Fallstudie zur Bedeutung erhöhter Salzkonzentrationen im Beregnungswasser unter den humiden Bedingungen Mitteleuropas
Neumann, K.-H. und B. Pauler
Institut für Pflanzenernährung der Justus-Liebig-Universität Gießen
19. Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassend ist festzustellen, daß die in den langjährigen Salinitätsversuchen gewonnenen Ergebnisse bei den dem Rheinwasser entsprechenden Na- und Cl-Konzentrationen eine die Bodenfruchtbarkeit dauerhaft beeinträchtigende Salzakkumulation im Boden nicht zeigen. Wie die Versuche im Jahre 1992 jedoch erkennen lassen, sind zumindest einjährige Nachwirkungen überhöhter Salzgaben zu erwarten, wie dies auch schon die Untersuchungsergebnisse der Rheinüberflungsparzellen ergaben.
Bei der Beurteilung von Salzwirkungen auf den Boden sind jedoch natürlich bedingte, in einzelnen Jahren auftretende Schwankungen verschiedener Bodenkennwerte zu berücksichtigen. Aus der Applikation überhöhter Salzkonzentrationen mit dem Beregnungswasser resultierende Ertragsdepressionen, wie sie in einzelnen Versuchsjahren feststellbar waren, sollten eher auf die direkte Wirkung der in dem jeweiligen Jahr ausgebrachten Salzwasserberegnung zurückzuführen sein. Das Ausmaß solcher Ertragsdepressionen wird offenbar durch die Wechselwirkungen zwischen dem nach der Beregnung einsetzenden Witterungsverlauf und dem jeweiligen Entwicklungszustand der beregneten Pflanzen beeinflußt (s. Kap. 11). Damit spielt in erster Linie die Niederschlagsverteilung eine Rolle, wobei bei starken Regenfällen auch während der Vegetationsperiode Na und Cl in tiefere Bodenschichten mit der Ausbildung von Versalzungshorizonten verlagert werden können, in denen es zu einer Beeinträchtigung der Wurzelentwicklung mit negativen Einflüssen auf die Ertragsbildung der beregneten Pflanzen kommen kann. Demnach sollte bei der Verregnung von aufbereitetem Rheinwasser bei der Erreichung pflanzenphysio- logisch bedingter Grenzkonzentrationen Grundwasser dem Beregnungswasser beigemischt werden. Die Grenzwerte sind in den einzelnen Jahren jedoch verschieden. Als generelle Richtwerte können 80 mg/l Natrium und 150 mg/l Chlorid angenommen werden.
Ausgehend von den Feststellungen, daß die Wirkung erhöhter Salzzufuhr auf den Ertrag in einzelnen Jahren durch die Frühjahrswerte der Bodenuntersuchungen immer wieder anderer (auf einzelnen Standorten auch verschiedene) Faktoren bedingt ist, ist folgendes zu berücksichtigen:
Durch die vor der Bearbeitung und Aussaat im Frühjahr ermittelten Werte für die bodenchemischen Faktoren und die Ende April/Anfang Mai gewonnenen bodenphysikalischen Daten wird lediglich das Ertragspotential des betreffenden Jahres erfaßt.
Diese Werte hängen von der Vorfrucht (und anderen Faktoren der Bewirtschaftung) des Vorjahres und dem Witterungsverlauf während der vorheringen Herbst-/Winterperiode ab.
Die Realisierung des durch die Bodenuntersuchungen ermittelten Ertragspotentials wird durch den Witterungsverlauf der jeweiligen Vegetationsperiode bestimmt, wobei neben Witterungseinflüssen auf Bodenfaktoren auch der daraus resultierende Entwicklungsverlauf der angebauten Pflanzenarten zu berücksichtigen ist.
Entscheidend für die Beurteilung der Wirkung salzhaltigem Wassers für die Ertragsbildung ist der Zeitpunkt der erforderlichen Beregnung als Folge des Witterungsverlaufes. Wie bereits beschrieben, ist die Empfindlichkeit auf erhöhte Salzzufuhr in einzelnen Stadien der Entwicklung der angebauten Pflanzenarten verschieden. Da sowohl der Zeitpunkt des Beregnungsbedarfs als auch die Niederschläge unmittelbar nach der Salzwasserberegnung sowie der Entwicklungsverlauf der Pflanzen witterungsabhängig sind, kommt offenbar dem Witterungsverlauf des betreffenden Jahres eine zentrale Bedeutung für die Beurteilung der Zufuhr überhöhter NaCl-Konzentrationen für den Ertrag zu.
