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V. Geschichte und Verbreitung der Leguminosen
W. Schuster

Die Nutzung der Hülsenfrüchte zur menschlichen Ernährung ist in der Form von Sammelfrüchten ebenso alt wie die der Getreidearten. Sie ergänzten letztere in der Ernährung durch ihren hohen Eiweißgehalt. Mit dem Beginn der Ackerkultur und der Domestizierung der Getreidearten, wurden auch die Leguminosen zu Kulturpflanzen. Alle zunächst kultivierten Hülsenfrüchtler haben ihr Ursprungsgebiet im Südosten bzw. Süden der nördlichen Hemisphäre. Daneben entwickelten sich in Äthiopien, Indien, China, Mexiko und Südamerika Ursprungs- und Genzentren für verschiedene Leguminosen (siehe bei den einzelnen Arten). Hier wurden sie zuerst in Kultur genommen und dienten, wie die Getreidearten, der menschlichen Ernährung. Die reifen Samen mit ihrer harten Schale eigneten sich getrocknet gut für eine Vorratshaltung. Die Hülsenfrüchte waren von Anfang an Breinahrung. Zum Brotbacken wurden sie, zusammen mit Getreide oder anderen Ballaststoffen, wie gemahlene Rinde, erst später in Notzeiten verwendet. Die Ausbreitung erfolgte meist mit Getreide, mit dem sie auch oft in Mischung angebaut wurden.

In der jüngeren Steinzeit waren Linsen, Erbsen und Ackerbohnen schon in Süddeutschland bekannt.

Die weitere Ausbreitung nach dem Norden verlief, nach den bisher bekannten archäologischen Funden, nur langsam. Die Wikinger scheinen noch im fünften Jahrhundert keine Hülsenfrüchte kultiviert zu haben (BECKER-DILLINGEN).

Im klassischen Altertum und bei den Ägyptern spielten Linsen, Ackerbohnen, Erbsen und Kichererbsen eine wesentliche Rolle für den Ackerbau und in der Ernährung. PLINIUS schreibt: "Der Boden, auf dem Ackerbohnen angebaut wurden, freut sich gleich, als ob er eine Düngung erhalten hätte."

Mit der Zunahme der Bevölkerung in Europa nahmen der Ackerbau und mit ihm der Anbau der Hülsenfrüchte zu. Mit den Eroberungszügen östlicher Völker kamen auch Leguminosen, die in Asien beheimatet sind, wie Vigna, nach Europa. Sie haben jedoch, wohl wegen ihrer hohen Temperaturansprüche, keine große Bedeutung erlangt. Die aus der Neuen Welt gekommenen Phaseolus-Bohnen breiteten sich dagegen im 16. und 17. Jahrhundert schnell über ganz Europa aus. Sie stehen zusammen mit den Vigna-Arten heute nach Sojabohne und Erdnuß an dritter Stelle der in der Welt kultivierten Körnerleguminosen (s. Tab. 11).

Eine weitaus größere Ausdehnung erfuhr und erfährt jedoch die aus Ostasien stammende Sojabohne mit ihrem sehr hohen Gehalt an Eiweiß und Fett in ihren Samen. Die Sojabohne verdankt ihre Wertschätzung im letzten Jahrhundert jedoch vor allem dem hohen ernährungsphysiologischen Wert ihres Eiweißes, das durch den hohen Anteil an essentiellen Aminosäuren den höchsten biologischen Wert unter den pflanzlichen Eiweißstoffen für die menschliche und tierische Ernährung aufweist (siehe Sojabohne).

Ihre Anbaufläche ist von 11,2 Mio. ha 1934 - 38 auf 56,7 Mio. ha 1991 - 93 (s. Tab. 12) und die Produktion an reifen Samen, im gleichen Zeitraum, von 12,2 Mio. t auf 109 Mio. t in der Welt gestiegen (s. Tab. 13).

Selbst in Europa, wo die Sojabohne erst später, im 20. Jahrhundert nachdem die Züchtung klimatisch angepaßte Sorten entwickelt hatte, angebaut wurde, sind die Anbauflächen von 35.000 ha 1934 - 38 auf etwa 2.0 Mio. ha 1991 - 93 angewachsen (s. Tab. 12) und die Produktion an reifen Samen hat von 27.000 t 1934 - 38 auf etwa 1,9 Mio. t zugenommen (s. Tab. 13). Andere Hülsenfrüchtler, wie die Linse, Erbse und Phaseolus-Bohne haben in weit geringerem Ausmaß im Anbau und der Samenproduktion zugenommen. Bei der Kichererbse ist die Anbaufläche gleich geblieben. In Europa und auch in der Welt ging der Ackerbohnenanbau zurück, ebenso der von Lupinen, Wicken und Vigna-Bohnen (s. Tab. 12 und 13).

