Die Auswirkung steigender atmosphärischer CO2-Konzentrationen auf die Flüsse der Klimaspurengase N2O und CH4 in einem Grünland-Ökosystem
Zusammenfassung
Die
menschlichen Aktivitäten verändern global und in zunehmendem Ausmaß die Chemie
der Atmosphäre und damit das Klima unseres Planeten. An erster Stelle steht der
Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration, die bereits jetzt um
30 % über den Maximalwerten der letzten 300.000 Jahre liegt (280 ppm
gegenüber heutigen 370 ppm). Im Gegensatz zur Auswirkung des erhöhten CO2 auf
Einzelpflanzen oder Agrar-Monokulturen ist über die längerfristige CO2-Wirkung
auf naturnahe, artenreiche Pflanzenbestände wie z.B. Grünland nur wenig
bekannt. Änderungen in den C- und N-Kreisläufen und bodenmikrobiologischen
Prozessen unter erhöhtem CO2 könnten zu Veränderungen in den Flüssen
der Klimaspurengase N2O und CH4 führen – dies wurde (mit
einer Ausnahme) bislang nie länger als 9 Tage in Folge oder gar bei wechselnden
Witterungsbedingungen im Freiland untersucht. Die
vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des Gießener FACE-Experiments durchgeführt
(FACE = free air carbon dioxide enrichment).
Es umfasst 3 CO2-Anreicherungs- und 3 Kontrollringe, die im Jahr
1997 auf dem Gelände der "Umweltbeobachtungs- und
Klimafolgenforschungsstation Linden" aufgebaut wurden. Seit Mai 1998 wird
die CO2-Konzentration während der Tageslichtstunden um 20 %
erhöht. Das seit Jahrzehnten unter Wiesennutzung stehende, artenreiche Grünland
wird seit 1996 mit 40 kg N ha-1 a-1 gedüngt und zweimal
pro Jahr abgeerntet (mit n = 75 Proben pro CO2-Behandlung und
Erntezeitpunkt). Die Spurengasflüsse wurden ab dem Frühjahr 1997 bis Dezember
2000 alle 3 bis 4 Tage mit der closed-chamber-Methode gemessen
(Haubendurchmesser 1 m, 9 Hauben pro CO2-Behandlung = 7 m²
überdeckte Fläche). Begleitend wurden im ersten Jahr der CO2-Anreicherung
mikrobielle Parameter wie die Anteile der Prozesse Nitrifikation und
Denitrifikation an der Gesamt-N2O-Emission (Acetylen-Inhibierung),
die Denitrifikations-Enzymaktivität (DEA) und die Netto-Nitrifikationsaktivität
untersucht, um eintretende Veränderungen in den N2O-Flüssen
möglichst erklären zu können. Die Hypothesenbildungen zur möglichen Wirkung von
erhöhtem CO2 auf die Spurengasflüsse beruhte auf Voruntersuchungen,
die in drei Publikationen mündeten und im Anhang der Dissertationsschrift
zusammengefasst sind. Die
seit 1993 geerntete oberirdische Biomasse war vor Beginn der CO2-Anreicherung
auf den für das Experiment ausgewählten Flächen stets nahezu identisch mit der
Biomasse der Kontrollflächen (keine signifikanten Unterschiede). Ab der Ernte
im September 1999 war sie jedoch erstmalig signifikant größer als die der Kontrollringe
und blieb es seitdem über die beiden Ernten im Jahr 2000. Im dritten Jahr des
laufenden FACE-Experiments (2000) betrug der oberirdische Biomassezuwachs
10 %. Verglichen mit den Ergebnissen anderer Studien trat der fördernde CO2-Effekt
verzögert auf; die Größenordnung des Zuwachses war dagegen vergleichbar mit
Experimenten, in denen eine Verdoppelung der CO2-Konzentration an
natürlichen oder naturnahen Grasland-Ökosystemen vorgenommen worden war. In der
Zusammensetzung der funktionellen Hauptgruppen Gräser, Kräuter und
Leguminosen und im Blattflächenindex (LAI, m² Blattfläche pro m²
Grundfläche) konnten bislang keine signifikanten Änderungen untererhöhtem CO2
festgestellt werden. Die
CO2-Bestandesatmung war unter CO2-Anreicherung
signifikant größer. Die Steigerung wurde höchstwahrscheinlich von einer
erhöhten Bodenatmung verursacht, da diese den größten Teil der Bestandesatmung
ausmachte, und weil der Gehalt an organischem, KCl-extrahierbaren Kohlenstoff
signifikant erhöht war. Überraschenderweise war die Erhöhung der
Bestandesatmung in den 2,5 Jahren, in denen sie gemessen wurde (ab Herbst 1998)
rückläufig, was sich erst über diesen langen Zeitraum offenbarte. Die
verzögerte Ausprägung des signifikanten Zuwachses der oberirdischen Biomasse
und der Rückgang der Erhöhung der Bestandesatmung sprechen für eine
langfristige Akklimatisierung des Grünlands an die erhöhten CO2-Konzentrationen. Vor
Beginn der CO2-Anreicherung waren die N2O-Emissionsraten
der Anreicherungs- und der Kontrollflächen nicht signifikant voneinander
verschieden. Seit Beginn des FACE-Experiments zeigte sich jedoch in den Sommer-
und Herbstmonaten eine enorme Steigerung der N2O-Emissionen, die
unter CO2-Anreicherung auch im dritten Jahr in Folge auftrat.
