Kichererbse, Echte Kicher oder Römische Kicher, (Cicer arietinum L.)
Biologie
- Geschichte und Verbreitung - Bedeutung
und Nutzung - Weitere Informationen -
Literatur - Bildlegenden
Biologie
Zur Gattung Cicer L. gehören 15 Arten, von denen nach HEGI 10 in Vorderasien, 3 auf dem Balkan und 1 in Abessinien zu finden sind. In der jüngeren Tertiärzeit (Oberpliozän) soll auch eine Art in Deutschland verbreitet gewesen sein.
Die Gattung Cicer umfaßt einjährige und ausdauernde Kräuter und Halbsträucher. Die morphologischen Merkmale erinnern vielfach an die Gattung Onanis (Hauhechel). Sie wird jedoch zu den Vicieae als besonderer Subtribus gestellt.
Die Kichererbse, auch Venuskicher, im Englischen Chickpea genannt, ist eine einjährige, krautige Pflanze mit kräftiger Pfahlwurzel. Der aufrecht stehende, vierkantige Stengel wird 30 bis 60 bis 100 cm hoch und ist je nach Standort mehr oder weniger verzweigt. Die unpaarig gefiederten Laubblätter werden 5 bis 10 mm lang, länger als die Internodien des Stengels, sie tragen ein Endblättchen. Die verkehrt-eiförmigen Blättchen sind 7 bis 10 cm lang, im oberen Teil stark gesägt und mit klebrigen Drüsenhaaren besetzt, die Oxal- und Apfelsäure abscheiden. Sie stehen in 3 bis 8 Paaren. Die in 2 bis 5 Spitzen gespaltene Nebenblätter sind etwa halb so groß wie die Blättchen. Die ganze Pflanze ist blaugrün bis graugrün gefärbt. Die Blüten stehen einzeln in den Blattachseln an einem langen, geknieten Stiel. Sie sind 10 bis 12 mm groß und purpurrot, violett, lila oder weiß gefärbt. Es herrscht Selbstbefruchtung vor, wobei vereinzelt durch Insektenflug auch Fremdbefruchtung vorkommt. Die aufgedunsenen, nickenden, an einem gebogenen Stiel stehenden Hülsen werden 2 bis 3 cm lang und 1,5 cm breit und enthalten ein oder zwei, selten drei pyramidenförmige Samen. Diese sind unregelmäßig runzlig; mit aufgebogenem Würzelchen ähneln sie einem Widder- oder Vogelkopf (Chickpea). Die Farbe der Samen ist schwarz, braun, rötlichorange oder gelblichweiß. Der Nabel ist klein, rundlich und die Samenschwiele deutlich hervortretend. Das Tausendkorngewicht schwankt zwischen 110 und 380 g.
Den Nährstoffgehalt der Samen gibt STÄHLIN
wie folgt an: 17,4 bis 23,2 % Rohprotein, 3,7 bis 5,5 % Rohfett, 49,8 bis
63,6 % N-freie Extraktstoffe, 3,0 bis 8,3 % Rohfaser, 2,9 bis 4,3 % Asche
(mit einem hohen P-Anteil), 9,3 bis 14,8 % Wasser.
Aminosäurezusammensetzung des Proteins von
Kichererbsen (g je 16 g N) nach SOUCI, FACHMANN & KRAUT:
Arginin | 7,5 | Leucin | 7,5 | Threonin* | 3,5 |
Cystin* | 1,5 | Lysin* | 7,0 | Tryptophan* | 1,0 |
Histidin | 2,5 | Methionin* | 2,5 | Tyrosin | 3,5 |
Isoleucin* | 5,5 | Phenylalanin* | 4,5 | Valin* | 5,0 |
Außerdem beinhalten die reifen Samen beachtliche Mengen an Vitamin A und E sowie einige Vitamine vom B-Komplex. Die reifen Samen enthalten keine schädlichen Stoffe, lediglich in etwas größeren Keimlingen (> 3 mm) bildet sich giftiges "Phasin". Deshalb müssen größere Keimlinge über Dampf blanchiert oder gedünstet werden (SCHÖNER ESSEN).
Die Zahl der Chromosomen beträgt 2n = 14, wie bei Erbsen.
BECKER-DILLINGEN nennt Erträge an lufttrockenen Körnern von 8 bis 20 dt/ha. Nach der FAO-Statistik werden im Weltdurchschnitt 7,1 dt/ha Kichererbsen geerntet (s. Tab. 14).
