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III. Nutritive und antinutritive Inhaltsstoffe der Leguminosen
R. Marquard

Einleitung

Der Begriff nutritiv wird für alle Inhaltsstoffe verwendet, die ernährungsphysiologisch positiv zu bewerten sind. Zu den nutritiven Inhaltsstoffen von Nahrungsmitteln zählen grundsätzlich Proteine, Fette und Kohlenhydrate, daneben Mineralstoffe und Vitamine als Katalysatoren bei verschiedenen Stoffwechselvorgängen. Die Gruppe der Ballaststoffe, die nach der sog. WEENDER-Analyse auch als Rohfaser bezeichnet wird, ist in ihrer Gesamtheit nicht zuzuordnen, da sie eine äußerst heterogen zusammengesetzte Fraktion repräsentiert, in der sowohl nutritive als auch antinutritive Komponenten enthalten sein können. Der Begriff antinutritiv wird sehr weit verwendet. Einerseits bezeichnet man damit Stoffe, die unverdaulich oder nicht resorbierbar sind. Weiterhin Verbindungen, welche die Resorption von nutritiven Stoffen verhindern oder einschränken oder letztlich direkt toxisch wirken.

Bei diesen antinutritiven Komponenten von Nahrungsmitteln oder Rohstoffen ist zu unterscheiden, ob es sich um genuine Pflanzeninhaltsstoffe handelt, d.h. die in der Pflanze synthetisiert werden, oder ob sie durch äußere Einflüsse, z.B. als Rückstände von Pflanzenschutzmitteln oder durch Immissionen in oder auf die Pflanze gelangt sind.

In der folgenden Ausführung wird nur auf genuine Inhaltsstoffe der Leguminosensamen eingegangen.

Nutritive Inhaltsstoffe der Leguminosen

Durch die Symbiose mit Knöllchenbakterien steht den Leguminosen in aller Regel ausreichend Stickstoff für die Proteinbiosynthese zur Verfügung, so daß im Vergleich mit anderen Kulturen die Proteingehalte der Samen recht hoch sind.

Bezüglich der übrigen Sameninhaltsstoffe bestehen teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den Leguminosenarten, wie aus Tabelle 1 und 3 zu ersehen ist.

Die Tabelle 3 enthält Mittelwerte, die aus verschiedenen Literaturangaben zusammengestellt wurden (BELITZ und GROSCH; SOUCI, FACHMANN und KRAUT; GROSS; RÖMER) und somit dem aktuellen Stand der Humanernährung entsprechen.

In Abhängigkeit von Sorte und Anbauort können jedoch erhebliche Abweichungen von diesen Mittelwerten auftreten.

Tabelle 3: Sameninhaltsstoffe einiger Körnerleguminosen (Angaben in % der TM)
Name Systematischer Name Rohprotein (%) Rohfett (%) Verd. Kohlenhydrate (%) Ballaststoffe (%) Mineralstoffe (%)
Sojabohne Glycine max 39,0 19,6 7,6 16,6 5,5
Erdnuß Arachis hypogaea 27,4 50,7 9,1 7,5 2,7
Erbse Pisum sativum 25,7 1,4 53,7 18,7 2,9
Gartenbohne Phaseolus vulgaris 24,1 1,8 54,1 19,2 4,4
Feuerbohne Phaseolus coccineus 23,1 2,1 48,7 17,2 3,9
Limabohne Phaseolus lunatus 25,0 1,6 50,8 13,5 3,9
Urdbohne Vigna mungo  
(Phaseolus mungo)
26,9 1,6 46,3 16,6 3,6
Mungbohne Vigna radiata  
(Phaseolus aureus)
26,7 1,3 51,7 21,7 3,8
Augenbohne Vigna unguiculata 26,5 1,6 47,1 16,1 4,0
Goabohne Psophocarpus tetragonolobus 37,0 18,1 34,4 5,8 4,3
Kichererbse Cicer arietinum 22,7 5,0 54,6 10,7 3,0
Sau-(Pferde-) bohne Vicia faba 26,7 2,3 44,8 18,1 3,6
Linse Lens culinaris 26,6 1,6 57,6 11,9 3,6
Lupinen Lupinus mutabilis 42,8 17,5 20,3 7,1 3,6
  Lupinus albus 37,6 11,6 36,5 6,5 3,5
  Lupinus luteus 38,1 6,1 31,2 16,6 4,5
Proteine: Neben dem Proteingehalt von Nahrungsmitteln spielt besonders die biologische Wertigkeit der Proteine, die aus der Aminosäurezusammensetzung resultiert, eine entscheidende Rolle. Zur Bewertung der Proteinqualität werden sowohl chemische Parameter, die sich aus der Analyse des Proteins ergeben, als auch biologische Parameter, die aus Fütterungsversuchen oder in Testreihen mit Versuchspersonen ermittelt werden, herangezogen.

