Identifizierung eines zellulären Rezeptors für das Virus der bovinen viralen Diarrhöe (BVDV): Reinigung, Klonierung und Expression des bovinen CD46 (MCP)
Zusammenfassung
Zusammen mit dem Virus der klassischen Schweinepest (CSFV) und dem "border disease" Virus (BDV) bildet das Virus der bovinen viralen Diarrhöe (BVDV) das Genus Pestivirus innerhalb der Familie Flaviviridae. Es handelt sich hierbei um behüllte RNA Viren mit einem einzelsträngigen Genom positiver Polarität. Obwohl in der Literatur mehrere Ansätze zu der Identifizierung spezifischer zellulärer Rezeptoren existierten, war über die frühen Ereignisse bei der Infektion von Wirtszellen mit BVDV zu Beginn dieser Arbeit wenig bekannt. Neben Hinweisen auf Analogien der Invasionsmechanismen von CSFV und BVDV wurden von verschiedenen Arbeitsgruppen mehrere zelluläre Oberflächenproteine beschrieben, die mit Ereignissen der BVDV Infektion boviner Zellen verknüpft waren. Über diese Proteine gab es, abgesehen von ihrer Verbreitung in verschiedenen Zelltypen und ihren apparenten Molekulargewichten, jedoch keine Information. Für die Isolierung mutmaßlicher Virusrezeptoren für BVDV wurde der monoklonale Antikörper mAk 17, der zwei Proteine (60kD und 93kD) auf bovinen Zellen erkannte, verwendet. Analog zu den in der Literatur beschriebenen Experimenten hemmte eine Vorinkubation der Wirtszellen mit mAk 17 die BVDV Infektion effektiv. Bei den hier verwendeten Versuchsbedingungen wurde allerdings eine nicht hemmbare Residualinfektion detektiert, die weder von der eingesetzten Virusmenge noch von der Antikörperkonzentration während der Vorinkubation abhängig war. Als Ausgangsmaterial für die Reinigung der bovinen Zelloberflächenproteine mittels Immunaffinitätschromatographie diente Kalbsthymus. Am Ende der aufwändigen Reinigungsprozedur lag mehr als ein Milligramm des 60 kD Proteins in ausreichender Reinheit für weitere proteinchemische Analysen vor. Mit Hilfe der durch interne Aminosäuresequenzierung ermittelten Peptidsequenz CV(X)PAIEHGTIVSGFGPK wurde eine allgemein zugängliche Proteinsequenzdatenbank durchsucht, wobei ein mögliches Homologes aufgefunden wurde. Alle biochemischen Eigenschaften des gut beschriebenen humanen "membrane cofactor protein" (MCP, CD46) stimmten mit denen des gesuchten bovinen Proteins überein. Zudem war seine Funktion als Rezeptor für andere Pathogene (Viren und Bakterien) beschrieben worden.
Von der bekannten Sequenz des porzinen CD46 konnte eine DNA Sonde abgeleitet werden, die mit einer bovinen mRNA spezifisch reagierte. Durch das "screening" einer Genbank mit Hilfe dieser Sonde gelang die Klonierung des bovinen CD46. Vergleiche der von der klonierten cDNA abgeleiteten Aminosäuresequenz mit CD46 Sequenzen anderer Spezies zeigten entsprechende Übereinstimmungen. Ebenso konnten die durch Analyse des gereinigten Proteins gewonnenen Peptidsequenzen aufgefunden werden. Das heterolog exprimierte bovine CD46 konnte durch den Antikörper mAk 17 auf der Oberfläche von BHK-21 Zellen nachgewiesen werden, wobei keine strukturellen Abweichungen zu dem natürlich vorkommenden Protein auffielen. Um die Funktion des bovinen CD46 bei der Infektion mit BVDV untersuchen zu können, wurde es in verschiedenen Zelllinien stabil exprimiert. Es handelte sich hierbei einerseits um nicht-infizierbare Zelllinien (HeLa, BHK-21, L-Zellen), andererseits um die porzine Zelllinie PK15, die prinzipiell mit BVDV infizierbar ist. Die Infektionseffizienz von BVDV auf diesen Zellen war im Vergleich mit bovinen Zellen jedoch um den Faktor 100 niedriger. Es stellte sich heraus, dass die Expression des bovinen CD46 nicht ausreichte, um die nicht-infizierbaren Zellen für das BVD Virus zugänglich zu machen. Bei den PK15 Zellen konnte jedoch durch Expression des bovinen CD46 die Infektionseffizienz deutlich gesteigert werden, ein Effekt, der durch die Vorinkubation mit anti-CD46 Antikörpern verhindert werden konnte. Besonders im Zusammenhang mit Ergebnissen anderer Veröffentlichungen weisen diese Daten darauf hin, dass der Eintritt des BVD Virus in seine Wirtszellen durch ein Zusammenspiel mehrerer zellulärer Faktoren vermittelt wird. Neben CD46 erscheinen daher zusätzliche zelluläre Faktoren für eine erfolgreiche Infektion essentiell. Weitere Aufklärung des Infektionsmechanismus von BVDV kann in Zukunft durch die Identifikation des (der) Kofaktor(en) erfolgen.