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IV. Nutzung und wirtschaftliche Bedeutung der Leguminosen
W. Schuster

Die Hülsenfrüchtler sind in erster Linie Eiweißproduzenten. Dabei ist ihre Bedeutung für die menschliche Ernährung in den verschiedenen Gebieten der Erde sehr unterschiedlich. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung wird ungenügend mit Eiweiß versorgt (REHM & ESPIG). Insgesamt besteht auf der Erde jedoch kein Eiweißmangel, da die jährliche Roheiweißerzeugung von etwa 842 Mio. t mehr als ausreichend ist, um den Bedarf der Weltbevölkerung von etwa 82 Mio. t zu decken. Das Eiweiß, welches durch Grünfutterpflanzen erzeugt wird, das aus Rückständen der Ölproduktion stammt, sowie ein Teil dessen, das über Körnerleguminosen erzeugt wird, wird an Haustiere verfüttert, um höherwertigeres Eiweiß zu gewinnen. Dabei gehen 80 bis 95 % des gefütterten Eiweißes verloren. Jedoch wird immer noch mehr Eiweiß durch die Pflanzenproduktion erzeugt als benötigt wird, um die Weltbevölkerung zu versorgen, wie die folgende Zusammenstellung von REHM & ESPIG zeigt:

Roheiweißproduktion der wichtigsten Nahrungspflanzen.
Pflanzengruppe
Weltproduktion in Mio. t
Ø Roheiweißgehalt in %
Roheiweißmenge in Mio. t
Anteile in %
Getreide
1663
10,4
173
71,5
Knollenfrüchte
362
1,7
10
4,1
Soja
88
38,0
33
13,7
Andere Ölsamen
80
19,7
16
6,6
Körnerlegumino.
42
23,0
10
4,1
Gesamt
2235
 
242
 
Bei dieser Betrachtung ist jedoch nicht der unterschiedliche Wert des aus der Pflanzenproduktion anfallenden Eiweißes und nicht die Form, die für die menschliche Ernährung verfügbar ist, berücksichtigt. Das tierische Eiweiß ist ernährungsphysiologisch dem pflanzlichen überlegen, da es alle essentiellen (vom menschlichen Organismus nicht zu produzierende) Aminosäuren in ausgewogener Menge enthält (s. Abschnitt II u. III). Wie schon ausgeführt, haben die verschiedenen Leguminosen-Arten eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung ihres produzierten Eiweißes (s. Abschnitt VI); bei der Sojabohne sind alle notwendigen Eiweißbausteine für die menschliche Ernährung fast ausreichend vorhanden, wie in Abschnitt VI gezeigt wird.

Obwohl die Körnerleguminosen nur 4,1 % der Welterzeugung an Roheiweiß liefern, sind sie doch in vielen Gebieten der Erde ein wichtiger Faktor für die menschliche und tierische Ernährung. Tabelle 11 gibt einen Überblick zur Weltproduktion und den Hauptanbauländern der wichtigsten Körnerleguminosen (aus REHM & ESPIG).

Tabelle 11: Weltproduktion und Hauptproduzenten von Körnerleguminosen in Mio. t (1979-1981) (aus REHM & ESPIG, ergänzt)
Art bzw. Artengruppe
Weltproduktion
Hauptproduzenten
 
Glycine max 87,9 USA 55,2
    Brasilien 15,0
Arachis hypogaea 20,0 (11,0)1) Indien 4,0
    China 2,0
    USA 1,3
Phaseolus spec.  14,0 Indien 2,7
und   Brasilien 2,3
Vigna spec. z.T.2)   VR China 1,9
    Mexiko 1,5
Pisum sativum 8,2 UdSSR 4,0
    VR China 2,3
    Indien 0,40
    Äthiopien 0,13
Cicer arietinum 6,3 Indien 4,7
Vicia faba 4,2 VR China 2,7
Vicia sativa 2,0 UdSSR 1,6
Cajanus cajan 1,7 Indien 1,6
Vigna unguiculata 1,3 Nigeria 0,99
Lens culinaris 1,1 Indien 0,44
    Türkei 0,22
Lupinus spec. 0,8 UdSSR 0,53
Andere3) und nicht 3,6 Indien 1,4
spezifizierte Arten   Kenia 0,28
    Pakistan 0,19
1) geschält

2) P. vulgaris, P. lunatus, V. radiata, V. mungo, V. angularis, u.a. ohne V. unguiculata

3) Lablab purpureus, Lathyrus spec., Vigna subterranea, Trigonella foenum graecum u.a.

