Flügelbohne, Goabohne (Psophocarpus tetragonolobus [L.] DC. [= P. longepedunculatus Hassk.])
Biologie
- Geschichte und Verbreitung - Nutzung
und Verwertung - Weitere Informationen
- Literatur - Bildlegenden
Biologie
Die Flügelbohne gehört zum Genus Psophocarpus. Von den neun beschriebenen Spezies ist sie die einzige, die als Kulturpflanze genutzt wird. Die übrigen Spezies werden nur gelegentlich kultiviert oder als Wildpflanzen beerntet.
Der deutsche Name ist abgeleitet vom englischen Winged beans. Diese Bezeichnung beruht auf den auffälligen flügelartigen Kantenausweitungen an den Hülsen. Die in sehr vielen asiatischen Ländern angebaute Pflanze hat eine ganze Reihe von weiteren Namen, wovon Goa bean, Fourangled bean oder Asparagus bean die Bekanntesten sind. Gelegentlich wird auch der Name Manila bean verwendet. Die Flügelbohne ist aber nicht identisch mit der Asparagus pea oder Winged pea (Lotus tetragonolobus L., syn. Tetragonolobus purpureus Moench.), welche ebenfalls vierflüglige Hülsen hat.
Die Flügel- oder Goabohne ist eine ausdauernde Pflanze, die aber in der Regel annuell angebaut wird. Die Keimung der Samen erfolgt epigäisch. Es entwickelt sich ein starkes laterales flachlaufendes Wurzelgeflecht. Ein Teil der Wurzeln können sich später zu spindelförmigen, daumendicken Knollen von 12 bis 16 cm Länge verdicken. Das Knollenfleisch ist weiß, die Rinde braun. Oberirdisch entwickeln sich 2 bis 3 m lange, linkswindende Triebe von grüner bis purpurner Farbe. Ein langer Blattstiel trägt dreizählige, stark geäderte rhomboide oder ovale bis lanzettliche Blätter mit einer Länge von 8 bis 15 cm und einer Breite von 4 bis 12 cm. Achselständige Blütentrauben stehen auf bis zu 15 cm langen Stielen. Der Kelch ist ca. 1,5 cm hoch. Die Blütenblätter sind weiß bis blaßblau.
Die Hülsen sind 10 bis 30 cm lang und im Querschnitt quadratisch (2,5 bis 3,5 cm). Die vier Kanten der Hülsen sind, wie schon erwähnt, zu einem abstehenden, unregelmäßig "geflügelten" Saum ausgezogen. Die Farbe der Hülsen reicht von grün über fahlgelb bis purpur. Je nach ihrer Länge können die Hülsen zwischen 5 und 20, max. 40 rundlich-ovale Samen von 7 bis 8 mm Durchmesser enthalten. Das Tausendkorngewicht der Samen kann zwischen 250 und 350 g liegen. Die Körner sind meist braun mit einem eingezogenen hellem Hilum, welches dunkel umrandet ist. Auch cremefarbene Körner kommen vor.
Die Zahl der Chromosomen beträgt meist 2n = 18; sie soll aber auch zwischen 12 und 26 variieren.
Die Hülsen reifen über einen längeren Zeitraum heran. Sie sollten daher periodisch u. U. sogar alle 8 Tage geerntet werden. Die Kornerträge werden mit 2 bis 10 dt/ha angegeben. Ein Gerüstbau wirkt sich bei dieser windenden Pflanze günstig aus, so daß die Erträge bis auf 25 dt/ha ansteigen können. Der Ertrag der Knollen kann zwischen 20 und 100 dt/ha liegen.
Blätter und Blüten haben einen vergleichsweise
hohen Eiweißgehalt. Bei den unreifen Hülsen ist er verständlicherweise
geringer. Bei den reifen Samen beträgt er 32 bis 42 %. Zudem enthalten
sie relativ viel Fett (13 bis 19 %). Sie haben daher eine ähnlich
gute Qualität wie Sojabohnen.
Die Inhaltstoffe von verschiedenen Pflanzenteilen
in % der Flügelbohne wurden nach Angaben von DUKE sowie von NEWELL
und HYMOWITZ zusammengestellt:
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Kalorien/Joule je 100 g |
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Wasser | 77,5 | 84,2 | 84,0 | 11,2 | 59,5 |
Rohprotein | 5,7 | 5,6 | 2,4 | 37,1 | 12,4 |
Rohfett | 1,1 | 0,9 | 0,2 | 16,1 | 0,2 |
Kohlehydrat | 3,0 | 5,0 | 3,5 | 38,6 | 28,9 |
Rohfaser | 1,7 | 5,8 | 1,5 | ||
Mineralstoffe | 0,7 | 4,7 | 1,3 |
Der Mineralstoffgehalt der Samen ist mit nahezu 5 % recht hoch. Calcium, Phosphor und vor allem Kalium dominieren in den Körnern; Kalium und Schwefel sind in den Knollen relativ stark angereichert.
