Fallstudie zur Bedeutung erhöhter Salzkonzentrationen im Beregnungswasser unter den humiden Bedingungen Mitteleuropas
Neumann, K.-H. und B. Pauler
Institut für Pflanzenernährung der Justus-Liebig-Universität Gießen
2.) Fragestellung und Versuchsaufbau
Ausgangspunkt für die von uns durchgeführten Untersuchungen zur Verregnung von aufbereitetem Rheinwasser waren von anderer Seite durchgeführte Modellrechnungen, nach denen unter besonderen Witterungsbedingungen als Folge einer Cl-Anreicherung im Boden bei Rheinwasserverregnung bei empfindlichen Kulturen Ertragsdepressionen von 10-15 % für möglich gehalten wurden.
Nach allem, was bisher zur Qualität von Beregnungswasser bekannt ist, sind bei der Verregnung von Rheinwasser vier Risikobereiche zu berücksichtigen, die in
Übersicht 1 zusammengefaßt sind. In dieser Zusammenstellung sind nur die aus der Sicht der pflanzlichen Produktion relevanten Bereiche aufgeführt:Es handelt sich dabei erstens um organische Komponenten, die entweder im Sinne von Wuchsstoffen oder Herbiziden einen Einfluß auf die Entwicklung und Ertragsbildung der Pflanzen ausüben, oder um pflanzenphysiologisch irrelevante organische Substanzen mit humantoxischer Wirkung, die nach Akkumulation in den Ernteorganen der Pflanzen eine Beeinträchtigung der Qualität des Erntegutes nach sich ziehen. Ein Beispiel dafür ist das HCH. Obwohl durch den Prozeß der Wasseraufbereitung der Gehalt an organischen Komponenten im Rheinwasser zu über 90% entfernt werden kann, ergibt jedoch eine Berechnung des Konzentrations-/Wirkungsbereichs von Wuchsstoffen und Herbiziden, daß diese Restmenge in Form der einen oder anderen Substanz ausreichen würde, einen den Ertrag senkenden Einfluß auf die pflanzliche Entwicklung auszuüben. Dies gilt insbesondere dann, wenn solche Substanzen im Boden nur verzögert abgebaut würden und damit akkumulieren könnten. Die in einigen Jahren beobachtete Halmverkürzung bei Sommerweizen nach Rheinwasserverregnung könnte für das Vorkommen solcher Substanzen sprechen. Erinnert sei hier an die halmverkürzende Wirkung von CCC (Chlorcholinchlorid), das in der landwirtschaftlichen Praxis in großen Umfang im Weizenanbau eingesetzt wird.
Ein zweiter Risikobereich sind die Schwermetalle, die zwar in z.T. sehr geringen Konzentrationen in der Bodenlösung auch toxische Wirkungen auf Pflanzen haben und damit eine Ertragsbeeinträchtigung bewirken können. Als mehrwertige Kationen werden sie jedoch sehr schnell von den Bodenkolloiden gebunden und damit aus der Bodenlösung entfernt. Bevor in den Pflanzen phytotoxische Konzentrationen erreicht werden, liegt der Gehalt der Ernteprodukte für einige dieser Elemente bereits im humantoxischen Bereich, woraus sich dann auch hier eine Beeinträchtigung der Qualität des Erntegutes und damit dessen Vermarktungsfähigkeit ergibt. Als Beispiel sei hier das Cadmium angeführt.
Ähnlich verhält es sich mit dem Gehalt an Radionukliden im Rheinwasser. Die in allen Versuchsjahren ermittelten Radioaktivitätswerte (
Schließlich bleibt der Salzgehalt des Rheinwassers, dem unter den Gesichtspunkten der Bodenfruchtbarkeit und der pflanzlichen Ertragsbildung die größte Bedeutung zukommt. Grundsätzlich gilt, daß alles Beregnungswasser, sei es Grund- oder Oberflächenwasser, bei der Beregnung dem Boden Salze zuführt. Es hängt dann von der Drainfähigkeit des Standortes und vom Umfang und der Verteilung der natürlichen Niederschläge ab, wie weit eine Salzakkumulation im Boden mit den sich daraus ergebenden negativen Konsequenzen für die Bodenstruktur und die pflanzliche Ertragsbildung eintritt. In den niederschlagsarmen subtropischen Gebieten, wie z.B. in Ägypten, gilt die Faustregel: ohne Drainage ca. 1-1,50 m unterflur, keine Bewässerung. Ein sehr wichtiger Faktor ist schließlich noch die anorganische Zusammensetzung des Beregnungswassers, wobei insbesondere dem Konzentrationsverhältnis von Natrium zu Magnesium und besonders zu Calcium eine wichtige Rolle zukommt (s. Kap. 12).