Von seiten der Pflanzenzüchtung wurden die Hülsenfrüchtler lange Jahre vernachlässigt. Auch sind die Bemühungen heute in den verschiedenen Gebieten und Ländern, je nach wirtschaftlicher Bedeutung, sehr verschieden. Eine intensive Züchtung wird von internationalen Institutionen (siehe bei den einzelnen Arten) für die südamerikanischen und asiatischen Entwicklungsländer an Phaseolus- und Vigna-Bohnen und an Lupinen betrieben. Im Vordergrund der Zuchtprogramme stehen, neben der Ertragssteigerung, die Verbesserung der Qualität der Samen durch Erhöhung des Anteils an essentiellen Aminosäuren, Verminderung oder Beseitigung von schädlichen oder toxischen Stoffen und die Toleranz oder Resistenz gegen Schaderreger. Auch die Anpassung an unterschiedliche Klimaverhältnisse sowie die Verbesserung von ertragssichernden Eigenschaften, wie Standfestigkeit, Platzfestigkeit, frühe Reife u.a.m., wird angestrebt.

Die "kleinen", Arten mit geringer Anbaufläche, werden in Europa züchterisch kaum noch bearbeitet, wie Lathyrus sativus, Cicer arietinum, Lablab purpureus, Trigonella foenum graecum u.a.

Ein Beispiel, wie sich eine Intensivierung der Züchtung bei steigendem Interesse an einer Leguminosenart auswirken kann, zeigen die Ertragssteigerungen bei Pisum sativum in Europa, wie aus Tabelle 14 zu ersehen ist. Auch bei der Ackerbohne konnten beachtliche Züchtungserfolge erzielt werden: neben Ertragserhöhungen, Verbesserung der Standfestigkeit, Erhöhung des Hülsenansatzes, frühere und gleichmäßigere Abreife u.a. Beide Arten wurden als Alternativpflanzen zur Reduzierung des zu hohen Getreideanbaues in Europa gefördert und als wirtschaftseigenes Eiweißfutter propagiert. Nach dem reichlichen und billigen Angebot von Sojaschrot, ist das Interesse trotz hoher Erträge von 50 bis 60 dt/ha bei Erbsen und Ackerbohnen wieder weitgehend zurückgegangen, um jedoch 1993/94 wieder zu steigen.

Eine wirksame Verbesserung der Qualität der Sameninhalte, auch für besondere Nutzungen, kann die Verwertbarkeit der Körnerleguminosen bei vielen Arten erhöhen und dadurch den Anbauwert steigern, auch wenn keine erhöhte Nachfrage im Augenblick gegeben ist. Hier warten noch große Aufgaben auf die Pflanzenzüchtung.

Tabelle 12: Anbaufläche von verschiedenen Leguminosen zur Trocken- und Grünkorngewinnung in 1.000 ha

A: in der Welt, B: in Europa (FAO-Jahrbücher)
Kulturart
1934-1938
1948-1952
1961-1965
1974-1976
1984-1986
1987-1989
1991-1993
 
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
Sojabohne 
Glycine max
11.200 35 16.024 46 28.437 20 37.798 271 52.522 664 53.010 964 55.927 1.013
Erdnuß (mit Schale) 
Arachis hypogaea
8.900 12 11.246 17 18.338 15 18.920 9 18.895 10 18.945 13 20.524 16
Linse 
Lens culinaris
1.230 110 1.556 133 1.772 106 1.836 94 2.600 95 3.054 124 3.298 59
Bohne1)
Vigna spec. und Phaseolus spec.
13.400 3.430 15.148 3.319 22.145 4.146 23.291 1.819 25.861 1.296 26.314 1.264 24.978 578
Erbse 
Pisum sativum
5.800 540 6.826 587 11.255 480 7.605 251 9.089 611 9.594 959 8.474 1.274
Kichererbse 
Cicer arietinum
8.700 400 10.187 542 11.855 399 10.140 193 9.874 134 9.738 124 10.139 76
Ackerbohne 
Vicia faba
4.600 1.090 4.566 882 4.997 840 3.886 455 3.231 312 3.264 303 2.973 210
Straucherbse2) 
Cajanus cajan
    2.408   2.713   2.8513)              
Augenbohne 
Vigna unguiculata
    1.510 11 2.890 8 5.1453) 7            
Lupinen
Lupinus spec.
    671 319 1.318 239 6883) 126            
Wicke 
Vicia sativa
    1.553 342 2.132 333 1.5293) 121            
Grüne Bohnen     338 133 461 167 413 160 446 153 448 153 449 139
Grüne Erbsen     410 155 604 239 810 297 777 281 755 265 764 214


