Die Quantifizierung von Aminosäurenisomeren in Lebensmitteln mittels chiraler Gaschromatographie-Massenspektrometrie im Hinblick auf die Relevanz und die Entstehungsmechanismen von D-Aminosäuren
Zusammenfassung
1. Ziel und Gegenstand der Untersuchung
Es wurden unterschiedliche, durch mikrobielle Fermentation gewonnene, Lebensmittelgruppen qualitativ und quantitativ auf ihren Gehalt an freien D- und L-Aminosäuren (AS) hin untersucht. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Überprüfung der erhaltenen AS-Muster in bezug auf ihre Eignung zur Charakterisierung der entsprechenden Nahrungsmittel und in der Evaluierung typischer chemischer Marker-AS, die als Qualitäts- und Authentizitätsindikatoren für bestimmte Produkte zum Einsatz kommen könnten.
Durch die Ermittlung der zeit- und pH-Wert-abhängigen Racemisierungskinetiken einer Vielzahl proteinogener AS in Standardlösungen und in Lebensmittelmatrices sollte die besondere Anfälligkeit bzw. die Unempfindlichkeit spezieller AS gegenüber der Racemisierung im schwach sauren pH-Bereich (pH 2,5) aufgeklärt werden. Zusätzlich wurden mögliche Auswirkungen der Maillard-Reaktion auf den Racemisierungsgrad bestimmter AS untersucht.
Daneben wurde der Einfluß technologisch bedingter Lebensmittelbehandlung anhand der Mikrowellenerhitzung von Gelatine bzw. Gelatinepartialhydrolysat auf die Bildung der potenziell toxischen AS cis-4-Hydroxy-L-Prolin (cis-4-L-Hyp) überprüft. Dabei galt es, widersprüchliche Ergebnisse vorangegangener Studien kritisch zu hinterfragen.
2. Untersuchungsmethoden
Die Aufarbeitung flüssiger Proben (Essig, Bier) erfolgte durch Aufreinigung mittels DOWEX-Kationentauscher. Feste Proben (Getreide, Malz, Hopfen) wurden vermahlen und in 0,1 M HCl suspendiert. Anschließend erfolgte eine Entfettung und Proteinfällung mit nachgeschalteter DOWEX-Behandlung. Gelatine bzw. Gelatinepartialhydrolysat wurden einer sauren Totalhydrolyse unter Standard-bedingungen (6 M HCl, 110 °C, 24h) unterzogen.
Die Separation der AS-Isomeren in Form unterschiedlicher Perfluoracyl-AS-Alkylester-Derivate wurde mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie an der chiralen stationären Phase Chirasil-L-Val durchgeführt. Die Quantifizierung erfolgte nach der Methode des internen Standards mit L-Norleucin.
3. Ergebnisse der Untersuchung
In allen untersuchten fermentierten Lebensmitteln wurden die für mikrobielle Tätigkeit charakteristischen chemischen Marker D-Alanin (D-Ala), D-Asparaginsäure (D-Asp) und D-Glutaminsäure (D-Glu) in teilweise beträchtlichen Mengen detektiert. Demnach fand bei allen Produkten eine echte biologische Gärung statt.
Bei Speiseessigen konnten je nach eingesetzten Rohmaterialien typische AS-Muster ermittelt werden. Bei italienischen Balsamessigen (Aceto Balsamico di Modena) war mit zunehmendem Alter ein signifikanter Anstieg der relativen und absoluten Gehalte an D-Ala und D-Prolin (D-Pro) zu verzeichnen. Insbesondere D-Pro könnte als Altersindikator für solche Produkte dienen, die oft einer langjährigen Reifung unterzogen werden. Auch Sherryessige und gereifte Rotweinessige zeigten hohe relative Gehalte an D-AS, der Absolutgehalt lag jedoch deutlich niedriger als bei Balsamessigen.
Durch die Erfassung der Racemisierungskinetiken der mittels der verwendeten GC-MS-Methode bestimmbaren proteinogenen AS konnte eine säurekatalysierte Racemisierung von Pro in schwach sauren Lebensmitteln (pH 2-3) als vernachlässigbar gering eingestuft werden.
Das Maximum der Racemisierungsrate von Asp bei pH 2,5 erklärt sich durch die Ausbildung eines planaren, durch eine intramolekulare Wasserstoffbrücke stabilisierten, Übergangszustandes zwischen [beta]-Carboxylgruppe und [alpha]-Carboxylatgruppe in Form eines siebenatomigen Ringes. Für Serin (Ser) ergibt sich ein ähnliches Zwischenprodukt, vermutlich durch Ausbildung eines Sechsringes zwischen dem Wasserstoffatom der Hydroxylgruppe und dem negativ geladenen Sauerstoffatom der Carboxylatgruppe. Daher ist bei Asp und in geringerem Maße auch bei Ser mit einem gewissen säurekatalysierten Racemisierungsanteil bei schwach sauren bzw. sauer fermentierten Lebensmitteln zu rechnen.
Für Pro konnte eine sehr hohe Racemisierungsrate im Verlauf der beim Erhitzen mit einem Glucose/Fructose-Gemisch zunehmend intensiver werdenden Maillard-Reaktion ermittelt werden. Diese ist vermutlich für die zeitabhängige Zunahme des Gehaltes der Indikator-AS D-Pro in Balsamessigen verantwortlich.
Die Untersuchung der Biere und Bierrohstoffe ergab, daß der Beitrag der Rohstoffe zu den in Bieren detektierten D-AS vernachlässigbar (Hopfen) bis gering ist (Gerste, Malz). Der Hauptanteil der in den Bieren nachgewiesenen D-AS wurde auf die Aktivität der Racemasen der am Brauprozeß beteiligten Mikroorganismen zurückgeführt. Während gewöhnliche ober- und untergärige Biere wie Alt, Weizen, Pilsener oder Export nur geringe Mengen der typischen Marker D-Ala, D-Asp und D-Glu sowie Spuren von D-Pro enthielten, konnten in Spezialbieren, die unter Verwendung von Milchsäurebakterien (Berliner Weisse) oder Milchsäurebakterien und Wildhefen durch Spontangärung (belgische Lambic-Biere) hergestellt wurden, qualitativ und quantitativ deutlich mehr D-AS detektiert werden. Biere des Typs Berliner Weisse, bei denen die Flaschengärung unter Addition von Lactobacillus delbrueckii ablief, wiesen mehr als 20% D-Pro auf. Dies ist vermutlich auf eine bakterielle Pro-Racemase zurückzuführen. Demnach eignet sich die enantioselektive AS-Analyse insbesondere zur Charakterisierung von Spezialbieren besonderer Produktionsweisen.
Die Erhitzung von Gelatine bzw. Gelatinepartialhydrolysat mittels eines haushaltsüblichen Mikrowellengeräts ergab, daß dabei nicht, wie in der Literatur postuliert, antifibrotisch und damit potenziell toxisch wirkendes cis-4-L-Hyp gebildet wird. Die selbst in nicht erhitzten Kontrollen detektierten Mengen von ca. 5% cis-4-D-Hyp stellen ein Artefakt dar, welches aus der zur Analyse notwendigen sauren Totalhydrolyse der Proben resultiert. Somit kann die in der Literatur postulierte mögliche Gefährdung des Verbrauchers durch die mikrowelleninduzierten Bildung von toxischem cis-4-L-Hyp in gelatinehaltigen Lebensmitteln ausgeschlossen werden.
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