Previous PageNext Page

Saat-Platterbse, Kicherling, (Lathyrus sativus L.)

Biologie - Geschichte und Verbreitung - Nutzung und Bedeutung - Weitere Informationen - Literatur - Bildlegenden

Biologie

In der Gattung Lathyrus, die nach HEGI etwa 120 Arten umfaßt, ist L. sativus als einzige für eine Kornnutzung in der menschlichen und tierischen Ernährung geeignet. Deshalb sind auch die Bezeichnungen "Deutsche Kicher" oder "Eßbare Platterbse" gebräuchlich. Insbesondere wurde und wird hierfür (nach BECKER-DILLINGEN) nur var. pseudocicera Schu. f. albus (Alef.) Aschers. et Graebn. angebaut. L. sativus besitzt, wie alle Lathyrus-Arten, n = 7 Chromosomen (SCHEIBE). Es sind jedoch bisher keine gelungenen Bastardierungen zwischen verschiedenen Arten bekannt geworden.

Die Eßbare Platterbse ist einjährig, sie kann aber auch im Mittelmeergebiet über Winter kultiviert werden. Die Wurzel besteht aus einer Hauptwurzel mit kräftigen Nebenwurzeln, die unter entsprechenden Anbaubedingungen reichlich mit Knöllchenbakterien besetzt sind. Die rankenden, kahlen, 30 bis 120 cm langen, vierkantigen Stengel sind deutlich geflügelt und verzweigen sich bei entsprechend weitem Stand vom Grund her stark buschig und verästelt. Die bläulichgrünen Blätter sind einpaarig gefiedert und enden in einer mehrfach geteilten Wickelranke. Die Blüten stehen alleine oder zu zweit an einem Stiel in den Achseln eines Nebenblattpaares. Die pfriemförmigen Nebenblätter sind nicht ganz so lang wie die Blattstiele. Der Kelch hat 5 über die Röhre hinausragende Zipfel. Die Blütenkrone ist stark asymmetrisch, weiß gefärbt, zum Teil geadert.. Andere Formen haben blaue, rosa, violette oder bunte Blüten. Meist herrscht Selbstbefruchtung, da die Antheren vor Öffnung der Blüten platzen. Fremdbefruchtung durch Bienen und Hummeln ist jedoch recht häufig (HOFFMANN). Die Hülsen sind flachgedrückt, langoval, geschnäbelt und an der Naht doppelt geflügelt. In diesen sitzen 3 bis 4 elfenbein- bis grünlichweiße, keilförmige, unregelmäßig eingedellte Samen mit einem ovalen 1,5 bis 2 mm langen Nabel. Bei anderen Formen sind die Samen graugrün bis braun, oft gesprenkelt. Das Tausendkorngewicht schwankt bei der Eßbaren Platterbse von 135 bis 560 g. An chemischer Zusammensetzung der Samen nennen BECKER-DILLINGEN und SCHEIBE: 25% Roheiweiß, 2,2% Rohfett und 51% stickstofffreie Extraktstoffe, davon 31% Stärke, 2,8% Zucker, 6,5% Rohfaser und 2,8% Asche. Die biologische Wertigkeit des Eiweißes entspricht der von Erbsen.

Seit dem 17. Jahrhundert wird von Vergiftungserscheinungen nach dem Genuß von Platterbsen-Samen oder Mehl aus diesen berichtet. Die Ursache hierfür soll ein Alkaloid "Lathyrin" sein, das jedoch durch Kochen zerstört wird. Die Angaben in der Literatur sind recht unterschiedlich. Heute wird die Meinung vertreten, daß Vergiftungen nur dann auftreten, wenn Lathyrusmehl aus Samen von Lathyrus cicera oder von dunkelsamigen Formen von Lathyrus sativus in größeren Mengen oder aber über längere Zeiträume gegessen wird, wie z.B. in Notzeiten durch starke Beimischung zum Brotgetreide (LIMBERG; HACKBARTH). Die weißen Samen, die seit altersher der Ernährung von Mensch und Tier dienen sind unbedenklich (HEGI; BECKER-DILLINGEN).