Chemische Parameter: Biologische Parameter: Bei der Verwendung der Bewertungsmaßstäbe sollte der aus der Aminosäurezusammensetzung errechnete Proteingehalt nicht als "Biologische Wertigkeit" bezeichnet werden, da hierbei die Verdaulichkeit des Proteins und die Resorption der Aminosäuren unberücksichtigt bleiben.

Da die Erfassung chemischer Parameter einfacher ist und Korrelationen zu den biologischen Parametern bestehen, liegen wesentlich mehr Ergebnisse aus diesem Bereich vor.

Die als Bausteine der Proteine vorkommenden Aminosäuren haben eine unterschiedliche ernährungsphysiologische Bedeutung, wie aus Tabelle 4 zu ersehen ist.

Tabelle 4: Physiologische Bedeutung der Aminosäuren in der Humanernährung (nach ELMADFA u. LEITZMANN)
Klassische essentielle Aminosäuren
Isoleucin Leucin Lysin Methionin*
Phenylalanin Threonin Tryptophan Valin
Für optimale Verwertung und Entgiftung von Aminosäuren
Arginin  
 
Essentiell für Früh- und Neugeborene
Histidin Tyrosin Cystin*  
Für optimale Verwertung von Aminosäuren bei parentaler Zufuhr
Alanin Prolin    
Unspezifische N-Quellen
Glutaminsäure Asparaginsäure    
Glycin Serin Ornithin  
* schwefelhaltige Aminosäuren

Die Speicherorgane der Leguminosensamen sind die Keimblätter und daraus resultierend unterscheiden sich die nach der OSBORNE-Methode fraktionierbaren Speicherproteine in ihren Anteilen deutlich von den Getreideproteinen, wie aus Tabelle 5 hervorgeht.

Tabelle 5: Proteinfraktionen in Leguminosensamen nach der OSBORNE-Methode (Anteile in %)
Fraktionen
Sojabohne
Erdnuß
Erbse
Mungbohne
Saubohne
Albumine
10
15
21
4
20
Globuline
90
70
66
67
60
Gluteline
0
10
12
29
15
Das Protein der Sojabohne unterscheidet sich von den übrigen dadurch, daß es nur aus Albuminen und Globulinen besteht. Da diese beiden Fraktionen, die den Konstitutionseiweißen zugeordnet werden, eine ernährungsphysiologisch günstigere Aminosäurezusammensetzung aufweisen als die echten Lagereiweiße, zu denen die Gluteline zu zählen sind, ergibt sich bereits aus dieser Fraktionierung ein Hinweis auf die hohe Wertigkeit des Sojaproteins.

Eine direkte Bewertung der Proteine erfolgt, wie bereits dargelegt, über die Anteile der essentiellen Aminosäuren im Vergleich mit dem Aminosäuremuster eines sog. FAO (Food and Agriculture Organisation of the UN) und WHO (World Health Organisation) -Referenzproteins.

Aus der Gegenüberstellung der Anteile essentieller Aminosäuren geht hervor, daß durch den vergleichsweise niedrigen Gehalt an schwefelhaltigen Aminosäuren die Proteinwertigkeit limitiert wird. Relativ hoch sind die Gehalte von Cystin und Methionin bei der Sojabohne und der Kichererbse, so daß sich für die Summen beider Aminosäuren ein Chemical Score von ca. 0,74 zum Methioningehalt des Referenzproteins ergibt. Auch im Protein der Augenbohne ist ein vergleichsweise hoher Methioningehalt von 1,4 g vorhanden; in der Summe mit Cystin liegt der CS jedoch nur bei 0,54 (vgl. Tab. 6).

