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Corinna Schölch

Untersuchungen des Leptin-Systems und des Stoffwechsels juveniler Ratten: Zwei Adipositas-Modelle

Zusammenfassung

Endogene, funktionelle Teratogene wie auch chemische Noxen können in kritischen Entwicklungsperioden zur Zerstörung zentraler Regler und damit zu lebenslang anhaltenden Fehlfunktionen endokriner Regelungsprozesse führen. In der vorliegenden Studie wurden die akuten Änderungen in der Energiebilanz während der Säugephase an zwei unterschiedlichen Modellen untersucht, die durch Eingriffe in den ersten Lebenstagen Adipositas im adulten Tier bewirken.

Im ersten Adipositasmodell wurde eine postnatale Überernährung (PNO) 21 Tage alter Rattenwelpen durch die Aufzucht in einem Nest mit nur vier Tieren, gegenüber zwölf Tieren in normal großen Nestern, induziert, wobei neben Wistarratten entweder Zuckerratten, die heterozygot für einen Defekt des Leptinrezeptors sind (+/fa), oder deren Wildtyp-Wurfgeschwister (+/+) untersucht wurden. Bei allen PNO-Tieren ergab sich gegenüber den im normalen Nest aufgezogenen Kontrolltieren sowohl eine größere fettfreie Trockenmasse und Fettmasse, wobei die normalerweise phänotypisch kaum ausgeprägte genetische Prädisposition der +/fa-Tiere zu vermehrter Fettakkumulation bei den PNO-Tieren erheblich verstärkt wurde. Neben Zunahmen der Körperfettmasse entwickelten die +/fa-PNO-Tiere, aber auch die PNO-Wistarratten, eine relative Hyperleptinämie. Diese war mit einer Leptinresistenz assoziiert, wie sich in einer nahezu vollständigen Insensitivität insbesondere der PNO-Wistarratten und der +/fa-PNO-Tiere gegenüber exogen appliziertem Leptin zeigte. Eine Bestimmung der hypothalamischen Leptinrezeptorbindung an Hypothalamus-Homogenaten verdeutlichte, dass diese weder bei den PNO-Tieren noch durch Leptinbehandlung im Vergleich zu den Kontrolltieren verändert wurde. Unabhängig davon wiesen zum einen +/fa- und zum anderen weibliche Tiere eine verminderte Leptinrezeptorbindung auf.

Diese Befunde am Untersuchungsmodell I zeigen, dass eine erhöhte Energiezufuhr im Säuglingsalter nicht nur zu einem verstärktem Wachstum, sondern auch zu einer exzessiven Fettdeposition führt. Zusätzlich konnte eine auffallende Interaktion zwischen einem definierten, normalerweise rezessiv eingestuften Merkmal und frühen postnatalen Unwelteinflüssen gezeigt werden, die modellhaft für die Programmierung der phänotypischen Ausprägung genetischer Störungen sein könnte. Unabhängig vom genetischen Hintergrund tritt dabei eine Leptinresistenz als Leitsymptom auf, die jedoch nicht auf einer Änderung der Rezeptorendichte beruht. Eine analoge Beziehung zwischen genetischem Hintergrund undÜberernährung wäre auch bei der Wistarratte zu vermuten, ist aber noch nicht identifiziert worden.

Grundlage des zweiten Adipositasmodelles ist die chemische Läsionierung von Nervenzellkörpern durch Verabreichung von Monosodiumglutamat (MSG), das in hypothalamischen Gebieten mit durchlässiger Blut-Hirnschranke wirksam wird. Die postnatale MSG-Behandlung führte bei den MSG-behandelten Tiere zu einer geringeren Fettdeposition gegenüber den NaCl-behandelten Kontrolltieren. Bei identischer Nahrungszufuhr künstlich über intraösophageale Katheter aufgezogener Tiere kam es zu einem nahezu vollständigen Verschwinden der Stoffwechselabsenkung im Minimum der Tiere und einer erhöhten Energiedissipation der MSG-behandelten Tiere. Auch die künstlich aufgezogenen Tiere zeigten eine starke Abnahme besonders des Körperfettgehaltes, was die Änderungen in der Energiebilanz der Tiere als Ursache bestätigt. Mit dem verminderten Körperfettgehalt ging auch eine Abnahme der Plasmaleptinspiegel einher.

Um die Auswirkungen der MSG-Behandlung auf die für die Energiehomöostase wichtigen hypothalamischen Kerngebiete insbesondere des Nucleus Arcuatus (ARC) zu untersuchen wurden kresylviolett-gefärbte coronale Gehirnschnitte mikroskopisch untersucht. Während andere Kerngebiete nicht von der chemischen Läsionierung durch MSG betroffen waren, trat eine weitgehende Zerstörung hypothalamischer Neurone im ARC ein. Zudem wurde zur Funktionskontrolle am zehn Tage alten Rattenhirn die Reagibilität auf Leptin anhand des Nachweises eines „immediate-early-gene“ Produkts, des Fos Proteins, als Marker für neuronale Aktivierung nachgewiesen und die Verteilung des durch das Neuropeptid Y (NPY) als Transmitter gekennzeichneten, hirn-intrinsischen Neuronensystems, dessen Beitrag zur Stimulation der Nahrungsaufnahme bekannt ist, trotz der neuronalen Unreife der juvenilen Tiere nachgewiesen. Die Befunde des Adipositasmodells II zeigen, dass der MSG-induzierten Adipositas im Erwachsenenalter eine Phase erhöhten Energieumsatzes vorausgeht, die in ihrer Wirkung auf den circadianen Rhythmus der einer Leptinapplikation bei der juvenilen Ratte vergleichbar ist und vor allem zu einer Verringerung des Körperfettgehaltes führt. Bei der Deutung dieses Befundes sind die histochemischen Hinweise zu beachten, dass normalerweise bereits im Alter von zehn Tagen eine Fortleitung des Leptinsignals zum Nucleus paraventricularis als integrative Struktur für die Kontrolle der Energiebilanz existiert und dass insbesondere das an dieser Verbindung beteiligte NPY-System entwickelt ist. Der beobachtete Zelluntergang im ARC wirkt sich akut wie eine durch Leptin hervorgerufene Enthemmung der normalerweise wirksamen Maßnahmen der juvenilen Energieeinsparung im Tagesminimum aus.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, dass zwei völlig unterschiedliche Einflüsse, nämlich eine chemische Noxe, genauso wie eine postnatale Überernährung in einer kritischen juvenilen Entwicklungsphase, obwohl sie zunächst gegenläufige Veränderung der Fettdeposition auslösen, schließlich zu Adipositas und deren assoziierten Begleitstörungen im adulten Tier führen können.

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