Neurodermitis und Psychotherapie : eine retrospektive Studie zur Effektivität ambulanter Neurodermitis-Behandlung
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurde der Versuch unternommen, den Einfluß von Psychotherapie auf das Krankheitserleben und den Krankheitsverlauf von Patienten mit Neurodermitis zu erfassen.
An der Untersuchung nahmen 43 Patienten teil, wobei 23 Patienten eine Psychotherapie durchlaufen hatten, die 20 Patienten der Kontrollgruppe ausschließlich somatisch-dermatologisch behandelt wurden. Die psychotherapeutischen Behandlungen waren zum Untersuchungszeitpunkt mindestens ein Jahr abgeschlossen. Die somatische Behandlung umfaßte die gängigen schulmedizinischen Verfahren mit Externa, mit und ohne Cortison, Badezusätzen, homöopathischen Medikamenten und Aufenthalten im Reizklima, Entspannungsverfahren.
Die Patienten wurden mit Hilfe von standardisierten Fragebögen zur Krank-heitsverarbeitung (MHF), zur Lebenszufriedenheit (FLZ), Neurodermitis-Fragebogen, zur Zufriedenheit mit der Behandlung (ZUF), zum Juckreiz, ebenso wurde der standardisierte Fragebogen zum Erleben und des Verhaltens (VEV) sowie der Life-Event-Fragebogen zur Untersuchung verwendet. Offensichtlich sind die mit Psychotherapie behandelten Patienten eher in der Lage, den Juckreiz-Kratzzirkel zu durchbrechen. Die untersuchten Faktoren des Erlebens und Verhaltens zeigten hochsignifikant positive Tendenz in den Aspekten Entspannung, Optimismus und Gelassenheit. Ein Ergebnis der mit Psychotherapie behandelten Patientengruppe zeigte sich darin, daß diese offensichtlich mehr Behandlungsformen ausprobieren z.B. homöopathische Behandlung, Autogenes Training und andere Entspannungsverfahren.
In den Ergebnissen zeigte sich bezüglich der Sozialdaten z.B. Beruf, Schulabschluß, Berufsausbildung und Familienstand keine Unterschiede. In der Erstmanifestation der Erkrankung ergaben sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Aus dem Neurodermitis-Anamnesebogen war zu entnehmen, daß Patienten mit Psychotherapie offensichtlich mehr alternative Behandlungsformen ausprobieren als die Kontrollgruppe. Weiter abgefragt wurden Verordnungen, Arztbesuche, Krankschreibungen und stationäre Aufenthalte. Auch hier ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Die Patienten der Kontrollgruppe zeigten deutlich bessere Werte in der Krankheitsverarbeitung als die Eichstichprobe, so daß von einer eher positiven Selektion der somatisch behandelten Patienten ausgegangen werden muß.
Bezüglich der Lebenszufriedenheit waren die Psychotherapie-Patienten deutlich zufriedener mit ihren Kindern, aber unzufriedener mit ihrer finanziellen Situation als die Kontrollgruppe. Dagegen ergaben sich bezüglich Freundschaft, Ehe, Beruf und Sexualität keine wesentlichen Unterschiede. Die unter-suchten Verhaltensaspekte der Krankheitsbewältigung im MHF waren nicht signifikant unterschiedlich. Die Gruppe der Psychotherapie-Patienten gaben deutlichere Zufriedenheit nach der Behandlung als die Kontrollgruppe an. Auffallend war, daß Psychotherapie-Patienten hinsichtlich der kritischen Lebensereignisse deutlich mehr Lebensereignisse und auch kritischere Lebenssituationen angeben als die ausschließlich somatisch behandelte Kontrollgruppe.
Es zeigt sich, daß die Psychotherapiebehandlung eine Verarbeitungsmöglichkeit der psychischen Belastungen, die durch die Neurodermitis ausgelöst wird, durchaus beeinflussen kann. Um diesen Aspekt noch genauer zu untersuchen, ist möglicherweise die Zahl der Patienten in dieser Studie nicht ausreichend gewesen, da sich Trends abzeichnen, die jedoch statistisch nicht signifikant waren. Eine prospektive Studie im Prä-post-vergleich wäre daher sinnvoll.
Kontakt: geb@bibsys.uni-giessen.de, 11.03.2003
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