalb von 2-3 Tagen (je nach Bodenart) ausgebracht werden. Durch die Kalkgabe soll das im Boden sorbierte Natrium verdrängt, damit der Bodenlösung zugeführt und so der Auswaschung durch die hohe Beregnungswassergabe zugänglich gemacht werden. Das im Boden nur wenig sorbierte und damit leicht auswaschbare Chlorid würde dadurch ebenfalls aus der oberen Bodenschicht dem Untergrund zugeführt. Um einen Eintrag des auch nur relativ schwach im Boden gebundenen Nitrats in den Unterboden und damit eventuell in das Grundwasser zu verhindern oder doch stark abzuschwächen, ist die Weidelgras-Untersaat als Zwischenfrucht vorgesehen. Dieses Verfahren wurde zunächst in Gefäßvorversuchen überprüft.
Zur Prüfung dieses Verfahrens unter praxisorientierten Feldbedingungen wurde auf dem mittleren Boden der Parzelle VII (uS-lS) entsprechend Tabelle 76 zunächst eine künstliche Versalzung mit 164 g NaCl/m2 durch eine viermalige Gabe im Mai 1987 innerhalb von zwei Wochen vorgenommen (breitwürfige Ausbringung auf Durum-Weizen). Diese Salzmenge entspricht der höchsten in den Salinitätsversuchen verwendeten NaCl-Konzentration von 1656 mg.l-1 NaCl. Wie die im folgenden Oktober (1987) durchgeführten Bodenuntersuchungen ergaben (s. Tabelle 76), wurde damit eine EUF-extrahierbare Na-Konzentration von 11,1 mg.100g-1 Boden im Oberboden erreicht. Dieser Wert liegt oberhalb der aus den Modellrechnungen mit den Daten aus den Salinitätsversuchen (s. Kap. 12) hervor gegangenen Grenzwert von ca. 7 mg.100g-1 Boden für leichte und mittlere Böden und würde demnach die Anwendung eines solchen "Heilverfahrens" erfordern. Im Januar 1988 wurde die oben angeführte Kalkdüngung vorgenommen, worauf im März 1988 Sommergerste eingesät wurde, auf die dann die Untersaat-Einsaat folgte (s. Tabelle 76, Tabelle 77).
Im Herbst 1988 wurde die Untersaat mit der Pflugfurche untergebracht und im Februar 1989 wurden innerhalb von 2 Tagen 200 mm Grundwasser ausgebracht. Eine Verwendung der oberirdischen Pflanzenteile zu Futterzwecken wäre zu prüfen. Die daraufhin bis zu 1,50 m Tiefe entnommenen Bodenproben wurden nach den üblichen bodenchemischen Methoden untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in Tabelle 78 aufgeführt. Bei den Ergebnissen der Enduntersuchungen am 15.3. 1989 wurde deutlich, daß unabhängig von der CaO-Gabe der Nitrat-Gehalt im Profil bis auf 1.50m durch die Weidelgras- Untersaat deutlich reduziert war (s.a. Tabelle 77, S. I). Desgleichen war zu diesem Zeitpunkt der Na-Gehalt durch die vorhergehende Kalkung in den Profiltiefen 30-60 und 60-90cm deutlich abgesenkt, ohne daß in den tieferen Schichten (90-150cm) eine nennenswerte Erhöhung zu verzeichnen war. Das ganze Verfahren ist als Schema in Tabelle 79 nochmals zusammengefaßt. Der damit erzielte Erfolg war zufriedenstellend.
Zu b): Weiterhin wurde geprüft, wie weit über den Anbau halophiler Pflanzen auch ein im Boden vorhandenes Na- und Cl-Überangebot entfernt werden kann. Als Ergebnis einiger Vorversuche, in denen im Feld und in der Gefäßstation in Gießen verschiedene Chenopodiaceen auf ihre Eignung zum Anbau unter mitteleuropäischen Bedingungen geprüft wurden, kamen dann unter Praxisbedingungen die beiden Arten Salsola kali und Speisemelde (Atriplex ssp.) 1989 auf dem leichten Boden der Parzelle V zum Anbau (Tabelle 80). Dabei wurde der Na- und Cl-Entzug aus künstlich mit NaCl angereicherten Böden von Salz-Parzellen der einer normal belassenen Kontroll-Parzelle gegenübergestellt. Die ausgebrachte Salzmenge entsprach einer Beregnung von 120 mm bei 1050 mg NaCl/l. Während der Cl-Entzug von ca. 90 kg.ha-1 bei beiden Pflanzenarten als m.o.w. gleich anzusehen ist, war der Na-Entzug durch Atriplex bedeutend höher als durch Salsola und erreichte den Wert des Cl-Entzugs. Die Na-Aufnahme der Speisemelde entspricht etwa 50% der mit 120 mm Beregnungswasser bei einer Na-Konzentration von 150 mg.l-1 ausgebrachten Na-Menge. Die Speisemelde ist zwar eine auch in der Sortenliste aufgeführte Blattgemüsepflanze, jedoch sind deren Absatzchancen und damit deren wirtschaftliche Bedeutung als Gemüse gering, so daß dem zuerst beschriebenen Verfahren (Kombination aus Kalkung und Durchwaschen des Bodens) unter unseren Bedingungen der Vorzug gegeben werden sollte.