Die Wunderkritik Immanuel Kants
Zusammenfassung
Die Problematik übernatürlicher Eingriffe in den gesetzesartigen Ablauf der Natur hat nicht nur Theologen sondern auch Naturphilosophen und Erkenntnistheoretiker immer wieder beschäftigt. Diese Frage ist nicht erst in der heutigen Diskussion entstanden. Sie hat tiefe Wurzeln, die bis in die Antike zurückreichen. Aber ihre moderne Gestalt stammt aus der Anfangszeit der modernen Naturphilosophie im 17. und 18. Jahrhundert. Als der prägende Philosoph der deutschen Aufklärung hat sich Immanuel Kant der von der jüdischen und christlichen Theologie immer bejahten Möglichkeit eines göttlichen Eingriffes in die realen Prozesse der Welt entschieden widersetzt. Merkwürdigerweise hat aber seine Analyse bisher wenig Beachtung gefunden. Daher liegt es nahe, die Wunderkritik Kants zum Gegenstand einer systematischen Studie zu machen. Ziel dieser Arbeit ist aber nicht nur die historischen Abhängigkeiten und die zeitgenössische Begriffsgeschichte zu analysieren, sondern auch die Kant'sche Argumentation für die moderne Auseinandersetzung und das Problem des Naturalismus versus Theismus aufzuschließen.
Kant hat seine Verpflichtung gegenüber dem schottischen Skeptiker, David Hume offen zugegeben. So wird in einem ersten Teil Hume's Erkenntnistheorie im Hinblick auf dessen Betrachtungen über Wunder im zehnten Abschnitt seiner Untersuchungen über den menschlichen Verstand aufbereitet.
Das leitet über zu Kant's Analyse und dessen philosophischer Auswertung der damals neuen Newton'schen Mechanik und Gravitationstheorie. Danach wird Kants Argumentation in der Allgemeinen Naturgeschichte und im Einzig möglichen Beweisgrund im Detail verfolgt.
Darnach widmet sich der Autor Kants erkenntnistheoretischem Ansatz in seiner kritischen Phase, da seine Schrift über die Zurückweisung jeglichen Wundergeschehens dieser Epoche angehört. Das Argument selber führt tief in Kants Konzeption von Raum und Zeit hinein und die formalen und materialen Voraussetzungen von Kants Beweisgang werden herausgehoben. Es wird dabei gezeigt, dass Kants Nachweis der Apriori-Unmöglichkeit von Wundern auf von ihm vorschnell als evident vorausgesetzten faktischen Annahmen beruht und aus heutiger Sicht nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Der Schlußteil der Arbeit wendet sich mit den aus der historischen Analyse gewonnenen Erkenntnissen und Fragestellungen der heutigen immer noch hochaktuellen Diskussion zwischen einem konsequenten Naturalismus und einem supernaturalistischen Theismus zu.
Kontakt: geb@bibsys.uni-giessen.de, 11.03.2003
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