Von den im Rheinwasser vorkommenden Ionen kam in erster Linie Natrium und Chlorid eine zentrale Bedeutung zu. Durch eine erhöhte Zufuhr dieser beiden Ionen zum Boden werden vor allem folgende Parameter der Bodenfruchtbarkeit und der Ertragsbildung beeinflußt:
die chemische Zusammensetzung des Ionnenbelages der Bodenkolloide mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Nährstoffdynamik;
das Nährstoffverhältnis in der Bodenlösung;
der osmotische Druck der Bodenlösung (Wasserpotential);
die Bodenstruktur (Krümelstabilität, Porenvolumen, Porengrößenverteilung);
physiologisch-toxische Konzentrationen mit negativen Auswirkungen auf die pflanzliche Ertragsbildung.
Der generell unter humiden Bedingungen als noch wenig bedenklich zu betrachtende Salzgehalt des Rheinwassers könnte erst unter den klimatischen Bedingungen des mittleren Hessischen Rieds mit geringen Niederschlägen und daraus sich ergebender geringer Salzauswaschung bei relativ hoher Jahresdurchschnittstemperatur zum Risikofaktor werden. Die Bedeutung des Salzgehaltes im Rheinwasser für die Bodenfruchtbarkeit und die pflanzliche Ertragsbildung wird demnach vom Verlauf der jeweiligen Jahreswitterung abhängen, und negative Wirkungen der Zufuhr überhöhter Na-Konzentrationen sollten, wenn überhaupt, dann vor allem auf langfristigen Akkumulationseffekten beruhen. Die Bedeutung der Zufuhr überhöhter Konzentrationen des im Boden leicht beweglichen Chlorids wären dagegen in erster Linie unter pflanzenphysiologischen Gesichtspunkten im Ausbringungsjahr zu sehen (s.a.
Tabelle 2 u. Abbildung 1). In Gefäßversuchen unter Verwendung eines mittleren Sandbodens traten nach Applikation der jeweiligen Na-Salze Schäden durch überhöhte Cl-Konzentrationen im Gießwasser stärker in Erscheinung als bei überhöhten Sulfat-Konzentrationen.Die weiter unten zu beschreibenden Feldversuche, die den Hauptteil der Untersuchungen darstellten, wurden von einigen Gefäß- und Laboruntersuchungen begleitet, bzw. wurden Voruntersuchungen durchgeführt, die gleichzeitig auch als Modellversuche für die Feldversuche dienen sollten.
Ausgehend von den bisher beschriebenen Voraussetzungen und den Ergebnissen der Voruntersuchungen gliederten sich die Hauptuntersuchungen in folgende Teilfragestellungen:
Ist-Zustandsaufnahme vor der Verwendung von aufbereitetem Rheinwasser als Beregnungswasser;
Grenzwertermittlungen für die Na- und Cl-Konzentrationen im Rheinwasser als Beregnungswasser;
Erstellung eines Beweissicherungsverfahrens zur Feststellung von eventuellen künftigen Rheinwassereinflüssen auf Bodenfruchtbarkeit und Ertragsbildung;
Ausarbeitung und Erprobung eines "Heilverfahrens" bei eventuell auftretenden Schäden.
Zur Bearbeitung dieser Fragestellungen wurde im Jahre 1980 in Gernsheim-Allmendfeld ein Versuchsbetrieb eingerichtet. Ausgehend von diesem Betrieb, "Riedfeld" genannt, wurden Untersuchungen durchgeführt, die sich in zwei Teile gliederten. Im ersten Teil (Parzellenprogramm) wurden zunächst 23 Parzellen auf acht zwischen Gernsheim und Eschollbrücken gelegenen Standorten (I–X, s.
Abbildung 2), so weit unter praktischen Gesichtspunkten möglich, von uns selbst einheitlich bewirtschaftet (Bodenbearbeitung, Düngung, angebaute Sorten, Fruchtfolge, Pflege, Herbizid-, Insektizid- und Fungizideinsatz, Beregnungsumfang und -verfahren usw.), wobei drei Versuchsglieder angelegt wurden. Neben einem unberegneten Versuchsglied wurde eines als mit Grundwasser und eines als mit aufbereitetem Rheinwasser zu beregnendes Versuchsglied vorgesehen (s. Abbildung 3). Da durch die Verzögerung der Fertigstellung des Wasseraufbereitungswerkes in Biebesheim erst im Versuchsjahr 1990 aufbereitetes Rheinwasser in einer Ringleitung zur Verfügung stand, wurde die Variante mit Rheinwasserverregnung der Parzellen I - IX zunächst ebenfalls mit Grundwasser, das über eine Ringleitung bis dahin zur Verfügung stand, beregnet. Erst von diesem Jahr an konnte aufbereitetes Rheinwasser ausgebracht werden. Im Jahre 1990 standen dagegen nun in den meisten Fällen Grundwasserbrunnen noch nicht zur Verfügung, so daß der bei den Untersuchungen vorgesehene Vergleich zwischen aufbereitetem Rheinwasser und Grundwasser nur in den bis zum Ende der Untersuchungen verbliebenen Jahren 1991 und 1992 auf allen Standorten durchgeführt werden konnte. Danach wurden die Untersuchungen eingestellt.Lediglich auf der rheinnahen Parzelle X kam seit Versuchsbeginn im Jahre 1980 auf dem für die Beregnung mit aufbereitetem Rheinwasser vorgesehenen Versuchsglied Rheinrohwasser aus der "fließenden Welle" als Beregnungswasser zur Anwendung.
