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Julius Schmitt

Literaturstudie über die Biologie des Spermas

Zusammenfassung

Das Sperma ist das Sekret der männlichen Geschlechtsdrüsen. Die durchschnittliche Menge eines Ejakulats, seine Farbe, Konsistenz sowie chemische und physikalische Beschaffenheit ist je nach der Tierart entsprechend den physiologischen Gegebenheiten bei der Kopulation verschieden. Aber auch bei ein und derselben Tierart lassen sich je nach Konstitution und geschlechtlicher Beanspruchung mitunter erheblich Unterschiede feststellen.

Die wesentlichsten Bestandteile des Spermas sind die Samenflüssigkeit und die Samenzellen oder Spermien. Diese werden in den Hodenkanälchen gebildet und gelangen von da in den Nebenhodenkanal, wo sie im allgemeinen bis zur Ejakulation verbleiben. Bei der Ejakulation werden die Spermien mit den Sekreten der akzessorischen Geschlechtsdrüsen vermischt und darin suspendiert. Die Sekrete der akzessorischen Geschlechtsdrüsen stellen die Masse der Samenflüssigkeit dar. Sie haben die mechanische Aufgabe, den Spermien auf dem Weg ins weibliche Genitale als Vehikulum zu dienen und enthalten bewegungsauslösende und –unterhaltende Substanzen, sowie kolloidale Schutzstoffe gegen schädliche Milieueinflüsse. Die Spermien weisen nach Aufbau und Größe artspezifische Unterschiede auf. Ihre Anzahl in der Raumeinheit schwankt je nach Tierart und Konstitution.

Ihr Aufbau (Kopf, Hals, Schwanz) entspricht den biologischen Aufgaben der Spermien. Der Kopf ist Träger der germinativrn Funktion, Hals und Schwanz stellen den motorischen Apparat dar, der die Spermie zur Eizelle bringen soll.

Als Energiequelle für die Bewegung stehen den Spermien zur Verfügung:
1. Kohlehydrate im Plasma, die glykolytisch gespalten werden und
2. Nichtkohlehydrate, die ihrer Natur nach noch nicht restlos bekannt sind, und die durch Oxydation nutzbar gemacht werden. Als Energiequelle wird die Glykolyse von den Spermien der Oxydation der Nichtkohlehydrate vorgezogen.

Im Hoden sind die Spermien bewegungslos, aber sehr wohl schon bewegungsfähig. Vom Hoden gelangen sie in den Nebenhodenkanal, der, worauf schon seine große Länge hinweist, von besonderer Bedeutung für die Biologie der Spermien ist. Auch hier sind die Spermien noch ohne Bewegung. Sie befinden sich im Zustand der Anabiose, ihre Bewegung und ihr Stoffwechsel werden durch noch unbekannte Faktoren gehemmt. Sie bleiben daher beim Aufenthalt im Nebenhoden sehr lange lebensfähig. Der Nebenhoden, insbesondere der Nebenhodenschwanz, dient als Speicherorgan für die befruchtungsbereiten Spermien. Daneben erhalten sie während ihres Aufenthaltes im Nebenhodenkanal die zur Begattung notwendige Reife und Widerstandsfähigkeit gegen ungünstige Milieueinflüsse. Sowohl ein zu kurzer wie ein zu langer Aufenthalt im Nebenhoden wirkt sich ungünstig auf die Spermien hinsichtlich Befruchtungsfähigkeit und Lebensdauer aus.

Die Auslösung der Spermienbewegung erfolgt unter natürlichen Verhältnissen bei der Ejakulation durch die Vermischung des Nebenhodensekrets mit den Sekreten der akzessorischen Geschlechtsdrüsen. Sie kann auch künstlich durch geeignete chemische und physikalische Mittel bewirkt werden.

Beim Begattungsakt wird das Sperma in die weibliche Zeugungsorgane gebracht. Das Vaginalsekret wirkt stark verkürzend auf die Lebensdauer der Spermien. Dahingegen finden die Spermien in der Cervix, vor allem bei den vaginal besamenden Tieren, ein günstiges Milieu. Damit dürfte unter anderem der verhältnismäßig hohe Citratgehalt des Zervikalschleimes zusammenhängen. Im Uterus sind die Verhältnisse weniger günstig. Die Spermien durchwandern ihn in Richtung zu den Tuben und treffen dort, oder im Gebiet des Eierstocks, mit der befruchtungsbereiten Eizelle zusammen. Infolge der zeitlich sehr begrenzten Lebensdauer des Eies und der Spermien ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes für die Begattung oder Besamung von ausschlaggebender Bedeutung für ein Zustandekommen der Befruchtung.

