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Alexandra Sell

Differenzierung mitochondrialer und nicht-mitochondrialer Quellen von reaktiven Sauerstoffspezies in PC12-Zellen unter Hypoxie

Zusammenfassung

Der O2-messende Mechanismus chemosensitiver Paraganglien von Säugetieren ist nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt. Als Modell für Studien am O2-messenden Mechanismus Hypoxie-sensitiver Paraganglien dient eine Tumorzelllinie aus dem Nebennierenmark der Ratte (PC12-Zellen), da sie eine sehr hohe Sensitivität gegenüber O2-Schwankungen aufweist. In PC12-Zellen konnte unter Hypoxie ein intrazellulärer Anstieg reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) beobachtet werden. Es ist jedoch noch nicht bekannt, welches zelluläre Enzymsystem für diese Hypoxie-bedingte ROS-Produktion in PC12-Zellen verantwortlich ist.

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, mitochondriale von nicht-mitochondrialen ROS-Quellen unter Hypoxie in PC12-Zellen zu differenzieren. Die PC12-Zellen wurden in Gegenwart der Redox-sensitiven Fluoreszenzindikatoren Dihydrorhodamin 123 und 2´,7´-Dichlorofluorescin Diazetat unter Normoxie und Hypoxie inkubiert. Durch intra-zellulär gebildete ROS werden beide Substanzen in ihre fluoreszierenden Metaboliten Rhodamin 123 und 2´,7´-Dichlorofluorescein oxidiert. Anhand der Rhodamin 123- bzw. 2´,7´-Dichlorofluorescein-Fluoreszenzintensität konnte die intrazelluläre ROS-Produktion in den PC12-Zellen am LSM gemessen werden. Beide Fluoreszenzindikatoren eigneten sich gleichermaßen für die Messung intrazellulär gebildeter ROS.

In allen Experimenten wurde bei PC12-Zellen ein Hypoxie-bedingter ROS-Anstieg festgestellt. Um die Beteiligung der Mitochondrien bei der ROS-Produktion nach-zuweisen, wurden die PC12-Zellen mit Thiamphenicol behandelt (T-PC12-Zellen) und mit dem Anionenkanalblocker 4,4´-Diisothiocyanostilbene-2,2´disulfonat (DIDS) inkubiert.

Mit Ausnahme von Komplex II werden die Proteinkomponenten der vier mitochon-drialen Atmungskettenkomplexe bei Säugtieren sowohl von mitochondrialer als auch von Kern-DNA kodiert. Thiamphenicol inhibiert die Translation der dreizehn mitochondrial kodierten Proteinuntereinheiten der Atmungskette. Nach der Thiam-phenicol-Behandlung induzierte Hypoxie keinen ROS-Anstieg in den PC12-Zellen. Dies zeigt eine Beteiligung mitochondrial kodierter Proteine bei der Hypoxie-bedingten ROS-Zunahme in den PC12-Zellen.

Auch die Ergebnisse DIDS-inkubierter PC12-Zellen deuten auf die Mitochondrien als die verantwortliche Quelle für den Hypoxie-bedingten ROS-Anstieg hin. DIDS-inkubierte PC12-Zellen zeigten durch die Blockade aller zellulären Anionenkanäle eine signifikante ROS-Zunahme unter Normoxie. Ein Austritt von intrazellulär gebildeten, auch aus extra-mitochondrialen Enzymsystemen stammenden ROS in den Extrazellularraum wird unterbunden. Unter Hypoxie hingegen konnte keine signifikante ROS-Zunahme nach DIDS-Inkubation beobachtet werden. Da DIDS die mitochondrialen Anionenkanäle blockiert, können die von den Mitochondrien unter Hypoxie vermehrt produzierten ROS nicht ins Cytosol gelangen. Der intrazelluläre, Hypoxie-bedingte ROS-Anstieg wird verhindert.

Nach der erwiesenen Beteiligung der Mitochondrien bei der ROS-Produktion in PC12-Zellen wurde der ROS-generierende mitochondriale Atmungskettenkomplex ermittelt. Hierfür wurden die PC12-Zellen und T-PC12-Zellen mit speziellen Atmungsketteninhibitoren inkubiert. Die Behandlung von PC12-Zellen und T-PC12-Zellen mit NaN3, einem Inhibitor von Komplex IV, hatte keinerlei Einfluss auf die Hypoxie-bedingte ROS-Produktion. Daher schieden die Komplexe III und IV als ROS-Quellen in PC12-Zellen aus. Der Komplex II wird ausschließlich vom Kerngenom kodiert und bleibt damit auch nach Thiamphenicol-Behandlung funktionell aktiv. Er konnte nach dem ausbleibenden ROS-Anstieg bei T-PC12-Zellen unter Hypoxie ebenfalls nicht für die Hypoxie-bedingte ROS-Zunahme verantwortlich sein.

Der spezifische Inhibitor Rotenon blockiert den Komplex I zwischen den Fe-S-Clustern und dem Ubiquinon. Rotenon-behandelte PC12-Zellen zeigten unter Normoxie eine gesteigerte ROS-Bildung. Dieser Effekt von Rotenon wurde jedoch durch die gleichzeitige Inkubation mit dem Flavoproteininhibitor DPI reduziert. DPI hemmt den Komplex I zwischen der NADH-Bindungsstelle und den Fe-S-Clustern durch Bindung an die FMN-Komponente von Komplex I. DPI alleine führte unter Normoxie zu keiner veränderten ROS-Produktion in PC12-Zellen. Ebenso verhielt es sich bei T-PC12-Zellen, die mit Rotenon und Rotenon + DPI gleichzeitig inkubiert wurden.

Diese Untersuchungsergebnisse identifizieren den Komplex I als ROS-Quelle in PC12-Zellen. Er scheint vor der Rotenon-Bindungsstelle über ein "Elektronenleck" zu verfügen, an dem die Elektronen die Elektronentransportkette verlassen.

Zusammengefasst ergaben die Untersuchungen, dass die Mitochondrien für den Hypoxie-bedingten ROS-Anstieg in den PC12-Zellen verantwortlich sind und die ROS in den PC12-Zellen vom mitochondrialen Komplex I gebildet werden.

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