Geschichte und Verbreitung

Lathyrus sativus ist eine alte Kulturpflanze. Samenfunde liegen aus mehreren prähistorischen Siedlungen in Ägypten, Kleinasien und Bosnien vor. Nach HEGI ist die Pflanze wahrscheinlich aus dem armenisch-pontisch-kaspischen Gebiet nach Ägypten gekommen. In der jüngeren Steinzeit gelangte sie von dort nach Südeuropa. Schon die Römer beschreiben verschiedene Rassen von L. sativus. Nördlich der Alpen wird sie erst im 16. Jahrhundert von FUCHS (1543) als "Weiße Erven" und von BOCK (1551) erwähnt. BOCK nennt einen "Kicher"-Anbau zwischen Worms und Speyer und hebt den angenehm kräftigen Geschmack von Platterbsensuppe hervor.

Im gesamten Mittelmeergebiet ist L. sativus zur Samengewinnung schon seit dem Altertum eingebürgert. In Deutschland wurde sie erst seit Beginn des 16. Jahrhunderts im Ober- und Mittelrheingebiet sowie in Bayern und Sachsen angebaut, jedoch nicht sehr häufig. In Österreich war sie früher in den wärmeren, trockeneren Gebieten von Nieder- und Oberösterreich, Südmähren und Böhmen zu finden, ebenfalls im Schweizer Mittelland (Bern) und dem Schweizer Jura.

Eine Wildform von L. sativus ist bis heute nicht bekannt. Nach SCHEIBE liegt ein Genzentrum für L. sativus in den Hochflächen von Afghanistan und Nordwestindien und nach VAVILOV ein zweites, "sekundäres" im Mittelmeerraum.

Angebaut wurde die weiße Lathyrus sativus bis heute zur Korngewinnung in nordwestlichen und zentralen Gebieten Indiens, östlich des Himalaja, in Kleinasien sowie in Spanien, Italien, Südfrankreich, Algerien, Ägypten und Abessinien. BECKER-DILLINGEN nennt an Anbauflächen für 1926 in Italien etwa 4.500 ha, in Algerien für 1925/26 3.500 ha. Nach LIMBERG hat die Saatplatterbse, dank ihrer Trockenresistenz, in Asien und Nordafrika eine Bedeutung als Volksnahrungsmittel erlangt.

Nutzung und Bedeutung

Wie schon der Überblick der Verbreitung zeigt, hat L. sativus höhere Wärmeansprüche als die Saaterbse. Sie bringt jedoch dafür höhere Kornerträge unter warmen, trockenen Anbaubedingungen als Pisum sativum, wie vergleichende Anbauversuche von L. sativus mit P. sativum von LIMBERG deutlich aufzeigen. Weiter bevorzugt L. sativus kalkreiche, milde Lehmböden, sie wächst aber auch auf sandigen Böden recht gut.

Von einigen Autoren wird der hohe Eiweißgehalt in den Samen von L. sativus hervorgehoben. In den genannten alten Anbaugebieten werden die weißsamigen Platterbsen reif und auch unreif, grün als Gemüse und Suppe gegessen. In den Balkanländern wurde Platterbsenmehl dem Brot (besonders in Notzeiten) beigemischt. Außerdem ergeben reife Platterbsen ein gutes Mastfutter für Schweine und Rinder (Ingrassamerzo = Fleischmäster). Auch können die Samen von L. sativus, wie die anderer Leguminosen, geröstet als Kaffee-Ersatz dienen. Alte Kräuterbücher empfehlen Platterbsenmehl gegen Schwindsucht.

In Mitteleuropa ist der Anbau der "Eßbaren Platterbse" in einer auf hohe Erträge ausgerichteten Landwirtschaft seit längerem verschwunden. Die Samenerträge mit bis zu 50 dt/ha der jetzt in Europa angebauten Erbsensorten sind durch die neueren Zuchterfolge so hoch, daß die Leistungen von L. sativus-Sorten wie "Thyra", die nur wenig züchterisch bearbeitet wurden, mit maximal 20 bis 30 dt/ha nicht konkurrieren können. Auch sind die Nährstoffgehalte in den Samen der jetzigen Zuchtformen von beiden Arten sehr ähnlich, so daß sich hieraus keine Vorteile für die eine oder die andere Art ergeben. Ein begrenzter Anbau für eine spezielle Nutzung zur Herstellung von besonderen Gerichten im Vollwert-Küchenbereich wäre denkbar, so daß ein Anreiz für weitere züchterische Verbesserungen gegeben ist.