Bei der Wanderung der Spermien in den weiblichen Zeugungsorganen zum Ei und bei der Vereinigung der beiden Gameten sind Kräfte wirksam, die wir an ihren Auswirkungen: Beschleunigung und Hemmung der Spermienbewegung, Rheotaxis, Chemotaxis, Thigmotaxis, Galvanotaxis und Agglutination erkennen. Nach den jüngsten Ergebnissen der Forschung sind hierbei maßgeblich geschlechtsspezifische Wirkstoffe, Gamone, beteiligt. Sie wurden bei Kaltblütern mit äußerer Befruchtung entdeckt. Bei Tieren mit innerer Befruchtung, wo die Verhältnisse wesentlich komplizierter liegen, sind sie noch nicht restlos erforscht. Man unterscheidet Gynogamone im Ei und Androgamone im Sperma. Das Gynogamon I aktiviert die Spermienbewegung und lockt die Spermien chemotaktisch an. Das Gynogamon II bewirkt die Agglutination der Spermien in der Nähe des Eies. Das Androgamon I lähmt die Spermienbewegung, das Androgamon II hat im wesentlichen die Aufgabe, die Eihüllsubstanzen zu lösen und dadurch einem Spermium den Weg in die Eizelle freizumachen. Dieses lytische Prinzip des Androgamon II ist als Ferment „Hyaluronidase“ erkannt und isoliert worden.

In zahlreichen Versuchen hat man in vitro die Wirkung verschiedener chemischer Stoffe auf die Spermien untersucht, in der Absicht, auf diese Weise Aufschlüsse über die Lebensvorgänge in diesen Zellen zu erhalten. Die Ergebnisse laufen größtenteils auf eine mehr oder weniger starke Schädigung der Spermien bezüglich Lebensdauer hinaus. An physikalischen Reizen wirkt plötzliches Abkühlen schädlich, dagegen kann man durch vorsichtiges Abkühlen auf 4°C die Lebensdauer der Spermien verlängern. Auch gegen Verschiebung des osmotischen Druckes und der Wasserstoffionenkonzentration sind die Spermien empfindlich. Zwischen dem osmotischen Druck, der Wassersatoffionenkonzentration und der Gegenwart gewisser Ionenarten in der Samenflüsssigkeit gibt es bestimmte Beziehungen. Im sauren pH-Bereich besteht besondere Empfindlichkeit gegen Hypotonie. Die ungünstige Wirkung des Natriumchlorids ist in alkalischer Lösung besonders stark. Günstig ist die Wirkung der Citrate auf die Spermien, vermutlich auf Grund ihrer Fähigkeit, Calcium in Lösung zu erhalten.

Versuche, die Lebensdauer der Spermien durch Einbringen in verschiedene zu diesem Zweck entwickelte Salz- und Zuckerlösungen zu verlängern, schlugen fehl. Günstiger waren die Erfolge mit Verdünnungslösungen, die kolloidale Zusätze, wie Gelatine, Eidotter, Serum oder dergleichen, enthalten. Am wertvollsten hat sich der Eidotter in Verbindung mit Pufferlösungen erwiesen. Bei der Aufbewahrung von Sperma im Eidotter-Verdünner ist ganz besonders auf Luftabschluss zu achten, da die Spermien in Gegenwart von Eidotter einen Inhibitor für ihre Atmung und Beweglichkeit bilden.

Die Verdünnung in isotonen Medien darf nicht unbegrenzt fortgeführt werden; überschreitet sie ein gewisses Maß, so stellen die Spermien ihre Bewegung ein. Die Ursache dieser Verdünnungslähmung ist noch nicht genau erforscht. Man nimmt die Konzentrationsverminderung einer gewissen, für die Spüermavitalität nötigen Substanz, andererseits eine Schädigung der Lipoidkapsel der Spermien durch gewisse Ionenarten an.

Die Bildung spermatotoxisch wirkender Antikörper nach parenteraler Einverleibung von Spermien oder Spermaauszügen ist nachgewiesen worden. Die Überlebensdauer der Spermien im Blutserum ist je nach dem Geschlecht und der Generationsphase des Serumspenders verschieden lang.

Als Ergänzung zu der makroskopischen und mikroskopischen Prüfung des Spermas wurden verschiedene Laboratoriumsmethoden entwickelt. Sie beruhen auf der Messung der Respiration oder der glykolytischen Fähigkeit des Spermas und auf der Prüfung der Resistzenz der Spermien gegen die Verdünnungslähmung. Daneben wird auch der prozentuale Anteil an pathologischen Spermienformen zur Beurteilung des Spermas verwandt. Man findet in jedem Ejakulat pathologische Spermienformen (Missbildungen von Köpfen und Schwänzen). Steigt ihr Anteil über ein gewisses Maß, etwa 15 %, so ist das Sperma minderwertig. Im allgemeinen, besonders bei frischen Ejakulaten, dürfte die Prüfung der Zahl und Beweglichkeit der Spermien den Anforderungen der Praxis genügen. Längere Zeit konserviertes Sperma kann jedoch trotz guter Beweglichkeit seine Befruchtungsfähigkeit eingebüßt haben. Es scheint daher, als ob eine Prüfung des Samens nur nach Zahl und Beweglichkeit der Spermien in solchen Fällen nicht ausreichend ist für eine Beurteilung hinsichtlich Befruchtungsfähigkeit, da diese bei noch bestehender Beweglichkeit der Spermien bereits erloschen sein kann.

Aus dem noch in vollem Fluss befindlichen Studium der Biologie des Spermas erhellt eindringlich die Tatsache, dass wir es hierbei mit äußerst komplizierten und leicht zu störenden Vorgängen der Natur zu tun haben. Die Technik und Methodik der Samenübertragung werden durch diese Erkenntnisse weitgehend bestimmt.

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Kontakt: geb@bibsys.uni-giessen.de, 11.03.2003