Die gegebene Vielförmigkeit im Habitus und in der Samenausbildung von Cicer arietinum wird in Formen aufgegliedert (BECKER-DILLINGEN):
f. vulgare Jaub et Spach (= C. nigrum hort.): Schwarze Samen mit Tausendkorngewichten zwischen 320 und 340 g; Blüte purpurviolett; in Indien stark verbreitet; für Futterzwecke genutzt.
f. albus Gaudin (= var. macrocarpum Jaub et Spach., = f. sativum Beck et Schkuhr): Samen gelblich weiß; Tausendkorngewicht 350 bis 370 g; Blüte weiß; gut für die menschliche Ernährung geeignet.
f. fuscum Alefeld. (= Gramererbse): Samen rotbraun, klein; Tausendkorngewicht zwischen 110 und 150 g; Blüte rotviolett; gute Toleranz gegen Trockenheit und niedrige Temperaturen.
f. macrospermum Jaub et Spach: Im Habitus wie f. vulgare nur größere Samen; wird als Kaffee-Ersatz genutzt.
f. rhytidospermum Jaub et Spach. (= f. cruentum Alef. = Cicer puniceum): Samen rotbraun bis dunkelrot; Samenschale glatt; unregelmäßig rund; Tausendkorngewicht 280 bis 350 g; Blüte purpur bis blaurot; selten angebaut.
f. globusum Alef. (= Cicer rotudum Jord.): Samen kugelig; Samenschale orangerot, sonst wie f. rhytidospermum.
Heute werden hauptsächlich zwei Gruppen unterschieden (HAWTIN):
Desi-Typen mit schmalen, eckig geformten, farbigen Samen; in Indien verbreitet und
Kabuh-Typen mit großen, abgerundeten,
beigefarbenen Samen; im Mittelmeergebiet und Lateinamerika zu finden.
Geschichte und Verbreitung
BECKER-DILLINGEN und HEGI bezeichnen Cicer soongaricum Steph. aus dem nordwestlichen Himalaja als die Stammform der Kichererbse.
Die wahrscheinliche Urform von Cicer arietinum ist jedoch nach HAWTIN die heute noch in der Türkei wachsende Cicer reticulatum Lad. Es wird angenommen, daß die Kichererbse schon vor 8 bis 10.000 Jahren im Vorderen Orient, im Raum des fruchtbaren Halbmondes, in Kultur genommen wurde.
Archäologische Funde aus dem Neolithikum liegen aus dem Vorderen Orient vor. In Griechenland wurde die Kichererbse aus dem Spätneolithikum nachgewiesen. Seit Beginn der Bronzezeit gehören Kichererbsen zu den angebauten Hülsenfrüchten. Im klassischen Altertum werden sie in allen landwirtschaftlichen Schriften als Nutzpflanze genannt und beschrieben.
Aus Mitteleuropa liegt ein Fund von verkohlten Kichererbsen aus einem römischen Lager bei Neuss am Rhein vor. Es wird angenommen, daß es sich um einen aus Italien stammenden Vorrat handelt (KÖRBER-GROHNE).
Vom frühen Mittelalter an ist die Kichererbse in allen Pflanzenbüchern zu finden: im Capitulare von KARL dem Großen (um 800) als Cicerum italicum; bei der heiligen HILDEGARD von Bingen (1098 bis 1179) als angenehme Speise und als Mittel gegen Fieber; ALBERTUS MAGNUS (1200 bis 1280) beschreibt verschiedene Formen der Cicer mit roter, dunkler und weißer Samenschale. Im 16. Jahrhundert wird die Kichererbse als "Zysern", "Ziser" oder "Zisererbse" bezeichnet und 1551 von BOCK als Arzneimittel empfohlen. ALEFELD beschreibt 1866 zwei in deutschen Weinbaugebieten kultivierte Formen: eine weißblühende mit großen weißen Samen, die am häufigsten angebaut wird, und eine mit großen, schwarzen Samen und blauroten Blüten, die meist in Gemüsegärten wächst. Die Kichererbsen wurden als Suppe oder Gemüse gegessen. Ihr feiner Geschmack wird allenthalben hervorgehoben.
Nach BECKER-DILLINGEN war der Anbau in Deutschland 1929 fast gänzlich verschwunden, bis auf kleine Reste in den Weinbergen, wo die schwarzsamige Kichererbse zum Rösten für Kaffee-Surrogat kultiviert wurde. 1926 wurden in Spanien 254.000 ha mit einer Produktion von 1,3 Mio. dt angebaut. In Griechenland standen im gleichen Jahr 6.700 ha und in Rumänien 2.190 ha. Hauptanbaugebiet war 1926 mit 7 Mio. ha Indien. Auch heute noch ist Indien der Hauptproduzent von Kichererbsen mit 7 Mio. t Samen (s. Tab. 11).
1934/38 wurden in der Welt 8,7 Mio. ha Kichererbsen angebaut. Diese Fläche ist in den letzten 50 Jahren weitgehend konstant geblieben, wie Tabelle 12 zeigt (FAO). Die Weltproduktion (s. Tab. 13) ist von 1934/38 mit 4,7 Mio. t auf 7,1 Mio. t 1991/93 gestiegen, vor allem durch den Anbau von etwas ertragreicheren Sorten.