Die Eiweißqualität ist sehr gut,
u.U. sogar besser als die von Sojabohnen.
Das betrifft vornehmlich den Lysingehalt.
Aminosäurezusammensetzung des Proteins der
Flügelbohne (g je 16g N):
Alanin | 4,5 | Histidin | 3,0 | Prolin | 7,0 |
Arginin | 5,2 | Isoleucin* | 4,4 | Serin | 5,4 |
Asparaginsäure | 14,6 | Leucin* | 6,0 | Threonin* | 4,5 |
Cystin* | 1,5 | Lysin* | 7,9 | Tyrosin | 3,3 |
Glutaminsäure | 12,6 | Methionin* | 1,2 | Valin* | 5,5 |
Glycin | 4,5 | Phenylalanin* | 5,4 |
Das Öl hat hohe Ölsäure- und
Linolsäuregehalte und enthält etwa 15 % Behensäure (C 22:0),
wie aus der folgenden Aufstellung hervorgeht:
Fettsäuren in % im Öl der Flügelbohne:
C 14/0 | Myristinsäure | 0,1 | C 18/2 | Linolsäure | 28,0 | |
C 16/0 | Palmitinsäure | 8,5 | C 18/3 | Linolensäure | 1,7 | |
C 16/1 | Palmitoleinsäure | 0,5 | C 20/0 | Arachinsäure | 1,6 | |
C 18/0 | Stearinsäure | 4,3 | C 22/0 | Behensäure | 14,6 | |
C 18/1 | Ölsäure | 36,5 |
Von den meisten Autoren wird der Ursprung der Flügelbohne in Afrika, vornehmlich in den feuchttropischen Gebieten Madagaskars und Mauritius' gesucht. Andere Autoren sehen das Entstehungszentrum im Raum Indonesien, Papua Neu Guinea; denn die Hauptverbreitungs- und Anbaugebiete liegen eindeutig in Südostasien. Erstmals wurde ein Anbau um 1747 auf den Molukkeninseln beschrieben.
Die Flügelbohne gedeiht am besten im feuchtwarmen Tropenklima mit 1.500 oder mehr als 2.500 mm Jahresniederschlägen. Da die Flügelbohne frostempfindlich ist, kann sie in den Tropen nur bis in Höhen von 2.000 m NN angebaut werden. Am besten gedeiht sie bei Durchschnittstemperaturen von 20,0 bis 27,5°C. Hohe Salzgehalte im Boden und Staunässe verträgt sie nicht, sonst wächst die Pflanze aber auf vielen tropischen Böden, wenn die pH-Werte zwischen 5 und 7 liegen. Durch die Fähigkeit, extrem viel Stickstoff über Rhizobien vom Cowpea-Typ zu binden, stellt sie eine gute Vorfrucht vor allem für Zuckerrohr dar.
Der Hauptanbau erfolgt jedoch nicht als Feldkultur (Pflanzabstand 60 x 120 cm), sondern im Gartenbau. Hier werden Gestelle errichtet, an denen die Pflanze sich hochwinden kann. Man läßt sie auch über Gartenzäunen oder an den Häusern selbst wachsen. Durch das Hochranken steigen die Erträge deutlich an. Wird die Flügelbohne für Futterzwecke oder als Gründüngungspflanze und Bodendecker angebaut, erfolgt dies ohne Gerüstbau, steht die Knollenerzeugung im Vordergrund, werden oft Blüten entfernt.
Die Aussaat sollte stets zu Beginn der großen
Regenzeit erfolgen. Endet die Regenzeit vor der Ausreife, ist eine Bewässerung
empfehlenswert. Der Krankheitsdruck ist in der Trockenzeit geringer, weswegen
in manchen Gebieten ein Anbau mit Bewässerung bevorzugt wird.
Nutzung und Verwertung
Die Flügelbohne ist eine Vielzweckpflanze; denn eßbar sind alle Pflanzenteile wie Hülsen, Samen, Blüten, Blätter und die eiweißreichen Knollen. Sie können in wöchentlichen Abständen beerntet werden. In den meisten Ländern Südostasiens (Papua Neu Guinea, Indonesien, Philippinen, Malaysia, Thailand, Sri Lanka und Bangladesh) werden gern junge Blätter, Triebe und unreife Hülsen als Salat oder Gemüse gegessen oder zusammen mit Knollengewächsen gedünstet oder gekocht. Dazu kann je nach Land Fleisch oder Fisch gereicht werden. Die unreifen Körner werden mit oder ohne Hülsen frisch oder in gekochter oder gerösteter Form gegessen. Reife Bohnen werden in manchen Gebieten Indonesiens zu einem Gericht mit Namen "Tampeh" fermentiert. In Java verursacht der Pilz Synchytrium psophocarpi Anschwellungen an jungen Trieben, die gekocht als Delikatesse geschätzt werden.