Darin liegt die Schwierigkeit der Beurteilung der Wirkung von Beregnungswasser mit überhöhten Salzkonzentrationen im humiden Klima wie dem Hessischen Ried im Vergleich zu den subtropischen Trockengebieten mit einer m.o.w. festliegenden Regenzeit, die zwar unterschiedlich ergiebig oder auch für variable Zeiträume ganz ausfallen kann (z.B. Monsungebiete in Indien), aber doch zu annähernd vorhersehbaren Zeiten im Verlaufe des Jahres eintritt. Auch entspricht unter solchen Bedingungen der Entwicklungsverlauf der Pflanzen eher langjährigen Mittelwerten.
Obwohl unter den klimatischen Bedingungen des Hessischen Rieds auch bei hohen Salzapplikationen langfristig keine Akkumulation von Natrium und Chlorid beobachtet wurde, konnten langfristig sich kontinuierlich aufbauende Korrelationstendenzen zwischen der ausgebrachten Salzkonzentration und verschiedenen Bodenparametren wie z.B. der Krümelstabilität, in diesem Falle mit negativem Vorzeichen, festgestellt werden. Als Erklärung wird angenommen, daß sich durch mehrjährige Zufuhr von hohen NaCl-Konzentrationen eine an diese Bedingungen angepaßte Bodenflora entwickelt und schließlich dominiert, in deren Gefolge dann die in einem "gesunden" Boden vorhandene, eine hohe Krümelstabilität fördernde Mikrobenpopulation zurückgedrängt wird. Daraus könnte dann eine Erklärung für die gleichzeitig feststgestellte positive Tendenz zu einer engen Korrelationsentwicklung des Bodenwassergehaltes im Frühjahr abgeleitet werden usw.
Die Frage nach der Ausbildung von Versalzungshorizonten während der Vegetationszeit, deren Einfluß auf die Wurzelentwicklung und die Beziehung zwischen der Beeinträchtigung der Wurzelentwicklung, dem jeweiligen Entwicklungszustand der beregneten Pflanzenarten und Ertragsdepressionen sollte vor einer Verallgemeinerung der obigen Vorstellungen durch gezielte Versuche noch näher erfaßt und charakterisiert werden.
Ausgehend von den auch in den Salinitätsversuchen nur bedingt simulierbaren Wirkung des durch einen für die Pflanzenproduktion ungünstigem Verhältnisses der Konzentrationen von Na zu den beiden zweiwertigen Kationen Ca und Mg des aufbereitetem Rheinwassers und den oben dargestellten Beziehungen zwischen der Niederschlagsverteilung und dem Entwicklungszustand der damit beregneten Pflanzenarten empfielt es sich, weitere vergleichende Untersuchungen über die Ertragsbildung bei Rheinwasserverregnung durchzuführen. Dabei auftretende Abweichungen im Rheinwasser-Versuchsglied von der Kontrollparzelle mit Brunnenwasser sollten nach dem oben angeführten Beweissicherungsverfahren überprüft und bewertet werden. Schließlich ist der betroffene Landwirt ohne dazugehörige Vergleichsparzelle nicht in der Lage, eventuelle Ertragsdepressionen von 10-15 % zu erkennen.
Bei den mit dem Rheinwasser als Beregnungswasser dem Boden zugeführten Salzkonzentrationen und den vorgegebenen Konzentrationsverhältnissen befinden wir uns in einem Bereich, der als Grenzsituation bezeichnet werden kann. Während in tropischen und subtropischen Gebieten, wie z.B. in Rajasthan (Indien), in denen auch die Salinität der Böden und der Bewässerungswässer eine zentrale Rolle spielen, Ertragsrückgänge in der oben angeführten Größenordnung nur von untergeordneter Bedeutung sind (man will einfach überleben), sind solche Ertragsdepressionen für unsere Bauern von zentraler Bedeutung für die Fortführung ihrer Betriebe.