In Europa zeigt der Anbau und die Produktion von
Kichererbsen eine rückläufige Tendenz, wie Darstellung 22 und
Tabellen 12 und 13 zeigen. Heute werden in Spanien nur noch 60.000 ha gegen
306.000 ha in 1952/56 und in Portugal 24.000 ha gegen 46.000 ha in 1952/56
an Kichererbsen angebaut. Dies liegt wohl an den nicht mit anderen Leguminosen
konkurrenzfähigen Erträgen, die weltweit nur 7,0 dt/ha betragen
(s. Tab. 14).
Bedeutung und Nutzung
Die Kichererbse ist eine genügsame Pflanze mit
guter Trockenresistenz, jedoch relativ hohen Wärmeansprüchen.
Sie gedeiht am besten auf leichten Böden, wie sandigem Lehm und Mergelböden
sowie auf kalkhaltigen Schotterböden, dagegen nicht auf schweren Lehmböden.
So hat sie ihre Anbaubedeutung in trockenen, wärmeren Gebieten. Hier
wächst sie besser als die Erbse, Wicke, Ackerbohne
oder auch Phaseolus-Bohne.
Darstellung 22: Kichererbsen-Anbau in 1.000 ha in Europa
Deshalb wurden auch in den letzten 5 Jahrzehnten von den internationalen Forschungsinstituten ICRISAT und ICARDA mit Unterstützung durch die FAO große Anstrengungen zur züchterischen Verbesserung von Sorten der Kichererbse und zur Verbesserung der Anbautechnik unternommen. Es konnten einige Erfolge in der Ertragsverbesserung, Krankheitsresistenz sowie in der Ausdehnung des Anbaues in neue Gebiete erzielt werden (HAWTIN).
Die bedeutsamste Verwendung der Kichererbse liegt in der menschlichen Ernährung als Trockenerbsen. Hierzu eignen sich besonders die hell- und großsamigen Formen. Sie werden gekocht als Suppe oder Brei gegessen. Die moderne Vollwertküche (SCHÖNER ESSEN) hat vielseitige Verwendungsmöglichkeiten für nahrhafte und wohlschmeckende Gerichte aus Kichererbsen entwickelt: Kichererbsenbällchen, Kichererbsenpolenta, Kichererbsensprosse zu Salat, Kichererbseneintopf, Kichererbsenpürree, Kichererbsen als Gemüse.
Bei der Zubereitung ist zu beachten, daß Kichererbsen sehr hartschalig sind und deshalb 12 Stunden eingeweicht werden müssen, um danach 3 Stunden weich zu kochen. In Spanien sind gekochte und geröstete Kichererbsen nach BECKER-DILLINGEN als "Garbonzos" ein Nationalgericht. Sie werden dort auch grün geerntet und roh gegessen. Im Vorderen Orient und Nordafrika werden Kichererbsen geröstet wie Nüsse verzehrt. Im Orient wird aus vergorenen Kichererbsen ein "Schimitt" genanntes Gebäck hergestellt. In der Türkei sind "Leblebigi" doppelt geröstete Kichererbsen, die nach der ersten Röstung in Wasser gequollen, von der Samenschale befreit und nochmals geröstet werden, sehr beliebt. In der Provence wird Kichererbsenmehl zu mancherlei Speisen verarbeitet. Auch als Zusatz zu Brot kann es verwendet werden. In Indien werden auch die jungen Pflanzen als Salat oder Gemüse verzehrt. Vielfach gilt die Kichererbse als Nahrung für die ärmere Bevölkerung. Schon HORAZ bezeichnet sie als solche.
Die Kichererbsen können selbstverständlich auch, wie Saaterbsen, als Viehfutter für Rinder, Schafe und Schweine verwendet werden. Hierzu genügt ein Schroten der trockenen Samen. Besser verwertet werden sie jedoch, wenn sie vorgequollen verfüttert werden (STÄHLIN).
In Trockengebieten wurde Cicer arietinum auch zur Grünfuttergewinnung angebaut und gegebenenfalls als Gründüngung genutzt. Die Heugewinnung ist selten, an Pferde verfüttert soll Heu gelegentlich Erkrankungen verursacht haben.
In Indien, so berichtet BECKER-DILLINGEN, wird die Apfel- und Oxalsäure, die die Drüsenhaare auf den grünen Pflanzen ausscheiden, durch Überdecken der Bestände mit feuchten Tüchern, die nach einiger Zeit ausgewrungen werden, als Essigersatz gewonnen.
