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VII. Bedeutung der Hülsenfrüchte als Nahrungsmittel
R. Marquard

Wie bereits im Abschnitt III ausgeführt, zeichnen sich die Samen der Hülsenfrüchte oder Leguminosen durch einen hohen Proteingehalt aus. Sie spielen somit als Eiweißträger in der Humanernährung eine bedeutende Rolle und zwar besonders dort, wo vergleichsweise wenig tierische Proteine als Volksnahrung zur Verfügung stehen.

Im ostasiatischen Raum ist die Sojabohne dominierend, in Afrika und anderen subtropischen Regionen ist es vor allem die Erdnuß. In den Ländern Lateinamerikas wird die Eiweißversorgung zum überwiegenden Teil durch Phaseolus-Bohnen abgedeckt, und im südamerikanischen Andenhochland trägt der "Tarwi" (Lupinus mutabilis) seit Jahrhunderten maßgeblich zur Proteinversorgung bei.

In Europa hatten besonders in früheren Zeiten Erbsen, Bohnen und Linsen einen hohen Stellenwert in der Ernährung; heute sind sie vor allem in den Mittelmeerländern noch ein wesentlicher Bestandteil des Nahrungsangebotes.

Während in vielen Entwicklungsländern Leguminosen die Nahrung der ärmeren Bevölkerung ist, erfahren die Hülsenfrüchte in den Industrieländern derzeit eine Renaissance durch die zunehmend vegetarischen Ernährung in Wohlstandsgesellschaften, wobei man gerne den Begriff "Wertkost" verwendet, bei der Sojaprodukte im Vordergrund stehen.

Neben der mit der Nahrung zugeführten Proteinmenge ist die "Biologische Wertigkeit" des Proteins von entscheidender ernährungsphysiologischer Bedeutung.

Menschen und Tiere sind, im Gegensatz zu Pflanzen, sogenannte heterotrophe Organismen, d.h. sie benötigen für Wachstum und Erhaltung eine Reihe "vorgefertigter" organischer Verbindungen, die sie im eigenen Organismus nicht synthetisieren können.

Diese Stoffe, die mit der Nahrung aufgenommen werden müssen, werden als "essentielle Nährstoffe" bezeichnet und betreffen:

Aminosäuren, zum Aufbau körpereigener Proteine,

Fettsäuren, für spezifische Funktionen im Lipidstoffwechsel,

Vitamine, mit katalytischen Eigenschaften.

Da der menschliche Körper neben Wasser (ca. 62 %) überwiegend aus Eiweiß (ca. 17 %) besteht, spielen essentielle Aminosäuren eine dominierende Rolle in der Ernährung.

Tierische Eiweiße aus Eiern, Milch, Fleisch und Fisch sind in der Zusammensetzung dem menschlichen Eiweiß ähnlicher als Pflanzenproteine und enthalten somit die für den Menschen essentiellen Aminosäuren in ausreichender oder nahezu ausreichender Menge. Sie werden daher als "vollwertig" eingestuft d.h. ihre relative Biologische Wertigkeit (BW) wird mit 100 % angegeben. Pflanzliche Eiweiße erreichen diesen Wert nicht, wie folgende Zusammenstellung zeigt:
Hülsenfrüchte BW in %   Andere Nahrungspflanzen BW in %
Sojabohnen ca. 86   Kartoffeln 71 - 79
Bohnen 55 - 65   Weizen 68 - 77
Erbsen 50 - 60   Reis ca. 60
Linsen ca. 45   Mais 50 - 60
Eine geringere Biologische Wertigkeit im Vergleich mit vollwertigen Eiweißen resultiert aus dem Mangel einer oder weniger essentieller Aminosäuren, die als limitierend bezeichnet werden.

Bei verschiedenen Nahrungsstoffen limitieren jeweils andere Aminosäuren den biologischen Wert des Eiweißes, so daß eine vielseitige Ernährung grundsätzlich günstig ist.

In Leguminosen sind vornehmlich die schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystin im Mangel; bei Getreide limitieren Lysin und danach Tryptophan.

Die in einem Nahrungsmittel limitierende Aminosäure kann in einem anderen durchaus im Überschuß vorhanden sein, so daß man durch "Mischkost" die Eiweißwertigkeit beträchtlich erhöhen und in Kombination mit tierischem Protein sogar über 100 % steigern kann, wie aus folgender Zusammenstellung hervorgeht (BITSCH; FELDHEIM):
Vollei + Kartoffeln 136 %
Vollei + Sojabohnen 123 %
Vollei + Reis 106 %
Bohnen + Mais 100 %
Die Mischung von Bohnen und Mais zeigt, daß auf diese Weise durch rein pflanzliche Kost ein vollwertiges Protein mit der Nahrung zugeführt werden kann, weil der niedrige Methioningehalt der Bohnen durch den Überschuß im Maisprotein ergänzt wird, während der zu geringe Lysingehalt im Maisprotein durch das im Bohneneiweiß reichlich vorhandene Lysin substituiert wird.

Ähnlich positive Ergebnisse, wie in der beispielhaft dargestellten Kombination von Bohnen und Mais, lassen sich auch mit anderen Leguminosen und Getreidearten erzielen. Wenn dazu noch geringe Mengen an tierischem Protein aus Eiern, Milch, Fleisch oder Fisch in der Nahrung enthalten sind, entspricht die Proteinversorgung den ernährungsphysiologischen Anforderungen.

Dies ist ein ganz wesentlicher Aspekt für die Länder der sogenannten "Dritten Welt".

Da Sojabohnen schon a priori eine hohe Eiweißwertigkeit aufweisen, wurden in Fernost Technologien für Produkte entwickelt, die Milch und Fleisch in der Nahrung ersetzen können.

