Experimentelle Untersuchungen zur Mikrozirkulation isoliert perfundierter Rattenherzen unter Einfluß bakterieller Exotoxine
Zusammenfassung
Die Klinik der Sepsis ist mit einer Herzinsuffizienz assoziiert, die als septische Kardiomyopathie bezeichnet wird. Im einzelnen besteht diese trotz erhöhten Herzminutenvolumens vorliegende Insuffizienz des Herzens in einer Dilatation beider Ventrikel und Hypokinesien des Myokards. Funktionell folgen daraus verminderte biventrikuläre Auswurffraktionen, eine erhöhte Compliance und letztendlich die Unfähigkeit des Herzens, durch Anstieg des Herzminutenvolumens den erheblichen systemischen Blutdruckabfall des septischen Patienten adäquat zu kompensieren. In vielen Fällen trägt diese Erkrankung deshalb zum therapierefraktären kardiovaskulären Kollaps bei, der in ca. 50% der Fälle zum Tode des Patienten führt. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung bakterieller Pathogenitätsfaktoren schon früh erkannt worden, doch standen Untersuchungen mit lebenden Keimen, besonders aber mit Endotoxinen immer im Mittelpunkt der Forschung. Inwieweit bakterielle Exotoxine beteiligt sein können, ist vergleichsweise unbekannt. Staphylococcus aureus und Escherichia coli stellen nicht nur die häufigsten Erreger septischer Krankheitsbilder dar, sondern sind als Bildner von Exotoxinen bekannt, welche maßgebliche Bedeutung für die Virulenz der entsprechenden Bakterienstämme haben. Die extraintestinal bedeutsamsten Exotoxine, a-Toxin von Staphylococcus aureus und Escherichia coli Hämolysin, gelten als Prototypen porenbildender Hämolysine. Ihre pathophysiologische Bedeutung in der Sepsis ist in Zellkulturen, isolierten Organen und Ganztiermodellen nachgewiesen worden. Die Aktivierung betroffener Zellen durch sublytische Dosen scheint dabei das charakteristische pathophysiologische Konzept dieser Porenbildner zu sein. Untersuchungen an Lungen, Darm und Herz ergaben Hinweise auf die Beteiligung des Arachidonsäurestoffwechsels mit Freisetzung vasoaktiver Eicosanoide. Die Induktion von Mikrozirkulationsstörungen durch diese Mediatoren konnte bisher in Lunge und Darm, nicht aber für das Herz eindeutig nachgewiesen werden. Deshalb wurde in der vorliegenden Arbeit mittels gefärbter Mikrosphären die regionale Perfusion verschiedener Myokardareale isoliert und zellfrei perfundierter Rattenherzen unter Einwirkung der genannten Toxine bestimmt. Diese Messungen können Veränderungen der regionalen Perfusionsintensität in kleinen Gewebemengen quantifizieren. Gleichzeitig wurden Parameter der Herzfunktion erfaßt. Es sollten dabei Pathomechanismen beider Exotoxine und mögliche Unterschiede genauer herausgearbeitet werden. Die Applikation beider Toxine in die coronare Strombahn bewirkte eine erhebliche coronare Gefäßwiderstandserhöhung und Abnahme der Kontraktilität des Herzens. Die Untersuchungen der Mikrozirkulation ergaben toxininduzierte Verteilungsstörungen der Perfusion zwischen endokardialen und epikardialen Myokardschichten der freien linken Ventrikelwand. Interessanterweise erzeugte ECH eine Minderperfusion endokardial gelegener, a-Toxin eine Minderperfusion epikardial gelegener Myokardareale. Dies deutet auf die Beteiligung unterschiedlicher Mediatorsysteme hin. Bestätigt wurde dies durch den Einsatz jeweils eines Cyclooxygenase- und eines Lipoxygenaseinhibitors. Im Falle des a-Toxins konnte durch die Blockierung der Cyclooxygenase die coronare Vasokonstriktion, die Kontraktilitätsabnahme und die Perfusionsumverteilung signifikant verringert werden, was die Rolle von TxA2 als vasoaktives Agens nahelegt. Bei ECH zeigte die Blockierung der Lipoxygenase eine entsprechende Wirkung. Hier deuten die Ergebnisse auf die Beteiligung der Leukotriensynthese hin. Zudem scheinen die genannten Eicosanoide nicht nur für die Störung der myokardialen Mikrozirkulation im Sinne einer Verteilungsstörung verantwortlich zu sein, sondern führen erstaunlicherweise über diese Perfusionsinhomogenitäten offensichtlich auch zur Abnahme der Herzleistung. Diese Entdeckung relativiert die vielbeachtete Rolle kardiodepressiv wirkender Zytokine in der septischen Kardiomyopathie. Sie bestätigt nicht nur die pathogenetische Relevanz bakterieller Exotoxine bei der Entstehung der Sepsis, sondern verifiziert den Verdacht, daß die in anderen Organen schon charakterisierten Mikrozirkulationsstörungen auch im Herz durch Freisetzung vasoaktiver Lokalmediatoren zur septischen Organschädigung beitragen.