Das Stroh der Platterbsen ist ein nährstoffreiches Futter für Schafe und Rinder.

Über die Nutzung von Lathyrus sativus als Grünfutterpflanze wird eingehend von LIMBERG berichtet.

Weitere Informationen zur Art

Systematik - Unterfamilie Papilionoideae

Rhizobium-Gruppen wichtiger Leguminosae

Bestimmungsschlüssel für die Blätter wichtiger Leguminosae

Darstellung 6: Samen einiger Körnerleguminosen

Äußere Merkmale der zur Kornnutzung geeigneten Gattungen

Tabelle 1: Nährstoffgehalte der Samen von Körnerleguminosen in % (Mittelwerte)

Darstellung 15: Relative Enzymhemmung im menschlichen Darmsaft

Roheiweißproduktion der wichtigsten Nahrungspflanzen.

Tabelle 11: Weltproduktion und Hauptproduzenten von Körnerleguminosen

Geschichte und Verbreitung der Leguminosen

Literatur

BECKER-DILLINGEN, J., 1929: Hülsenfrüchte 2. Die Saat-Platterbse. In: Handbuch des Hülsenfruchterbaues und Futterbaues. 69-74. Verlag Paul Parey, Berlin.

FRUWIRTH, C., 1921: Platterbse, Lathyrus sativus L. In: Handbuch des Hülsenfruchterbaues. 3. Aufl., 162-166. Verlag Paul Parey, Berlin.

HACKBARTH, J., 1969: Ökologische Anbauversuche mit Sorten und Zuchtstämmen von Pisum arvense und Lathyrus sativus. Estrakko da Genetica Agraria Vol. XXIII -Fasc. 1-4. 425-435.

HEGI, G., 1924: Lathyrus sativus L. In: Illustr. Flora von Mitteleuropa. Bd. IV/3. 1604-1606. Verlag Lehmanns, München.

HOFFMANN, U., 1952: Blütenbiologische Untersuchungen an verschiedenen Lathyrus-Arten. Z. angew. Bot. 26, 239-255.

LIMBERG, P., 1959: Der Einfluß der Aussaatzeit auf die Ertragsbildung von Lathyrus sativus L. im Vergleich mit anderen Leguminosen. Z. Acker- und Pflanzenbau, 109, 141-172.

SCHEIBE, A., 1953: Die Platterbsen (Lathyrus spec.). In: ROEMER, SCHEIBE, SCHMIDT, WOERMANN: Handbuch der Landwirtschaft. 2. Aufl., Bd. II, 296-298. Verlag Paul Parey, Berlin.

WASSILJEW, G.N., 1937: Tschina posewnoja (Lathyrus sativus L.). Lenin Acad. of Agric. Sc. Moskau, Leningrad (russ.).

Bildlegenden

Bestand der weißen Saatplatterbse in Vollblüte.

Einzelpflanzen der Eßbaren Platterbse. Die Blätter sind einpaarig und enden in einer gestielten Wickelranke. Der Stengel ist vierkantig und deutlich geflügelt.

Die weiß gefärbte Blütenkrone ist asymmetrisch. Es überwiegt meist Selbstbefruchtung.

Die Wurzel besteht aus einer Hauptwurzel mit kräftigen Nebenwurzeln, die mit reichlich Knöllchen der weit verbreiteten Art Rhizobium leguminosarum besetzt sind.

Die Hülsen sind langoval, geschnäbelt, flach gedrückt und an der Naht doppelt geflügelt.

Sie enthalten 3 bis 4 keilförmige Samen.

Die Samen haben ein Tausendkorngewicht von 135 560 g und sind grünlich- bis elfenbeinweiß gefärbt und unregelmäßig eingedellt.

Previous PageTop Of PageNext Page