Wertigkeit von A1- und A2-Antikörpern gegen ß-Casein beim Typ 1-Diabetes mellitus
Zusammenfassung
Im Zusammenhang mit dem insulinpflichtigen juvenilen Diabetes mellitus
Typ 1 gewinnen in den letzten Jahren zunehmend Änderungen der Ernährungsgewohnheiten
an Bedeutung. In zahlreichen Studien wurden verschiedene Bestandteile der
Kuhmilch als möglicher Umweltfaktor bezüglich der Pathogenese
des Typ 1-Diabetes mellitus untersucht.
Für das Milchprotein Casein lagen bisher noch keine größeren
Untersuchungen zur Wertigkeit hinsichtlich Ätiologie, Prävalenz
und Pathogenese des Diabetes mellitus vor.
In der vorliegenden Arbeit wurden erstmals in einer so groß angelegten
Studie wie dieser Antikörper gegen die häufigsten genetischen
Varianten des [beta]-Caseins bestimmt. Die Grundlage hierzu bildeten
Serumproben der Giessen / Bad Oeynhausen Studie, einer prospektiven Familienstudie.
Insgesamt wurden 1257 Seren von 287 Typ 1-Diabetikern, 386 Geschwistern
und 477 Elternteilen auf die Anwesenheit von [beta]-Casein A1-
und A2-Antikörpern untersucht. Das
Kontrollkollektiv bestand aus 107 gesunden Probanden, die keine positive
Diabetes-Familienanamnese aufwiesen.
Neben den Unterschieden in der Höhe der Antikörpertiter wurde
auch die unterschiedliche Bindung der [beta]-Casein-Antikörper
an die A1- bzw. A2-Variante zwischen den vier Gruppen analysiert.
Durchgeführt wurden die Untersuchungen mittels eines ELISA.
Eine wesentliche Abhängigkeit bestand bezüglich der Casein-Antikörperkonzentrationen.
Die Typ 1-Diabetiker hatten die höchsten [beta]-Casein A1-
und A2-Antikörperkonzentrationen, während bei der Kontrollgruppe
die niedrigsten Werte gemessen wurden. Dazwischen lagen die Geschwister,
die niedrigere Konzentrationen als die Diabetiker, aber höhere als
ihre Eltern aufwiesen. Es wurde weiterhin eine eindeutige Altersabhängigkeit
von [beta]-Casein A1- und A2- Antikörpern festgestellt.
Für alle vier untersuchten Gruppen waren hohe Werte streng mit niedrigem
Lebensalter korreliert. Diese Beobachtung war statistisch hoch signifikant.
Während keine Korrelation mit der Dauer der Erkrankung demonstriert
werden konnte, war aber die Antikörperhäufigkeit streng signifikant
korreliert mit dem Manifestationsalter. Es zeigten sich höhere Antikörpertiter
bei Diabetikern, deren Erkrankung sich in jüngeren Jahren manifestierte.
Weder Casein A1- noch A2-Antikörper waren mit dem Geschlecht,
mit ICA oder IAA korreliert. Bei Betrachtung der [beta]-Casein A1-
und A2-Antikörper zwischen den verschiedenen Gruppen unterscheiden
sich Diabetiker von ihren Eltern und Kontrollpersonen hoch signifikant
bzw. signifikant. Ebenso unterscheiden sich die Geschwister verglichen
mit ihren Eltern und Kontrollpersonen hoch signifikant bzw. signifikant.
Im Gegensatz dazu war zwischen Diabetikern und ihren Geschwistern sowie
zwischen Eltern und Kontrollpersonen statistisch kein Unterschied bezüglich
der [beta]-Casein A1- und A2-Antikörperkonzentrationen
nachweisbar. Bei einem qualitativen Vergleich der [beta]-Casein A1-
mit den A2-Antikörpern fanden sich bei Typ 1-Diabetikern und
ihren Geschwistern vermehrt A1-Antikörper. Im Gegensatz hierzu
waren in den Seren der Eltern und Kontrollpersonen vermehrt Antikörper
gegen die A2-Variante nachzuweisen. Die präferentielle Bindung
der Seren an die eine oder andere Variante des Caseins war bei einem Vergleich
aller vier Gruppen statistisch hoch signifikant (p < 0.001).
In einem näheren Zusammenhang mit dem insulinpflichtigen Diabetes
mellitus scheint die A1-Variante des ß-Caseins zu stehen.
Auf der anderen Seite könnte der A2-Variante eher eine protektive
Rolle zugesprochen werden.
Zusammenfassend wurde in dieser Studie der in der Literatur beschriebene
Zusammenhang zwischen Kuhmilch und Diabetes durch Bestimmung der Antikörper
gegen die häufigsten genetischen Varianten des [beta]-Caseins
näher untersucht. Es konnte gezeigt werden, daß [beta]-Casein
A1 ein mögliches potentielles Antigen in der Pathogenese des Diabetes
darstellt.
Weitere Untersuchungen sind jedoch noch notwendig, um die pathogenetischen
Erklärungsmodelle dieser Studie weiterzuverfolgen bzw. bestätigen
zu können.
Die Ergebnisse dieser Familienstudie lassen es in der Zusammenschau
mit den Literaturdaten als sinnvoll erscheinen, in Familien mit einer Prädisposition zur Typ 1-Diabetesentwicklung die Stillzeit bei Neugeborenen möglichst lange auszudehnen und den Beginn des Kuhmilchersatzes zu verzögern.
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