Tabelle 6: Gehalt essentieller Aminosäuren in Leguminosensamen im Vergleich zum FAO/WHO-Referenzprotein (Angaben in g AS/16 g N)
 
Aminosäuren
Pflanze CYS MET LYS ILE LEU PHE THY THR TRP VAL
Sojabohne 1,3 1,3 6,4 4,5 7,8 4,9 3,1 3,9 1,3 4,8
Erdnuß 1,5 1,0 3,6 3,4 6,4 4,9 3,2 2,7 1,1 4,0
Erbse 1,0 0,9 7,3 4,2 7,0 4,4 3,1 3,8 1,5 4,7
Gartenbohne 0,8 1,0 7,2 4,2 7,6 5,2 2,6 4,0 1,1 4,6
Kichererbse 1,4 1,3 6,9 5,8 7,4 4,8 3,3 3,5 0,8 4,9
Augenbohne 0,5 1,4 6,6 7,1 9,0 5,5 2,6 4,3 1,4 7,4
Pferdebohne 0,8 0,7 6,5 4,0 7,1 4,3 3,2 3,4 1,1 4,4
Linse 0,9 0,8 7,2 4,3 7,6 5,2 3,3 4,0 1,1 5,0
Lupine* 1,4 0,8 5,3 4,4 7,2 3,7 3,5 3,6 1,0 4,0
Lupine** 1,5 0,8 5,4 4,7 7,4 3,6 3,7 4,0 0,8 4,0
Ref. Protein
3,5
5,5 4,0 7,0
6,1
4,0 1,0 5,0
* Lupinus albus ** Lupinus mutabilis

Die Proteine der Erdnuß und beider Lupinenarten enthalten zwar relativ viel Cystin, da aber Cystin nur mit dem Faktor von ca. 0,9 in die Berechnung eingeht, liegt der CS für die Thioaminosäuren etwa zwischen 0,5 und 0,6.

Sehr günstig ist der Lysingehalt im Protein der Leguminosen zu bewerten. Mit Ausnahme von Erdnuß wird der Anteil im Referenzprotein erreicht oder gar überschritten. Da in den Getreideproteinen das Lysin die Wertigkeit limitiert und Thioaminosäuren in ausreichender Menge vorhanden sind, wird bei gleichzeitigem Verzehr oder der Verfütterung von Getreide und Leguminosen die Proteinwertigkeit beider Komponenten wesentlich verbessert.

In der praktischen Tierernährung werden Schrote aus Leguminosensamen, wie Soja und Erdnuß, durch den Zusatz von synthetischem Methionin aufgewertet.

Fette sind einerseits unspezifische Energieträger in der Nahrung, sie liefern aber auch in Form der mehrfach ungesättigten Fettsäuren essentielle Bausteine für den menschlichen und tierischen Organismus. Die Fette aller Leguminosenarten zeichnen sich durch einen hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren aus und sind somit ernährungsphysiologisch wertvoll. In der folgenden Tabelle 7 sind die Fettsäuremuster der 4 fettreichsten Arten (vgl. Tab. 1) zusammengestellt, wobei im ,,Rest" vorwiegend langkettige Fettsäuren z.B. Lignocerinsäure (C 24:0), Eicosensäure (C 20:1), Erucasäure (C 22:1) und Nervonsäure (C 24:1) zusammengefaßt sind:

Tabelle 7: Fettsäuremuster der fettreichsten Leguminosenarten (Anteile der Fettsäuren in %)
  Erdnuß Sojabohne Goabohne Lupine* Lupine**
Ölgehalt in % 50,7 19,6 18,1 17,5 11,6
Palmitinsäure 10,6 10,3 10,6 8,1 7,5
Stearinsäure 3,5 3,7 6,0 6,7 1,8
Ölsäure 55,5 21,4 38,4 56,0 50,3
Linolsäure 22,6 54,2 23,2 27,2 22,0
Linolensäure - 8,7 1,6 0,9 11,7
Arachinsäure 2,4 0,5 1,3 0,2 1,7
Behensäure 1,9 - 16,6 0,2 2,
Rest 3,5 1,7 2,3 0,7 2,7
* Lupinus mutabilis ** Lupinus albus