Der ursprünglichen Versuchsfragestellung gemäß sollte dieser erste Versuchsteil während einer fünfjährigen Zeitspanne nach Bereitstellung aufbereiteten Rheinwassers über eine Ringleitung der Ermittlung der Wirkung dieses Beregnungswassers unter, soweit möglich, identischen Bewirtschaftungsbedingungen im Vergleich zum bisher von den Bauern verwendeten Grundwasser dienen. Die dabei gewonnenen Ergebnisse sollten quasi zur Eichung der Beurteilungskriterien der im zweiten Teil (s.u.) erzielten Ergebnisse und Feststellungen verwendet werden. Dafür reicht ein nur zweijähriger Versuchszeitraum jedoch nicht aus, so daß die hier erzielten Ergebnisse in erster Linie als Teil der noch zu beschreibenden Ist-Zustandsaufnahme zu betrachten sind, für die jedes zusätzliche Versuchsjahr nur positiv bewertet werden kann.
Im zweiten Teil der Untersuchungen (Rasterprogramm) wurden auf rasterartig über den Raum zwischen Biebesheim und Hahn gelegenen Kontrollpunkten (ursprünglich 31 Standorte, s.
Abbildung 2) sowohl Ertragsermittlungen als auch Untersuchungen zur Charakterisierung der Standort-Bodenfruchtbarkeit (Bodenstruktur, Nährstoffdynamik etc., s. Kap. 11) durchgeführt. Hier erfolgte die Bewirtschaftung durch die Landwirte in der ortsüblichen Form. Da bis 1990 auch hier aufbereitetes Rheinwasser nicht zur Verfügung stand, wurde auch auf diesen Flächen nur Grundwasser aus der Ringleitung als Beregnungswasser ausgebracht. Durch diese Untersuchungen wurde ein sehr viel breiteres Spektrum von Bodenarten und Bewirtschaftungsformen erfaßt, als dies bei den von uns selbst bewirtschafteten Flächen im ersten Untersuchungsteil der Fall war, was insbesondere zur Beurteilung der Wirkung des aufbereiteten Rheinwassers nach dem später zu besprechenden, von uns im Laufe der Untersuchungen erstellten Beweissicherungsverfahren von Bedeutung sein wird (s. Kap. 14). Der ursprünglichen Versuchsanstellung nach sollten dann durch einen Vergleich eventuell gegenüber dem Rasterprogramm nachweisbare Veränderungen der Bodenstruktur oder beispielsweise des Wasserpotentials nach der Verwendung des aufbereiteten Rheinwassers mit den Daten aus dem Parzellenprogramm bewertet werden.Erhebungen des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung in Wiesbaden ergaben, daß die von uns ausgewählten Standorte als repräsentativ für das mittlere Hessische Ried betrachtet werden können. Im Laufe der Jahre sind einige der Rasterpunkte durch Überbauung oder anderweitige Nutzung (z.B. Reiterhof an der Sauweide) oder auch die Parzellen VI und VIII aus dem Versuchssystem entfallen. Bis zum Ende der Untersuchungen im Jahre 1992 waren noch 24 Rasterpunkte in Bearbeitung.
Im Februar 1980 wurden für das Parzellenprogramm (Versuchsteil 1) zunächst ca. 6 ha Ackerfläche (in den folgenden Jahren um ca. 1,5 ha erweitert) in den Gemarkungen Gernsheim, Allmendfeld und Crumstadt gepachtet, von denen 4 ha auf 8 Standorten für die "Exaktversuche" (Parzellenprogramm, einschließlich Wegen, Sicherheitsabstand zwischen den Versuchsparzellen und den von den Verpächtern weiter bewirtschafteten Flächen; auch zwischen den einzelnen Versuchsparzellen sind Sicherheitsabstände notwendig) verwendet wurden. Die verbleibenden ca. 3,5 ha dienten als Reserveflächen für zusätzlich auftretende Fragestellungen, von denen die erst später eingerichteten Salinitätsversuche angeführt werden sollen. Hier wurden auch die von uns verwendeten Methoden der Probenahme zur Ertragsermittlung auf den Versuchsparzellen am großflächigen Anbau bei einigen Pflanzenarten überprüft und, soweit möglich, geeicht.
Die Bewirtschaftung der Flächen erfolgte durch beim Institut für Pflanzenernährung angestelltes Personal mit von uns beschafften Geräten. Für die grobanalytische Auswertung, die Trocknung des Erntegutes usw. erwies sich die Einrichtung eines Feldlabors als dringend notwendig. Zum 1.5.1980 wurde daraufhin in Allmendfeld der ehemalige Kindergarten einschließlich Nebenräumen und Garten (für Gefäßversuche, zum Abstellen von landwirtschaftlichen Geräten u.ä.) gepachtet und mit den erforderlichen Geräten funktionsfähig eingerichtet.