Die herausragende Bedeutung der Sojabohne ist erkennbar, aber auch die der Phaseolus- und Vigna-Bohnen. Sie alle drei dienen in hohem Maße der direkten menschlichen Ernährung (näheres bei den einzelnen Arten in Abschnitt VI).

Das Spektrum der aus Sojabohnen hergestellten Produkte für die menschliche Ernährung ist sehr umfangreich (s. Abschnitt VI), wobei die Herstellung von Eiweißkonzentraten aus Sojaschrot eine interessante neue Entwicklung darstellt (LENNERTS). Über die Nutzungsformen der einzelnen Leguminosen-Arten wird in Abschnitt VI jeweils eingehend berichtet.

Groß ist die Zahl der Produkte, die aus den verschiedensten Hülsenfrüchtlern, speziell aus Körnerleguminosen hergestellt und auf den Markt gebracht werden.

Die übrigen, außer der Sojabohne kultivierten Körnerleguminosen gewinnen immer dann wieder eine zunehmende Bedeutung, wenn die Sojabohnenernten schlecht ausfallen, ein merklicher Eiweißfuttermittelmangel eintritt und die Preise für Sojabohnen und nicht für die übrigen eiweißliefernden Samen steigen. Auch können nicht in allen Gebieten der Erde Sojabohnen angebaut und hohe Erträge erzielt werden. So haben auch die übrigen Körnerleguminosen ihre Anbauberechtigung.

In Asien versorgen die Leguminosen neben Fisch und in Südamerika hauptsächlich die Phaseolus-Bohnen neben wenig Fleisch - außer in Argentinien - die Menschen mit Protein. Auch in Afrika ist die Fleisch- und Milchproduktion gering, so daß dort ebenfalls die Körnerleguminosen eine enorme Bedeutung für die menschliche Ernährung haben.

Neben der Eiweißnutzung durch Verfütterung der Samen liefern alle Körnerleguminosen durch das Stroh und die Druschabfälle der Hülsen recht brauchbares Tierfutter. Auch sind die grünen Pflanzen aller Körnerhülsenfrüchtler mehr oder weniger ertragreiche und anbauwürdige Futterlieferanten. In Trockengebieten werden sie als Hauptfutter und in entsprechenden Lagen Europas als Zwischenfrüchte nach früh abgeernteten Hauptfrüchten angebaut. Hierauf soll jedoch hier nicht näher eingegangen werden.

Neben der Nutzung als Nährmittel finden einige Körnerleguminosen auch Anwendung in der Heilbehandlung und vor allem seit altersher in der Volksheilkunde (PAHLOW, SCHAUENBERG & PARIS). Auch darauf wird bei den einzelnen Arten näher eingegangen.

Nicht unerwähnt bleiben darf die Nutzungsmöglichkeit einiger Hülsenfrüchtlersamen als Nachwachsender Rohstoff für die Industrie. So werden in neuester Zeit den "Amylose-Erbsen" (Markerbsen mit 55-70-85 % Amylose in der Stärke) hohe Zukunftsperspektiven eingeräumt (C.A.R.M.E.N., Rimpar).

Eine große wirtschaftliche Bedeutung für den Anbau der Hülsenfrüchte, liegt, wie schon mehrfach betont, in ihrem Vorfruchtwert für die nachfolgenden Ackerfrüchte, meist Getreide. Durch die Symbiose mit Knöllchenbakterien (s. Abschnitt II) vermögen die verschiedenen Leguminosen 40 bis 160 bis 240 kg/ha N (rein Stickstoff) im Boden anzureichern, der den nachfolgenden Pflanzen zur Verfügung steht. Der hohe Vorfruchtwert der Leguminosen war schon den Römern bekannt.

Ebenso ist für den Anbau in südlichen Gebieten mit milden Wintern interessant, daß Hülsenfrüchte vielfach im Winteranbau kultiviert werden können und dadurch höhere Erträge bringen.

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