Sojaeiweiß: Sojaeiweiß wird zur Verbesserung der Proteinversorgung und zur Steigerung der Verarbeitungsqualität verschiedenen Nahrungsmitteln beigemischt. Eine höhere Verarbeitungsqualität wird vor allem durch bessere Wasserbindung und Stabilisierung von Emulsionen, die höheren Temperaturen ausgesetzt sind, erreicht.

Verwendet wird Sojaeiweiß bei der Herstellung von Wurstwaren, von Backwaren, als Zusatz in sauren Getränken (pH-Wert um 3,0) und in Kindernahrungsmitteln (siehe auch "Sojabohne").

Sojaprotein-Konzentrate und -Isolate werden aus flockierten und entfetteten Sojabohnen (Rückstand aus der Ölgewinnung) nach dem in Darstellung 31 wiedergegeben Verfahren hergestellt.

Darstellung 31: Verarbeitungsschema von Sojabohnen (BELITZ und GROSCH)

Sojamilch: Sojabohnen werden mit Wasser im Verhältnis 1:10 gequollen und anschließend zu einer Suspension homogenisiert. Die Suspension wird für ca. 20 Minuten nahe am Kochpunkt pasteurisiert (erhitzt), wobei gleichzeitig die Lipogenasen (fettspaltende Enzyme) und Proteinase-Inhibitoren (Substanzen, welche die Proteinverdauung behindern) inaktiviert werden. Das Produkt wird noch mit Calcium und Vitaminen angereichert. Es wird vor allem in der Säuglingsernährung, insbesondere bei Säuglingen, die keine Kuhmilch vertragen (z.B. bei ca. 7 % in den USA), verwendet.

Tofu: Aus Sojamilch wird durch Zusatz von Calciumsulfat (3 g CaSO4 pro 1 kg) bei 65° C langsam ein Gel gefällt. Dieses wird durch schonendes Pressen zwischen zwei Holzrosten leicht entwässert und anschließend gewaschen. Das fertige Produkt, das auch als Sojaquark bezeichnet wird, enthält etwa 88 % Wasser und in der Trockenmasse ca. 55 % Protein und ca. 28 % Fett. In China und anderen fernöstlichen Ländern leistet Tofu, entweder frisch oder getrocknet mit Sojasauce verzehrt, oder in Fett gebacken, den größten Beitrag zur Eiweißversorgung der Bevölkerung. Bei uns ist Tofu ein Bestandteil der sogenannten "Wertkost".

Miso: Miso ist eine fermentierte Sojapaste. Zur Herstellung wird Reis eingeweicht erhitzt und bei 28-30°C ca. 40 bis 50 Stunden mit Aspergillus oryzae, einem Schimmelpilz, inkubiert. Parallel dazu werden ganze Sojabohnen eingeweicht, erhitzt und mit dem Reis-Ansatz im Verhältnis 60:30 gemischt. Die Mischung erhält einen Zusatz von 4 bis 13 % Kochsalz und wird für einige Monate bei 25 bis 30°C einer Gärung unterworfen, an der Milchsäurebakterien und Hefen beteiligt sind. Das Produkt wird danach pasteurisiert und kommt abgepackt in den Handel.

Natto: Natto ist ebenfalls ein fermentiertes Sojaprodukt, von dem verschiedene Typen bekannt sind. Bei dem verbreiteten "Itokiki- Typ" werden Sojabohnen in Wasser eingeweicht, gekocht und nach Abkühlung mit Bazillus natto, einer Variante von Bazillus subtilis (Bakterienstämme) für 16 bis 20 Stunden bei 40 bis 45°C inkubiert. Das fertige Produkt weist an der Oberfläche eine charakteristische viskose Textur auf, die durch Polyglutaminsäure (Geschmacksstoff), die während der Fermentation gebildet wird, entsteht.

Sufu: Sufu ist ein aus Tofu hergestellter Sojakäse. Das Ausgangsprodukt wird in Würfel von ca. 3 cm Kantenlänge geschnitten, mit einer angesäuerten Kochsalzlösung (6 % Kochsalz + 2,5 % Citronensäure) behandelt und für 15 Minuten auf 100° C erhitzt. Nach Abkühlung wird der Ansatz mit Actinimucor elegans beimpft, 2 bis 7 Tage bei 12 bis 25° C inkubiert und anschließend in 5 bis 10%ige Kochsalzlösung eingelegt. Die Reifung dauert 1 bis 12 Monate.

Die genannten Produkte, die ein wesentlicher Bestandteil der fernöstlichen Volksnahrung sind, haben inzwischen, wie bereits erwähnt, auch bei uns breiten Eingang in der "Vollwertkost" gefunden.

Auch in anderen Ländern und Regionen der Erde gibt es Rezepturen oder traditionelle Speisen, in denen Hülsenfrüchte, in Verbindung mit anderen pflanzlichen Nahrungsmitteln, ganz wesentlich zur vollwertigen Ernährung der Bevölkerung beitragen.

Literatur

BELITZ, H.-D. & W. GROSCH, 1992: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 4. Aufl., Springer Verlag, Berlin und Heidelberg.

BITSCH, I., 1991: Ernährungslehre. In: FREDE: Taschenbuch für Lebensmittelchemiker und -technologen. Teil 1. 197-210. Springer Verlag, Berlin und Heidelberg.

FELDHEIM, W., 1992 : Ernährungsphysiologische Bedeutung pflanzlicher Lebensmittel. Proc. 17. Vortragstagung der Deut. Ges. für Qualitätsf. (DGQ), 30./31.03.92 in Bergholz-Rehbrücke. 164-172.

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