Erdnuß und Sojabohne dienen in großem Umfang als Rohstoffe für Speiseöle. Der Linolensäureanteil im Sojaöl, der lange Zeit unerwünscht war, weil dadurch die Lagerfähigkeit (Oxidationsstabilität) des Öles vermindert wird, wird heute eher positiv beurteilt, nachdem erkannt wurde, daß die Linolensäure als Omega-3-Fettsäure essentielle Funktionen hat, die von der Linolsäure nicht übernommen werden können. Ernährungsphysiologisch negativ werden die langkettigen Fettsäuren beurteilt, die vor allem im Öl der Goabohne reichlich vorhanden sind.

Kohlenhydrate (KH)

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen löslichen bzw. verdaulichen Kohlenhydraten und sog. Rohfaser- oder Ballaststoffen.

a. Lösliche Kohlenhydrate

b. Unlösliche Kohlenhydrate (Ballaststoffe) Mineralstoffe und Vitamine

Wie aus Tabelle 3 zu ersehen ist, besteht eine erhebliche Variation in den Gesamt-Mineralstoffgehalten der Arten. Insgesamt werden nach Nährwerttabellen die Hülsenfrüchte als "reich an Mineralstoffen und Vitaminen" eingestuft. In der folgenden Tabelle 8 sind mittlere Gehalte einiger Makro- und Mikroelemente zusammengestellt. Wesentliche Aussage der Tabellenwerte ist der sehr niedrige Ca-Gehalt und daraus resultierend ein äußerst ungünstiges Ca : P-Verhältnis. Auch wenn man bei den P-Gehalten der Leguminosen davon ausgehen kann, daß davon erhebliche Anteile als Phytin-P vorliegen, so bleibt doch der zu niedrige Ca-Gehalt und das schlechte Ca : P-Verhältnis, das bei Nichtwiederkäuern etwa bei 1,5 : 1 bis 1 : 1 liegen soll. Weiterhin ist auch die Na-Konzentration sehr niedrig, so daß bei Verfütterung oder auch in der Humanernährung auf eine ausreichende Versorgung mit Kochsalz zu achten ist.

Tabelle 8: Mittlere Mineralstoffgehalte in der TM von Leguminosensamen
 
Sojabohne
Erdnuß
Gartenbohne
Erbse
Kichererbse
Linse
Lupine*
    Makroelemente in %
    Ca
0,22
0,07
0,13
0,06
0,14
0,08
0,11
    P
0,60
0,30
0,48
0,42
0,46
0,46
0,62
    Ca : P
0,36 : 1
0,23 : 1
0,27 : 1
0,14 : 1
0,30 : 1
0,17 : 1
0,17 : 1
    Na
<0,01
<0,01
<0,01
0,03
0,03
<0,01
<0,01
    K
1,18
0,55
1,60
1,06
0,91
0,94
1,40
    Mg
0,24
0,17
0,16
0,13
0,17
0,14
0,30
    Mikroelemente in mg/kg
    Fe
73
106
70
56
78
84
91
    Zn
46
32
30
39
40
42
55
    Mn
30
21
18
14
24
17
35
    Cu
13
8
7
8
9
8
10
* Lupinus mutabilis

Die Bedarfsermittlung der Mengenelemente kann nach folgender faktoriellen Methode erfolgen:

Haustiere, Heimtiere und der Mensch haben nachstehenden Erhaltungsbedarf an den wichtigsten Makroelementen (Tab. 9).

Tabelle 9: Erhaltungsbedarf in mg/kg Lebendmasse und Tag
Art
Ca
P
Ca : P
Mg
Na
Rind
16
24
0,66 : 1
4
11
Schaf
16
14
1,10 : 1
4
25
Pferd
30
12
2,50 : 1
7
18
Schwein
32
20
1,60 : 1
2
11
Hund
35
30
1,20 : 1
5
4
Katze
80
70
1,10 : 1
8
80
Mensch
12
12
1,00 : 1
6
35
Insbesondere das ernährungsphysiologisch sehr wichtige Ca : P-Verhältnis liegt sowohl beim Menschen als auch bei den aufgeführten Tierarten weit abseits vom Ca : P-Verhältnis in den Leguminosensamen.

