Topographische Elektroenzephalometrie unter Narkoseeinleitung mit Remifentanil und Midazolam
Zusammenfassung
Diese Untersuchung beschäftigte sich mit Fragen der zerebralen und hämodynamischen Reaktionen unter Narkoseinduktion mit Remifentanil
und Midazolam bei kardiochirurgischen Patienten. Es wurden zwei Dosierungen untersucht, eine „Standarddosierung“ (Gruppe A) und einer Verdopplung der Dosierung der in Gruppe A angewendeten Medikamente. Es wurden entsprechend zwei Gruppen gebildet, auf die randomisiert je 20 Patienten verteilt wurden. Die biometrischen Daten der beiden Gruppen
waren vergleichbar. Neben einem standardisiertem Monitoring wurde dem Patienten zusätzlich
ein topographisches EEG abgeleitet. Nach einer 5-minütigen Referenzzeit
begann die Zufuhr der Medikamente via Perfusor. Hierbei traten signifikante
Blutdruckabfälle in beiden Gruppen auf, wobei diese bei doppelter
Dosierung quantitativ stärker ausfielen, als bei niedriger Dosierung.
Remifentanil ruft als Nebenwirkung Blutdruckabfälle hervor. So ist es
nachvollziehbar, daß es in einer höheren Dosierung verabreicht, auch einen
stärkeren Blutdruckabfall hervorrufen kann. Lediglich in der Gruppe B
traten behandlungsbedürftige hypotone Reaktionen auf. Die betroffenen
Patienten waren zu keinem Zeitpunkt vital gefährdet. Hinsichtlich der
Anflutgeschwindigkeit waren Unterschiede zwischen den beiden
Dosierungen nachweisbar. Die Gruppe der hohen Dosierung erreichte
schneller ein steady-state als die der niedrigen Dosierung. Zurückführen ließ
sich dies gleichfalls auf die doppelte Dosis pro Zeiteinheit. In beidenGruppen zeigte das EEG Leistungsanstiege in den Frequenzbändern Delta und Theta. In den höherfrequenten Anteilen des Leistungsspektrums (alpha1, alpha2, beta1 und beta2) traten Leistungsreduktionen auf. Diese elektroenzephalometrischen Reaktionen lassen Rückschlüsse auf die Wirkung und den Wirkort der Medikamente zu. Sowohl Remifentanil, als
auch Midazolam sind demzufolge Medikamente, die eine Dämpfung der
hirnelektrischen Aktivität erzeugen. Die Kombination von Remifentanil und
Midazolam bewirkt zusätzlich eine Suppression des schnellen 2-
Frequenzbandes. Midazolam alleine angewendet, bewirkt eine für
Benzodiazepine typische Aktivierung der hirnelektrischen Aktivität dieses
Frequenzbandes [21;26;35;41;42;48;52;65]. Demzufolge sind die
nachgewiesenen Suppressionen als Reaktionen auf Remifentanil
zurückzuführen. Vor dem Setzen der anästhesiologischen Stimuli wurde die Zufuhr von
Midazolam gestoppt, Remifentanil wurde bis zum Ende der Untersuchung
kontinuierlich zugeführt, um eine ausreichende Analgesie zu erhalten.