Dadurch betrug die N2O-Abgabe der Anreicherungsflächen im Mittel von
1998 bis 2000 290 % des Kontrollflächenwerts (4,3 kg N2O-N ha-1
a-1 gegenüber 1,5 kg N2O-N ha-1 a-1).
Die durchgeführten Zusatzmessungen ergaben keine Anhaltspunkte zur Erklärung
der stark und nachhaltig gesteigerten N2O-Emissionen unter erhöhtem
CO2: Die trockenste FACE-Fläche, welche die höchsten N2O-Emissionen
aufwies, besaß die niedrigste Denitrifikations-Enzym-Aktivität und die
geringsten Netto-Nitrifikationsraten. Die Bodenfeuchte (0 – 15 cm Tiefe,
TDR-Sensoren) blieb unter erhöhtem CO2 nahezu unverändert. Die
Bodentemperaturen in 5, 10 und 20 cm Tiefe waren im Mittel über die
Untersuchungszeit um maximal 0,2 °C verschieden. Erhöhte Nmin- oder
Norg-Konzentrationen konnten unter erhöhtem CO2 nicht
festgestellt werden; freier mineralischer Stickstoff war praktisch nicht
verfügbar. Da somit die gängigen Erklärungsmuster ausschieden, könnte die
Ursache für die hohen N2O-Emissionen in Pilz-(Mykorrhiza-)basierten
N-Umsetzungsprozessen zu suchen sein, bei denen frei verfügbarer Stickstoff im
Boden nicht nachweisbar wäre sondern im Organismus gebunden bliebe. Zudem
sollte gerade Mykorrhiza bevorzugt vom gesteigerten Kohlenstoff-Gewinn und
verstärkter Wurzelexudation der Pflanzen unter erhöhtem CO2
profitieren können. Diese Hypothese bliebe aber noch zu prüfen. Die
im Lindener Grünland gemessenen Methanoxidationsraten waren trotz
Düngung und hoher Bodenfeuchte relativ groß. Sie betrugen im Sommer bis 130 µg
CH4-C m-2 h-1, vergleichbar den Raten wie sie
in neutralen, ungestörten Waldböden gemessen werden können. Vor Beginn der CO2-Anreicherung
und während des ersten Jahres (1998) waren die CH4-Oxidationsraten
auf den Anreicherungs- und Kontrollflächen im Mittel praktisch identisch. Ab
dem zweiten CO2-Anreicherungsjahr jedoch war die CH4-Oxidationsrate
auf den Anreicherungsflächen rückläufig, was im dritten Sommer des
FACE-Experiments signifikant wurde (Anreicherungsflächen: 75 % der Rate
der Kontrollflächen). Im September 2000 trat unter oxischen Bedingungen auf der
trockensten der CO2-Anreicherungsflächen ein CH4-Emissionsereignis
mit einem Maximum von 870 mg C m-2 h-1 auf, das die
Bilanz des Monats deutlich beeinflusste. Da die Bodenfeuchte unter erhöhtem CO2
nicht stieg, könnten Veränderungen in den Methanotrophen-Populationen die
Ursache sein, aber auch verstärkte Methanproduktion unter oxischen oder
mikroaeroben Bedingungen, z.B. in der Rhizosphäre. Für
beide Spurengase wurde im untersuchten Feuchtgrünland eine positive
Rückkopplung von erhöhtem CO2 auf die Prozesse gefunden, die zur
Zunahme der atmosphärischen Konzentrationen von N2O und CH4
führen können. Die große Diskrepanz zwischen den aufgestellten
Eingangshypothesen und den in-situ gemessenen Veränderungen der
Spurengasflüsse unter CO2-Anreicherung unterstreicht die Notwendigkeit,
Modellvorstellungen im Freilandexperiment zu überprüfen. Die zahlreichen
beobachteten Akklimatisierungseffekte demonstrieren, wie sehr Ergebnisse aus
Kurzzeitstudien Effekte unter- oder überschätzen können, wenn diese auf eine
höhere (globale) Ebene extrapoliert werden.