Den Römern war die Cicer ein Sexualsymbol und der Venus geweiht. Beim Fest der Floralien wurden Samen der Kichererbse unter das Volk geworfen und mit großem Gelächter aufgefangen. Seit dem Altertum findet Cicer in der Heilkunde Anwendung: als harntreibendes Mittel, zur Förderung der Menstruation, gegen Fieber, als Aphrodisiakum und gegen Zahnweh.
Die Anbauflächen werden in Europa weiter zurückgehen
und nur noch auf Trockengebiete beschränkt bleiben, wenn es nicht
gelingt, ertragreichere Sorten zu entwickeln.
Weitere Informationen zur Art
Systematik - Unterfamilie Papilionoideae
Rhizobium-Gruppen wichtiger Leguminosae
Bestimmungsschlüssel für die Blätter wichtiger Leguminosae
Darstellung 6: Samen einiger Körnerleguminosen
Äußere Merkmale der zur Kornnutzung geeigneten Gattungen
Gehalt an Stickstoffsubstanz einiger Leguminosen in %:
Tabelle 1: Nährstoffgehalte der Samen von Körnerleguminosen in % (Mittelwerte)
Tabelle 3: Sameninhaltsstoffe einiger Körnerleguminosen (Angaben in % der TM)
Tabelle 6: Gehalt essentieller Aminosäuren in Leguminosensamen
Tabelle 8: Mittlere Mineralstoffgehalte in der TM von Leguminosensamen
Tabelle 10: Vitamingehalte in reifen Samen von Leguminosen
Darstellung 15: Relative Enzymhemmung im menschlichen Darmsaft
Abspaltbare Blausäure (HCN) aus Leguminosensamen
Roheiweißproduktion der wichtigsten Nahrungspflanzen.
Tabelle 11: Weltproduktion und Hauptproduzenten von Körnerleguminosen
Tabelle 12: Anbaufläche zur Trocken- und Grünkorngewinnung
Tabelle 13: Produktion an trockenen, bzw. frischen Samen oder Hülsen
Tabelle 14: Erträge zur Trocken- und Grünkorngewinnung
BECKER-DILLINGEN, J., 1929: Die echte Kichererbse. Cicer arietinum L. In: Handbuch des Hülsenfruchterbaues und Futterbaues. 159-164. Verlag Paul Parey, Berlin.
FAO, 1934 bis 1993: Prod. Yearbooks. FAO, Rom.
FRUWIRTH, C., 1921: Die echte Kicher, Cicer arietinum L. In: Handbuch des Hülsenfruchterbaues. 3. Aufl. 119-124. Verlag Paul Parey, Berlin.
HAWTIN, G.C., 1989: Cicer arietinum L. In: REHM: Spezieller Pflanzenbau in den Tropen und Subtropen. Handbuch der Landwirtschaft und Ernährung in den Entwicklungsländern. 2. Aufl., Bd. 4, 256-257. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
HEGI, G., 1964: Cicer L. Kichererbse. In: Illustr. Flora von Mitteleuropa. 2. Aufl., Bd. IV/3. 1498-1501. Verlag Paul Parey, Berlin.
KÖRBER-GROHNE, U., 1987: Kichererbse, Kicher (Cicer arietinum L.). Nutzpflanzen in Deutschland, Kulturgeschichte und Biologie. 361-363. Verlag Theiss, Stuttgart.
SCHÖNER ESSEN, 1989: Kichererbsen. In: Das große Buch der Vollwertküche. 123-130. Verlag Neumann und Göbel, Köln.
SINGH, K.B. & L.J.G. van d. MAESEN, 1977: Chickpea Bibliography . 1930-1974. ICRISAT, Pantencheru, A.P., Indien.
SINGH, K.B., R.S. MALHOTRA & F.J. MÜHLBAUER, 1984: An annotated Bibliography of Chickpea Genetics and Breeding. 1915-1983. ICARDA/ICRISAT, Aleppo, and Hyderabad, Indien.
SMITHSON, J.B., J.A. THOMPSON & SUMMERFIELD, 1985: Chickpea (Cicer arietinum L.). In: SUMMERFIELD & ROBERTS: Graine Legume Crops. 312-390. Collins, London.
SOUCI, S.W., W. FACHMANN & H. KRAUT, 1994: In: Hülsenfrüchte und Ölsaaten. Die Zusammensetzung der Lebensmittel. Nährwert-Tabellen. 4. Aufl., 757. CRC-Press, London, Tokyo.
STÄHLIN, A., 1957: Cicer arietinum L.
Kichererbse. In: Die Beurteilung der Futtermittel. Methodenbuch Bd. XII,
337. Verlag Neumann, Radebeul und Berlin.
Bildlegenden
Der vierkantige Stengel ist je nach Bestandesdichte mehr oder weniger verzweigt.
Die Bestände können bis zur Vollreife auf dem Feld stehen, da die Hülsen äußerst platzfest sind.