Bei den Mikroelementen besteht vor allem das Problem, daß aufgrund des hohen Gehaltes an Phytin-P die Resorbierbarkeit, insbesondere von Zink, stark eingeschränkt ist.

Tabelle 10: Vitamingehalte in reifen Samen von Leguminosen
(Angaben in mg/kg TM)
 
Sojabohne
Erdnuß
Gartenbohne
Erbse
Kichererbse
Linse
Lupine*
Vit. A-Equi.
68
112
95
149
34
19
90
E
168
204
24
12
14
9
180
B1
11
8
6
9
6
5
5
B2
5
1
2
3
2
3
4
B6
10
5
6
1
6
5
4
Niacin
27
150
22
31
18
26
41
Pantothens.
18
26
10
22
15
18
19
*Lupinus mutabilis

Die Vitamingehalte (Tab. 10) hängen wesentlich von den Anteilen der Hauptinhaltsstoffe ab. Insbesondere die Tocopherole (Vit. E) und die Vitamin A-Equivalente (Carotine) sind deutlich positiv mit dem Ölgehalt der Samen korreliert.

Die wasserlöslichen Vitamine des B-Komplexes sowie Niacin und Pantothensäure sind, im Vergleich mit Getreidearten, in den Leguminosensamen reichlich vorhanden.

Antinutritive Inhaltsstoffe
Stoffgruppe Chemische Verbindung Wirkung Vorkommen
Phenolderivate Tannine Futteraufnahmesenkung, Hemmung proteolytischer Enzyme, herabgesetzte Proteinverdaulichkeit Ackerbohnen, Erbsen
Proteine Lectine Koagulierung der Erythrozyten, Beeinträchtigung körpereigener Abwehrmechanismen Phaseolus-Arten, Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen
  Protease-Inhibitoren trypsinhemmende Wirkung, Pankreashypertrophy und -plasie, Wachstumsdepressionen Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen
Glucoside Vicin, Convicin, (Pyrimidin-Glucoside) Störung des Fettstoffwechsels, verminderte Legeleistung und Einzeleimasse, Befruchtungs- und Schlupfleistungsdepression Ackerbohnen, Wicken
  a-Galactoside1   Lupinen, Ackerbohnen, Erbsen
  Cyanogene Glucoside Vergiftungserscheinungen durch freigesetzte Blausäure Wicken, Phaseolus-Arten
Alkaloide Spartein, Lupinin, Lupanin, Hydroxylupanin, Angustifolin Leberschädigung, Atemlähmung, Futteraufnahmesenkung Bitterlupinen, nur Spuren in Süßlupinen
Antivitamine   Aktivitätsminderung von Niacin Ackerbohnen
Darstellung 14: Antinutritive Inhaltsstoffe in Leguminosensamen
(nach JEROCH et al.)

In der Familie der Leguminosen wird eine vergleichsweise hohe Anzahl verschiedener antinutritiver Inhaltsstoffe gebildet, so daß der Verzehr roher Samen in aller Regel gesundheitsschädlich ist.

In der Darstellung 14 sind die wesentlichen Stoffgruppen der Leguminosensamen, die in der Fütterung leistungshemmend oder gar toxisch wirken, zusammengestellt.

Da in nahezu allen antinutritiven Stoffen Stickstoff enthalten ist, liegt die Vermutung nahe, daß durch die Symbiose mit Rhizobien und dem dadurch bedingten ständigen N-Zufluß in die Pflanze eine Reihe N-haltiger sekundärer Pflanzenstoffe, aber auch spezifische Aminosäuren oder Proteinkörper gebildet werden.

Bei den Tanninen oder Gerbstoffen steigt die antinutritive Wirkung mit dem Polymerisierungsgrad an. Die Gehalte variieren bei Ackerbohnen in den herkömmlichen Sorten und buntblühenden Neuzüchtungen zwischen 2,1 und 4,5 % in der Samen-TM. Weißblühende Formen sind hingegen weitgehend frei von Tanninen.

Für Trockenspeiseerbsen werden in der Literatur Tanningehalte zwischen 0,9 und 1,4 % angegeben und bei Futtererbsen liegt die Variation zwischen 1,5 und 2,5 %. Auch hier besteht die Tendenz, daß weißblühende Sorten oder Herkünfte geringere Gehalte aufweisen als buntblühende Formen (JEROCH et al.; HAUSCHILD).