Das Setzen anästhesiologischer Stimuli (Intubation, Legen einer
Magensonde) führte zu folgenden zerebralen und hämodynamischen
Veränderungen: Zum Zeitpunkt der Intubation (15.Minute) kam es in der Gruppe A zu
signifikanten Blutdruckanstiegen. Diese Reaktion war in der Gruppe B nicht
nachzuvollziehen. Trotz der eingeschränkten Beurteilbarkeit kann man
Schlußfolgerungen hinsichtlich einer unzureichenden Analgesierung und /
oder Sedierung ziehen. In der Gruppe A liegt eine unzureichende Analgesie
/ Sedierung vor. Die Blutdruckanstiege sind als Reaktionen auf die
Intubation zu werten [40;50;64]. Ebenfalls nur in der Gruppe A kam es zum Zeitpunkt der Intubation zu signifikanten Veränderungen der hirnelektrischen Aktivität. Hier traten
Leistungsreduktionen in den Delta- und 1-Frequenzbändern auf. Diese
Leistungsreduktionen, die nur in der niedrigen Dosierung auftraten, zeigen
eine Tendenz der zerebralen Aktivität in Richtung „wacher-werden“ des
Patienten. Schlußfolgerung auf die signifikanten Blutdruckanstiege und die
Veränderungen der hirnelektrischen Leistung zum Zeitpunkt der Intubation
im Sinne von arousal-Reaktionen ist, daß die Sedierung und / oder die
Analgesierung in der Gruppe der niedrigen Dosierung zum Zeitpunkt der
Intubation nicht ausreichte, um dem Patienten eine schmerzfreie Intubation
zu ermöglichen. In der Gruppe B waren diese Reaktionen nicht nachweisbar. Das Legen der Magensonde verursachte im hämodynamischen Bereich
weder in der niedrigen, noch in der hohen Dosierung signifikante
Veränderungen. Gleichfalls kam es weder in der Gruppe A noch in der
Gruppe B zu signifikanten elektroenzephalometrischen Veränderungen auf
diesen Stimulus. Hierbei stellt sich nun die Frage, ob das Legen der Magensonde einen
geringeren Stimulus für den Patienten darstellt, oder ob zu diesem Zeitpunkt
bereits im Serum ein solches Sättigungsniveau von Midazolam und
Remifentanil erreicht ist, daß eine ausreichende Sedierung in beiden
Dosierungen vorhanden ist. Erfahrungsgemäß stellt eine orotracheale
Intubation einen stärkeren Schmerzreiz durch die Larygoskopie dar, als das
Legen einer transnasalen Magensonde. Dies läßt sich anhand klinischerErfahrungen auf Intensivstationen belegen [40;50]. Das Legen transnasaler
Magensonden tolerieren Patienten auch ohne Gabe von
Schmerzmedikamenten, wobei eine Intubation eines wachen, nicht
analgosedierten Patienten unmöglich ist. Das Erreichen eines
Sättigungsniveaus von Remifentanil im Serum ist schwierig, man benötigt
hierzu sicherlich höhere Dosierungen als jene, die verwendet wurden, um
die Kapazität der Esterasen zu erschöpfen. Midazolam hingegen kann
bereits durch Umverteilungsvorgänge in das zweite und dritte Kompartiment
ein Sättigungsniveau erreicht haben. Einen endgültigen Nachweis welcher
Faktor nun die entscheidende Rolle spielt, ist nicht zu klären. Als Fazit dieser Untersuchung kann man sagen, daß Remifentanil und
Midazolam bei kardiochirurgischen Patienten eine gute Kombinationsmedikation zur Narkoseeinleitung darstellt [4]. Allerdings muß man festhalten, daß es von der Qualität der Narkose hinsichtlich der Hypnose und Analgesie besser wäre, die hohe Dosierung von Remifentanil und Midazolam zu benutzen, um eine adäquate Narkose zu gewährleisten
und eine „awareness“ zu vermeiden. Andererseits darf man bei einer kardial
gefährdeten Patientengruppe die Nebenwirkungen wie Hypotonien mit
fehlenden Reflextachykardien nicht außer Acht lassen. Somit stellt die
Dosierung der gewählten Medikamentenkombination eine schwierige
Entscheidung mit Risikoabwägung für den Anästhesisten dar, welche
individuell entschieden werden muß. Hilfreich bei der Narkoseführung
kardiochirurgischer Patienten ist sicherlich das routinemäßige Ableiten eines
Topographischen EEG´s. Narkosetiefe kann zwar auch mit dessen Hilfe
noch nicht bestimmt werden, allerdings stellt diese Methode einen weiterenPunkt für eine sichere Narkoseführung hinsichtlich der Vermeidung von
„awareness“-Reaktionen dar [15;33-35;56;57].