Das Samenöl hat eine ähnliche Qualität wie Sojaöl und wird zum Kochen, für Beleuchtungszwecke oder zur Seifenherstellung verwendet. Die Blüten werden häufig zum Blaufärben anderer Speisen benutzt; gedünstete Blüten sollen wie Pilze schmecken.
Die leicht süßlich schmeckenden Knollen werden in vielen Ländern gelegentlich roh, aber meist gekocht verzehrt. In Burma wird die Flügelbohne hauptsächlich zur Knollennutzung angebaut.
Zudem kann sie, wie schon erwähnt, als Futter- und Gründüngungspflanze sowie als Bodendecker genutzt werden.
Eine Bedeutung hat die Flügelbohne auch in der Volksmedizin. So wird z.B. in Sumatra und Westjava ein Blattextrakt bei Augen- und Ohrenentzündungen verwendet. Bei Venenerkrankungen und zur Blutreinigung sollen Extrakte aus Samen und Hülsen helfen. In Ostjava und Bali wird ein Aufguß von jungen Trieben und Blättern zur Zahn- und Mundpflege verwendet. Auch mit einer Zuckerlösung gekochte Knollen sollen Mundfäulnis bekämpfen. Aus Burma wird berichtet, daß man mit Umschlägen aus Knollenbrei im Nacken Schwindelgefühl bekämpft. Es gibt auch Angaben, daß Extrakte aus Blättern und Knollen gegen allerlei Schmerzen, Diabetes oder zur Verringerung der Milchproduktion angewandt werden könnten (NEWELL & HYMOWITZ). In Malaysia bekämpfte man früher Windpocken mit Flügelbohnen-Extrakten.
Erst seit ca. 1970 wird eine Auslesezüchtung
betrieben, es werden Herkünfte und Linien gesammelt, auf Leistungsfähigkeit
und Resistenzen geprüft, wodurch sich eine Verbesserung des genetischen
Potentials ergibt. Diese Arbeiten werden vornehmlich von nationalen Instituten
in den jeweiligen Anbaugebieten durchgeführt.
Weitere Informationen zur Art
Systematik - Unterfamilie Papilionoideae
Bestimmungsschlüssel für die Blätter wichtiger Leguminosae
Äußere Merkmale der zur Kornnutzung geeigneten Gattungen
Tabelle 1: Nährstoffgehalte der Samen von Körnerleguminosen in % (Mittelwerte)
Tabelle 3: Sameninhaltsstoffe einiger Körnerleguminosen (Angaben in % der TM)
Roheiweißproduktion
der wichtigsten Nahrungspflanzen.
Literatur
DUKE, J.A., 1981: Handbook of legumes of world economic importance. 205-207. Plenum Press New York, London.
FRANKE, W., 1989: Nutzpflanzenkunde. Nutzbare Gewächse der gemäßigten Breiten, Subtropen und Tropen. 4. Aufl., 139-140. Verlag Thieme, Stuttgart, New York.
NEWELL, C.A. & T. HYMOWITZ,: The winged bean as an agricultural crop. In: RITCHIE: New agric. crops/AAAS Selected Symp. 38, Westview Press, Boulder. Colorado.
PURSLEGLOVE, J.W., 1968: Tropical crops, Dicotyledones 1. Longmans, Green & Co. Ltd, London and Harlow.
REHM, S., 1989: Psophocarpus tetragonolobus . In: Handbuch der Landwirtschaft und Ernährung in den Entwicklungsländern. 2. Aufl., Bd. 4: Spezieller Pflanzenbau in den Tropen und Subtropen. 275. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
WESTPHAL, E., 1974: Pulses in Ethiopia, their taxonomy
and agric. significance, Agric. Res. Report 815. 193-199. Centr. for Agric.
Publ. and Doc., Wageningen.
Bildlegenden
Die Flügel-
oder Goabohne ist eine mehrjährige Pflanze mit 2 bis 3 langen Trieben,
die jedoch
überwiegend
einjährig angebaut wird. Sie besitzt ein starkes Wurzelwerk, bei dem
ein Teil der Wurzeln
sich zu daumendicken
12 bis 16 cm langen Reservestoffablagerungen verdicken.
Die Laubblätter
bestehen aus einem langen Stiel mit dreizähligen stark in der Form
variierenden
Blättchen.
Die weißen
bis hellblauen Blüten stehen einzeln oder in lockeren Trauben in den
Blattachseln auf
mittellangen Stielen.
Die Hülsen
sind 10 bis zu 30 cm lang, im Querschnitt quadratisch. Die vier Kanten
der Hülse sind zu
einem abstehenden,
unregelmäßig "geflügelten" Saum ausgewachsen. Die Farbe
der Hülsen verändert sich
mit der Reife von grün über hellgelb zu schwärzlich purpurn.
Die Hülsen
bilden je nach Größe jeweils 5 bis 20 bis 40 runde bis rundovale
Samen mit einem
Tausendkorngewicht
zwischen 250 und 350 g aus. Die Samen mit einem ovalen, hellen Nabel und
dunkeler Umrandung
sind meist braun gefärbt.