Silvia Seebaum

Wertigkeit von A1- und A2-Antikörpern gegen ß-Casein beim Typ 1-Diabetes mellitus

Zusammenfassung

Im Zusammenhang mit dem insulinpflichtigen juvenilen Diabetes mellitus Typ 1 gewinnen in den letzten Jahren zunehmend Änderungen der Ernährungsgewohnheiten an Bedeutung. In zahlreichen Studien wurden verschiedene Bestandteile der Kuhmilch als möglicher Umweltfaktor bezüglich der Pathogenese des Typ 1-Diabetes mellitus untersucht.
Für das Milchprotein Casein lagen bisher noch keine größeren Untersuchungen zur Wertigkeit hinsichtlich Ätiologie, Prävalenz und Pathogenese des Diabetes mellitus vor.
In der vorliegenden Arbeit wurden erstmals in einer so groß angelegten Studie wie dieser Antikörper gegen die häufigsten genetischen Varianten des [beta]-Caseins bestimmt. Die Grundlage hierzu bildeten Serumproben der Giessen / Bad Oeynhausen Studie, einer prospektiven Familienstudie. Insgesamt wurden 1257 Seren von 287 Typ 1-Diabetikern, 386 Geschwistern und 477 Elternteilen auf die Anwesenheit von [beta]-Casein A1- und A2-Antikörpern untersucht. Das
Kontrollkollektiv bestand aus 107 gesunden Probanden, die keine positive Diabetes-Familienanamnese aufwiesen.
Neben den Unterschieden in der Höhe der Antikörpertiter wurde auch die unterschiedliche Bindung der [beta]-Casein-Antikörper an die A1- bzw. A2-Variante zwischen den vier Gruppen analysiert. Durchgeführt wurden die Untersuchungen mittels eines ELISA.
Eine wesentliche Abhängigkeit bestand bezüglich der Casein-Antikörperkonzentrationen. Die Typ 1-Diabetiker hatten die höchsten [beta]-Casein A1- und A2-Antikörperkonzentrationen, während bei der Kontrollgruppe die niedrigsten Werte gemessen wurden. Dazwischen lagen die Geschwister, die niedrigere Konzentrationen als die Diabetiker, aber höhere als ihre Eltern aufwiesen. Es wurde weiterhin eine eindeutige Altersabhängigkeit von [beta]-Casein A1- und A2- Antikörpern festgestellt. Für alle vier untersuchten Gruppen waren hohe Werte streng mit niedrigem Lebensalter korreliert. Diese Beobachtung war statistisch hoch signifikant.
Während keine Korrelation mit der Dauer der Erkrankung demonstriert werden konnte, war aber die Antikörperhäufigkeit streng signifikant korreliert mit dem Manifestationsalter. Es zeigten sich höhere Antikörpertiter bei Diabetikern, deren Erkrankung sich in jüngeren Jahren manifestierte.
Weder Casein A1- noch A2-Antikörper waren mit dem Geschlecht, mit ICA oder IAA korreliert. Bei Betrachtung der [beta]-Casein A1- und A2-Antikörper zwischen den verschiedenen Gruppen unterscheiden sich Diabetiker von ihren Eltern und Kontrollpersonen hoch signifikant bzw. signifikant. Ebenso unterscheiden sich die Geschwister verglichen mit ihren Eltern und Kontrollpersonen hoch signifikant bzw. signifikant.
Im Gegensatz dazu war zwischen Diabetikern und ihren Geschwistern sowie zwischen Eltern und Kontrollpersonen statistisch kein Unterschied bezüglich der [beta]-Casein A1- und A2-Antikörperkonzentrationen nachweisbar. Bei einem qualitativen Vergleich der [beta]-Casein A1- mit den A2-Antikörpern fanden sich bei Typ 1-Diabetikern und ihren Geschwistern vermehrt A1-Antikörper. Im Gegensatz hierzu waren in den Seren der Eltern und Kontrollpersonen vermehrt Antikörper gegen die A2-Variante nachzuweisen. Die präferentielle Bindung der Seren an die eine oder andere Variante des Caseins war bei einem Vergleich aller vier Gruppen statistisch hoch signifikant (p < 0.001).
In einem näheren Zusammenhang mit dem insulinpflichtigen Diabetes mellitus scheint die A1-Variante des ß-Caseins zu stehen. Auf der anderen Seite könnte der A2-Variante eher eine protektive Rolle zugesprochen werden.
Zusammenfassend wurde in dieser Studie der in der Literatur beschriebene Zusammenhang zwischen Kuhmilch und Diabetes durch Bestimmung der Antikörper gegen die häufigsten genetischen Varianten des [beta]-Caseins näher untersucht. Es konnte gezeigt werden, daß [beta]-Casein A1 ein mögliches potentielles Antigen in der Pathogenese des Diabetes darstellt.
Weitere Untersuchungen sind jedoch noch notwendig, um die pathogenetischen Erklärungsmodelle dieser Studie weiterzuverfolgen bzw. bestätigen zu können.
Die Ergebnisse dieser Familienstudie lassen es in der Zusammenschau mit den Literaturdaten als sinnvoll erscheinen, in Familien mit einer Prädisposition zur Typ 1-Diabetesentwicklung die Stillzeit bei Neugeborenen möglichst lange auszudehnen und den Beginn des Kuhmilchersatzes zu verzögern.

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