Entwicklung der Dermatologie des Hundes in Deutschland (19. bis Mitte 20. Jahrhundert)
Zusammenfassung
Obwohl der Hund zu den ältesten domestizierten Haustieren gehört, begann die Veterinärmedizin erst Anfang des 19. Jahrhunderts sich eingehender mit ihm zu befassen. Erstmals erscheinen in Deutschland kleine Monographien über Krankheiten des Hundes. Die Autoren erwähnten als Hauterkrankungen lediglich die nasse oder trockene Räude, auch
Schäbe genannt, und den "äusseren und inneren Ohrwurm". Eine wichtige Rolle spielten seit
den 1880er Jahren die veterinärmedizinischen Fachzeitschriften als Forum für Diskussionen
zwischen Wissenschaftlern und praktizierenden Tierärzten. Aufgrund ihrer Grösse waren von den Ektoparasiten seit altersher Flöhe, Läuse, Haarlinge und Zecken bekannt. Eine Unterteilung in parasitär und nichtparasitär bedingte
Hautkrankheiten erfolgte im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Akribische morphologische
Beschreibungen und tierartliche Vergleiche, Mitteilungen über Kontagiosität und
Kontamination sowie die Suche nach der richtigen biologischen Zuordnung und
Terminologie bestimmen diesen Zeitraum. Gleichzeitig rücken nichtparasitäre
Hauterkrankungen, allen voran das Ekzem und andere eitrige Hautentzündungen, immer
mehr in den Vordergrund, weil sie erst jetzt klar diagnostisch abgrenzbar waren. Die Sarcoptesräude war bis Ende des 19. Jahrhunderts die zweithäufigste nachgewiesene
Erkrankung der Hunde und wurde nur noch von der Staupe übertroffen. Bis Mitte des 20.
Jahrhunderts kam es zu einer Verschiebung in Richtung Ekzem und Demodikose. Vermutlich
waren Krankheitsbilder von auf der Hautoberfläche schmarotzender Parasiten seit altersher
bekannt, ebenso wie Dermatomykosen, Akne und Furunkulose. Zu den seltenen aber
dennoch in der Literatur erwähnter Hauterkrankungen zählten die Dermatitis verminosa
(1883), die Acanthosis nigricans (1903) und die Aktinomykose (1888).
Eine gesteigerte Aufmerksamkeit der Veterinärmedizin an der Onkologie setzte gegen Ende
des 19. Jahrhunderts ein. Die Möglichkeit, Rückschlüsse auf humane Neoplasien ziehen zu
können, rückte den Hund als "Modelltier" für den Menschen in den Mittelpunkt des
Interesses. Erkrankungen der Ohren zählen neben der Räude zu den am frühesten erwähnten
Hautkrankheiten des Hundes. Lange Zeit existierten teils obskure Bezeichnungen, an denen
allerdings bis weit in das 20. Jahrhundert festgehalten werden sollte. Die Vielfalt und die unterschiedlichen Wege, die bei der Behandlung der meisten
Hauterkrankungen beschritten wurden, um befriedigende Erfolge zu verzeichnen, zeigen sehr
deutlich, daá es sich um sehr komplexe pathobiologische Vorgänge handelt.
Zur Therapie gehörte im 19. Jahrhundert neben einer medikamentösen Behandlung fast
immer zusätzlich auch eine Futterumstellung, oftmals in Kombination mit Abführmitteln und
Roborantien bei gleichzeitiger Verbesserung der Haltungsbedingungen. Die eingesetzten
Medikamente, meistens selbst rezeptiert oder aus der Grosstierpraxis übernommen, werden
erst Anfang des 20. Jahrhunderts in immer grösserem Umfang kommerziell und fabrikmässsig
hergestellt. Die als Puder, Pasten, Salben oder in flüssiger Form vorliegenden Arzneimittel passte man dem Krankheitsbild individuell an. Zum Einsatz kamen adstringierende, adsorbierende, anästhesierende, antiphlogistische, antiseptische, keratolytische und antiparasitäre Mittel.
Unterstützung erfuhr diese Entwicklung durch die sich zunehmend wandelnde Einstellung
der Hundebesitzer. Neben den vormals hauptsächlich zur Arbeit herangezogenen Tieren
(Hüte-, Jagd-, Treib- und Wachhunde) nahm vor allem in den Städten die Haltung von
"Haus- und Luxushunden" rapide zu. Je enger die Bindung zwischen Mensch und Hund,
auch räumlich gesehen, wurde, umso störender empfand man beim vierbeinigen
Hausgenossen einen permanenten Juckreiz, Ruhelosigkeit oder unangenehme Gerüche. Die
verabreichten Medikamente mussten nicht mehr in erster Linie preiswert und kostengünstig
sein, sondern jenen Umständen verstärkt Rechnung tragen; das heisst sich durch eine
einfache, nicht schmierende, geruch- und farblose Applikation auszeichnen und trotzdem hoch effektiv sein. Nach Einführung der Sulfonamide in den 1930er Jahren kamen diese auch zunehmend
parenteral bei bakteriell bedingten Hauterkrankungen zum Einsatz. Im folgenden Jahrzehnt
trat die Therapie mit Penicillinpräparaten hinzu. Ende der 40er Jahre wurden auch in
Deutschland synthetisch hergestellte organische Kontaktinsektizide in Form verschiedener
DDT- und HCH-Präparate und organischer Thiophosphate eingesetzt.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts fanden zunehmend physikalische Methoden wie Quarzlicht,
Höhensonne, Röntgenstrahlen und Ozonbehandlungen in der Dermatologie Anwendung. Mit den Ausführungen zu dieser Thematik schliesst die vorliegende Dissertation, deren
Intention es war, die Entwicklung der theoretischen und praktischen Grundlagen
herauszuarbeiten, welche die Basis bilden für die heutige Dermatologie des Hundes mit ihren Möglichkeiten und Perspektiven.