Stefanie Bohlscheid-Thomas

Überprüfung der Reliabilität und Validität eines Fragebogens zu Ernährungsgewohnheiten für dessen Einsatz im deutschen Teil des EPIC-Projekts

Zusammenfassung

Hintergrund: Für den deutschen Beitrag zur EPIC-Studie (the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) wurde im deutschen Krebsforschungzentrum (Abteilung Epidemiologie) ein selbstausfüllbarer, maschinenlesbarer Fragebogen zu Ernährungsgewohnheiten, zur Erhebung der individuellen Lebensmittel- und Nährstoffzufuhr des vergangenen Jahres entwickelt. In der vorliegenden Arbeit wurde, entsprechend des EPIC-Studienprotokolls, die relative und absolute Validität, sowie die Reliabilität des Fragebogens untersucht. Neben dem ursprünglichen Ernährungsfragebogen wurde zusätzlich eine um die Verzehrshäufigkeiten korrigierte Fassung, im Hinblick auf ihre Validität getestet.

Methoden: Die Datenerhebung erfolgte in 1991 und 1992. Insgesamt nahmen 104 Männer und Frauen, fast ausschließlich Mitglieder der AOK-Heidelberg, im Alter von 35-64 Jahren, an der Validierungsstudie teil. Die Reliabilität wurde durch eine wiederholte Anwendung des Ernährungsfragebogens (in sechsmonatigem Abstand) getestet, während die relative Validität durch einen Methodenvergleich mit zwölf 24h-Recalls ermittelt wurde. Für die Überprüfung der abso-luten (biologischen) Validität wurden von jedem Teilnehmer zwei Blutproben entnommen und vier 24h-Urine gesammelt. Die Blutproben dienten zur Abschätzung der [alpha]-Tocopherol-, [beta]-Carotin- und Vitamin C-Zufuhr, während die Urinsammlungen zur Bestimmung der Stickstoffausscheidung (als Indikator der Eiweißzufuhr) verwendet wurden.

Ergebnisse: Die Lebensmittel- und Nährstoffzufuhr der Studienpopulation wird in der Regel durch den Fragebogen überschätzt, mit Ausnahme der Speisefette, deren Zufuhr stark unterschätzt wird. Besonders starke Überschätzungen zeigen Obst, Gemüse und Milchprodukte sowie Disaccharide, Ballaststoffe, Vitamin C, E und Carotin. Auch die individuelle Lebensmittel- und Nährstoffzufuhr ist von Verzerrungen betroffen, die in ihrer Richtung und in ihrem Ausmaß stark variieren. Eine unzureichende Validität auf Personenebene (charakterisiert durch eine große Fehlervarianz im Verhältnis zu einer geringen Heterogenität in der Nahrungsaufnahme zwischen den Teilnehmern) zeigen Gemüse, Kartoffeln, Fette und Soßen sowie Energie, Eiweiß, PUFA, Monosaccharide, Vitamin C, E und Carotin. Sowohl die 24h-Recalls als auch der Ernährungsfragebogen unterschätzen die wahre Eiweißzufuhr, verglichen mit der berechneten Eiweißzufuhr anhand der 24h-Urin-N-Ausscheidung. Die Validität der individuellen Eiweiß- und Vitaminzufuhr des Ernährungsfragebogens ist aufgrund des Biomarkervergleichs als unbefriedigend zu bewerten. Die Validität der 24h-Recalls ist für die [alpha]-Tocopherol- und Proteinzufuhr ebenfalls unbefriedigend, für die Vitamin C-Zufuhr mäßig und für die [beta]-Carotinaufnahme gut. Eine mangelnde Reliabilität zeigen Brot, sowie auf Nährstoffebene, Gesamtfett, MUFA, Monosaccharide, Polysaccharide und Vitamin C.
Die Überschätzungen durch den Fragebogen werden hauptsächlich durch zu große Portionsgrößen und nur selten durch falsche Häufigkeitsangaben verursacht. Desweiteren führt das Fragebogendesign durch die vielen Auswahlmöglichkeiten zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber zufälligen Erhebungsfehlern.
Die Korrektur der Verzehrshäufigkeiten reduziert in mäßigem Umfang die Fehlervarianz des Fragebogens und führt dadurch zu einer geringfügig besseren Validität. Dies gilt im besonderen Maße für die Nährstoffzufuhr.

Schlußfolgerung: Insgesamt betrachtet, besitzt der deutsche Ernährungsfragebogen (mit und ohne Häufigkeitskorrektur) sowohl auf Lebensmittel- als auch auf Nährstoffebene eine befriedigende Validität und Präzision. Die Validierungsstudie brachte erste Erfahrungen mit der Rekrutierung der Teilnehmer und lieferte neue Erkenntnisse über die Fehlerstruktur und das Fehlerausmaß des neuen Erhebungsinstrumentes. Desweiteren konnten Fehlerquellen (Schwachstellen) des Ernährungsfragebogens aufgedeckt werden, die zu einer Überarbeitung des Fragebogens führten. Die Kenntnisse über die Fehlerstruktur und über das Fehlerausmaß erlauben einen sinnvollen Umgang mit den aus dem Ernährungsfragebogen gewonnenen Verzehrsdaten.

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