Tabelle 13: Produktion an trockenen, bzw. frischen Samen oder Hülsen von verschiedenen Leguminosen in 1.000 t

A: in der Welt, B: in Europa (FAO-Jahrbücher)
Kulturart
1934-1938
1948-1952
1961-1965
1974-1976
1984-1986
1987-1989
1991-1993
 
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
A
B
Sojabohne 
Glycine max
12.240 27 15.953 26 32.514 15 58.076 399 95.443 1.281 98.284 2.281 109.292 1.850
Erdnuß (mit Schale) 
Arachis hypogaea
8.800 25 9.512 25 15.937 27 17.830 21 20.988 21 21.721 25 24.379 24
Linse 
Lens culinaris
660 70 837 66 1.039 67 1.127 69 1.890 84 2.457 101 2.642 52
Bohne1) Vigna spec. 
u. Phaseolus spec.
6.200 1.010 6.683 737 9.896 913 12.458 706 14.802 785 14.776 795 16.275 504
Erbse 
Pisum sativum
5.200 650 5.844 750 10.788 644 9.675 487 13.140 2.202 14.503 3.397 14.418 4.959
Kichererbse 
Cicer arietinum
4.700 180 5.385 231 7.058 206 6.245 112 6.891 93 6.902 89 7.130 55
Ackerbohne 
Vicia faba
4.900 1.170 4.377 744 4.575 849 4.156 570 4.269 549 4.571 612 4.033 387
Straucherbse2) 
Cajanus cajan
    1.400   1.773   9.7543)              
Augenbohne 
Vigna unguiculata
    537 11 818 5 9.0863) 6            
Lupinen
Lupinus spec.
    367 300 717 235 6073) 121            
Wicke 
Vicia sativa
    1.037 244 1.937 239 1.7683) 129            
Grüne Bohnen     1.357 605 2.536 1.004 2.537 1.104 2.952 1.156 2.914 1.138 3.101 1.107
Grüne Erbsen     1.982 776 3.247 1.482 4.704 2.159 5.135 2.473 4.587 2.078 4.554 1.626


Tabelle 14: Erträge von verschiedenen Leguminosen zur Trocken- und Grünkorngewinnung in dt/ha

A: in der Welt, B: in Europa (FAO-Jahrbücher)
Kulturart 1934-1938 1948-1952 1961-1965 1974-1976 1984-1986 1987-1989 1991-1993
  A B A B A B A B A B A B A B
Sojabohne 
Glycine max
10,9 7,7 10,0 5,7 15,4 14,7 18,2 17,0 12,5 27,0 9,8 5,4 11,4 7,9
Erdnuß (mit Schale) 
Arachis hypogaea
9,9 20,8 8,5 14,7 9,4 22,5 11,1 20,5 16,0 15,0 8,8 15,8 9,1 18,0
Linse 
Lens culinaris
7,5 6,1 5,4 5,0 6,1 7,3 7,2 8,8 8,0 7,1 5,9 5,8 5,8 6,3
Bohne1) Vigna spec. 
u. Phaseolus spec.
3,4 5,8 4,4 2,3 5,4 3,9 5,7 6,1 6,5 8,7 4,4 2,7 4,5 2,2
Erbse 
Pisum sativum
9,1 12,1 8,5 12,8 12,7 19,4 14,4 36,1 17,1 39,3 8,4 12,9 9,6 13,8
Kichererbse 
Cicer arietinum
5,8 4,7 5,3 4,3 6,2 5,8 7,0 7,0 7,0 7,2 5,7 4,7 5,1 8,1
Ackerbohne 
Vicia faba
10,6 10,2 9,6 8,4 10,7 12,5 13,2 17,6 13,6 19,0 9,8 9,3 9,9 10,2
Straucherbse2) 
Cajanus cajan
    5,8   6,7           7,3   6,5  
Augenbohne 
Vigna unguiculata
    3,6 10,0 2,23) 8,0         4,1 10,0 2,8 6,3
Lupinen
Lupinus spec.
    5,5 9,4 8,13) 9,3         4,7 9,4 5,4 9,9
Wicke 
Vicia sativa
    6,7 7,2 11,23) 13,0         7,0 7,6 9,5 9,3
Grüne Bohnen     41 46 50 62 61,5 69,0 66,2 75,7 66,1 74,5 68,1 79,8
Grüne Erbsen     33 51 41 64 58,1 72,6 66,1 87,9 60,7 78,2 59,6 76,0