Lectine sind Proteine der Leguminosensamen, die offenbar in direktem Zusammenhang mit der Besiedlung der Leguminosenwurzeln durch Knöllchenbakterien stehen (vgl. Lectinerkennungshypothese). Die Bezeichnung Lectin kommt vom lat. legere = auswählen, weil diese Proteine bestimmte Kohlenhydrate erkennen und sich spezifisch anlagern können. Sie werden als Hämagglutinine bezeichnet, weil sie sich an Erythrozyten anheften und diese koagulieren. Auch hierbei kommt es zu einer Bevorzugung bestimmter Blutgruppen, wobei die Glykanreste der Erythrozyten als Rezeptoren fungieren. Lectine oder Hämagglutinine sind in der Regel hochmolekulare Glycoproteine, deren relative Mol-Massen 30.000 g übersteigen.

Lectine sind in Samen der Leguminosen weit verbreitet und erreichen Konzentrationen bis zu 10 % des löslichen Proteins. In Tierversuchen wurde festgestellt, daß Toxizität von Leguminosen-Proteinen nicht parallel zur Hämagglutininaktivität verläuft. So wirken die Lectine aus Sojabohne und Phaseolus-Bohne toxisch, während Erbsenlectine offenbar keine toxischen Eigenschaften im Zusammenhang mit der Hämagglutininaktivität erkennen lassen. Diese und andere Beobachtungen weisen darauf hin, daß die Toxizität der Lectine nicht ausschließlich aus der Hämagglutinierung resultiert, sondern daß die Hemmung der Nährstoffresorption und der Proteinbiosynthese ebenfalls als toxische Effekte diskutiert werden.

Durch Kochen werden die Lectine denaturiert und die toxischen Eigenschaften verschwinden damit.

Proteinase- und Amylase-Inhibitoren

Diese Gruppe der Enzymhemmer sind gleichfalls Proteine, die mit Enzymen stöchiometrische Komplexe bilden und sie dadurch inaktivieren.

Die Proteinase-Inhibitoren der Leguminosensamen hemmen in der Regel spezifisch Trypsin und a-Chymotrypsin. Da die Inhibitoraktivität in der Regel mit kommerziellen tierischen Enzymen bestimmt wird, ist in Darstellung 15 die Enzymhemmung im menschlichen Darmsaft in Relation zu der Hemmung von Rindertrypsin und Rinderchymotrypsin dargestellt.

Darstellung 15: Relative Enzymhemmung im menschlichen Darmsaft durch verschiedene Leguminosensamen.

Aus Darstellung 15 ist zu ersehen, daß Humantrypsin durch Inhibitoren aus Leguminosen ähnlich stark oder etwas weniger gehemmt wird wie Rindertrypsin. Hingegen ist beim menschlichen a-Chymotrypsin die Hemmung wesentlich stärker als bei dem vergleichbaren Enzym vom Rind.

Angaben über die absolute Protease-Inhibitor-Aktivität liegen von GRIFFITH vor:
Leguminosenart
Trypsin-Inhibitor Einheiten (TIE)/mg
Chymotrypsin-Inhibitor Einheiten (CIE)/mg
Sojabohne
28,75
17,40
Gartenbohne
8,85
keine Angabe
Ackerbohne
1,49
0,56
Erbse
1,06
3,29
Ähnlich wie bei den Lectinen wird auch hier die Inaktivierung durch Erhitzen erreicht, wobei teilweise lange Erhitzungszeiten und hohe Temperaturen aufzuwenden sind, um die Trypsinhemmer vollständig zu inaktivieren.

Die Amylase-Inhibitoren, die vor allem in weißen Bohnen vorkommen, sind in der Humanernährung ohne Bedeutung, da sie im sauren Milieu des Magens ihre Aktivität verlieren.

Glucoside

Wie aus Darstellung 14 zu ersehen ist, kommen 3 verschiedene Glucoside in Leguminosensamen vor. Vicin und Convicin treten nur in Ackerbohnen und Wicken auf und bewirken bei Legehennen ab einer bestimmten Konzentration einen Rückgang der Einzeleimasse. Außerdem wird bei Geflügel die Befruchtung und die Schlupffähigkeit der Küken negativ beeinflußt, bei Sauen geht die Wurfstärke zurück und die Milchleistung wird vermindert.

a-Galactoside wurden in Leguminosensamen zwar nachgewiesen, aber ihr Gehalt ist so gering, daß keine ernährungsphysiologischen Auswirkungen entstehen.

Cyanogene Glucoside sind aufgrund abspaltbarer Blausäure als besonders giftig einzustufen. In einigen Leguminosensamen kommt das Glucosid Linamarin vor, das durch ein zelleigenes Enzym in Glucose, Aceton und Blausäure (HCN) gespalten wird.

Blausäuregehalte im toxischen Bereich können aus der Limabohne (Phaseolus lunatus) freigesetzt werden, während die übrigen Kulturleguminosen nur geringe Gehalte aufweisen.

Abspaltbare Blausäure (HCN) aus Leguminosensamen (nach BELITZ & GROSCH)
Art
HCN (mg/100 g)
  Art
HCN (mg/100 g)
Limabohne
210-310
  Bohne
ca. 2,0
Erbse
ca. 2,3
  Kichererbse
ca. 0,8
Alkaloide sind stickstoffhaltige Verbindungen, die vorzugsweise bei Lupinen auftreten.

Der bittere Geschmack der Alkaloide hat auch bei den alkaloidreichen Lupinenformen zu der Bezeichnung "Bitterlupinen" geführt. Im Gegensatz dazu wurden durch züchterische Reduktion des Alkaloidgehaltes die sog. "Süßlupinen" erhalten, die direkt gefüttert oder verzehrt werden können. Die Alkaloide wirken indes nicht nur als Repellent bei den bitteren Formen, sondern sie beinhalten auch ein erhebliches toxisches Potential.

Wenn bittere Formen verfüttert oder verzehrt werden sollen, so müssen sie vorher "entbittert" werden. Dies ist vergleichsweise einfach zu erreichen, da die wasserlöslichen Alkaloide ausgeschwemmt werden können. Allerdings gehen dabei auch eine Reihe wertvoller Inhaltsstoffe verloren, die gleichfalls wasserlöslich sind und abgeschwemmt werden. Die Lupinen-Alkaloide sind von ihrer Struktur her Chinolizidinalkaloide deren Ausgangssubstrat im Biosyntheseweg die basische Aminosäure Lysin ist.

Darstellung 16: Strukturformeln einiger Chinolizidinalkaloide

Insgesamt kommen in den Lupinen mehr als 10 Einzelalkaloide vor, unter denen Spartein, Lupinin und Lupanin in verschiedenen Oxidationsstufen die Hauptkomponenten bilden. In bitteren Lupinenformen können die Gesamt-Alkaloide bis zu 4,5 % der TM betragen. In süßen Formen liegen die Gehalte unter 0,1 % (GROSS, RÖMER, WINK u.a.).

Literatur

BELITZ, H.-D. & W. GROSCH, 1992: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 4. Aufl. Springer Verlag, Berlin und Heidelberg.

ELMADFA, I. & C. LEITZMANN, 1988: Ernährung des Menschen. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

GROSS, R., 1983: Untersuchungen über den Einfluß von Genotyp und Umwelt auf die Korninhaltsstoffe von Tarwi (Lupinus mutabilis) aus peruanischem Anbau. Diss. Gießen.

JEROCH, H., G. FLACHOWSKY & F. WEISSBACH, (Hrsg.), 1993: Futtermittelkunde. Verlag Gustav Fischer, Jena und Stuttgart.

MÜNTZ, K., R. JUNG & G. SAALBACH, 1993: Synthesis, processing and targeting of legume seed proteins. In: P. R. SHEWRY & K. STOBART (eds.): Seed Storage Compounds. Clarendon Press, Oxford.

RÖMER, P., 1990: Genetische und physiologische Untersuchungen an Lupinus mutabilis SWEET. Diss. Gießen.

SOUCI, S. W., W. FACHMANN & H. KRAUT (Hrsg.), 1994: Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwert-Tabellen. 5. Aufl. CRC Press, London, Tokio.

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