Literatur

ATANASIU, N., 1971: Sonstige Körnerleguminosen. In: v. BLANCKENBURG & CREMER: Handbuch der Landwirtschaft und Ernährung in den Entwicklungsländern. Bd. 2: Pflanzliche und tierische Produktion in den Tropen und Subtropen. 379-386.Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

BECKER-DILLINGEN, J., 1929: Handbuch des Hülsenfruchterbaues und Futterbaues. Verlag Paul Parey, Berlin.

C.A.R.M.E.N., Rimpar, 1995: Amylose-Erbsen mit großem Zukunftspotential. Raps. Nr. 1, 42-43.

FAO, 1952 - 1993: Production Yearbooks, FAO, Rom.

FRUWIRTH, C., 1929: Handbuch des Hülsenfruchterbaues und Futterbaues. 3. Aufl. Verlag Paul Parey, Berlin.

GEISLER; G., 1980: Körnerleguminosen. In: Pflanzenbau. 305-323. Verlag Paul Parey, Berlin.

HEGI, G., 1964: Leguminosae, Hülsenfrüchte. In: Illustr. Flora von Mitteleuropa. 2. Aufl., Bd. IV/3. Verlag Paul Parey, Berlin.

KÖRBER-GROHNE, U., 1987: Hülsenfrüchte, unsere Quelle fürs pflanzliche Eiweiß. In: Nutzpflanzen in Deutschland. Kulturgeschichte und Biologie. 97-139. Verlag Konrad Theis, Stuttgart.

LENNERTS, L., 1984: Gewinnung von Eiweißkonzentraten. In: Ölschrote, Ölkuchen, pflanzliche Öle und Fette. 126. Verlag Alfred Strothe, Hannover.

MANSFELD, R., 1986: Leguminosae. In: Verzeichnis landw. Kulturpflanzen.. 2. Aufl., Bd. 1-4, 430-698. Verlag Springer, Berlin.

PAHLOW, M., 1979: Das große Buch der Heilpflanzen. Verlag Gräfe und Unzer, München.

RACHE, K. O. & L. M. ROBERTS, 1974: Grain legumes of the lowland Tropics. Adv. Agron. 26, 1-192.

REHM, S., 1989: Leguminosae. In: Handbuch der Landwirtschaft und Ernährung in den Entwicklungsländern. 2. Aufl., Bd. 4: Spezieller Pflanzenbau in den Tropen und Subtropen. 254-276. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

REHM, S. & G. ESPIG, 1984: Die Kulturpflanzen der Tropen und Subtropen. 2. Aufl., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

SCHAUENBERG, G. P. & F. PARIS, 1975: Heilpflanzen. 2. Aufl., BLV Verlagsgesellschaft, München, Bern, Wien.

SCHEIBE, A., 1953: Hülsenfruchtbau. In: ROEMER, SCHEIBE, SCHMIDT, WOERMANN: Handbuch der Landwirtschaft. 2. Aufl., Bd. II. Pflanzenbaulehre. 248-317. Verlag Paul Parey, Berlin.

SCHUSTER, W. H., 1992: Ölpflanzen in Europa. DLG-Verlag, Frankfurt/Main.

STÄHLIN; A., 1957: Leguminosae, Hülsenfruchtgewächse. In: Die Beurteilung der Futtermittel. Methodenbuch Bd. XII. 328-399. Verlag Neumann, Radebeul und Berlin.

STÄHLIN, A., 1960: Die Acker- und Grünlandleguminosen im blütenlosen Zustand. DLG-Verlag, Frankfurt/Main.

ZANDER, R., 1993: Handwörterbuch der Pflanzennamen. 14. Aufl., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

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